Leon Draisaitl in den NHL-Playoffs:Gretzky ist verzückt

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Diesmal ist der gegnerische Torhüter keine Bande. Leon Draisaitl von den Edmonton Oilers überwindet Laurent Brossoit von den Vegas Golden Knights. (Foto: Ethan Miller/AFP/Getty)

Leon Draisaitl trifft auch in der zweiten Partie gegen die Vegas Golden Knights mehr als ein Mal für Edmonton. Bald könnte er einen fast 50 Jahre alten Playoff-Rekord brechen - was ihm aber völlig egal ist.

Von Jürgen Schmieder, Los Angeles

50 Tore. Das ist die Playoff-Prognose für Leon Draisaitl, und sie stammt nicht von irgendwem, sondern von einem ehemaligen Eishockeyspieler, den in Nordamerika alle The Great One nennen: Wayne Gretzky hat diesen verwegenen Tipp abgegeben - der aktuelle Rekord liegt bei 19 Treffern, der Kanadier Reggie Leach hat ihn 1976 für die Philadelphia Flyers aufgestellt. Gretzky selbst hat einmal 17 Tore erzielt, 1985 für die Edmonton Oilers, für die nun Draisaitl agiert.

Allerdings: Ist diese Prognose wirklich derart unrealistisch, wie sie klingt? Es läuft gerade die zweite Playoff-Runde, und da haben die Oilers erst zwei Partien bei den Vegas Golden Knights absolviert. Im ersten Spiel, Vegas gewann 6:4, erzielte Draisaitl alle vier Oilers-Tore; beim 5:1-Sieg am Samstag schaffte er zwei weitere Treffer.

In acht Playoff-Partien hat Draisaitl nun 13 Tore erzielt; 1,6 pro Spiel. Maximal 19 Partien (fünf in dieser Runde, plus womöglich zwei weitere Best-of-seven-Serien) stehen noch an für Draisaitl. Es dürften nicht die von Gretzky augenzwinkernd vorhergesagten 50 werden, selbst wenn er diese Quote beibehalten würde. Draisaitl ist auf dem besten Weg, einen fast 50 Jahre alten Rekord zu brechen - weil es zum einen richtig gut läuft bei den Oilers, die den ersten Titel seit 33 Jahren gewinnen möchten. Zum anderen, weil Draisaitl einen legendären Satz von Gretzky verkörpert: "Du darfst nicht dorthin fahren, wo der Puck ist; sondern dorthin, wo er sein wird." Draisaitl hat derzeit ein Näschen dafür, wo der Puck sein wird. Er weiß, wo das Tor steht, im Gegensatz zum Puck bewegt es sich ja nicht. Und er schafft es, dass der Puck nach einer Begegnung mit ihm im Tor landen wird. Er schießt, schlenzt, stochert - und manchmal, da fabriziert er Ungeheuerliches.

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Von Jürgen Schmieder

In der ersten Partie gegen Vegas schoss er aus einer Position hinter dem Tor und nutzte die Schulter von Golden-Knights-Torwart Laurent Brossoit als Bande. Die US-Kommentatoren verwendeten so ziemlich jedes negativ belegte Wort - schmutzig, ekelhaft, unverschämt, bitterböse -, was in dem Fall natürlich größtmöglichen Respekt bedeutet. Gretzky sagte, er sei "verzückt" von Draisaitl.

Zwei Aspekte machen das, was da gerade passiert in der nordamerikanischen Eishockeyliga NHL, noch faszinierender. Erstens: Draisaitl ist nicht nur Torjäger, in der regulären Spielzeit lag er mit 52 Toren "nur" auf Rang vier. Er ist, dazu haben ihn die NHL-Kollegen mit deutlichem Vorsprung gewählt, der beste Passgeber der Liga; er weiß nicht nur, wo der Puck sein wird, sondern auch, wo seine Mitspieler sein werden. Die vier Playoff-Vorlagen liegen unter dem Saisonschnitt von knapp einem Zuspiel pro Partie - aber er trifft halt derzeit meistens selbst.

Zweitens: Draisaitl ist das Gegenteil von egoistisch. Er versichert seit Jahren glaubhaft, dass ihm persönliche Statistiken egal sind. Was zählt: der Gewinn des Stanley Cups, der Erfolg des Teams. Tore und Vorlagen sind nun mal sein Beitrag dazu, so sieht er das.

Es ist faszinierend, Draisaitl derzeit bei der Arbeit zuzusehen. Es ist ebenso faszinierend zu sehen, wie aller Lobpreis an ihm abprallt. Er ahnt, dass er Historisches wird leisten müssen, damit sein Team Historisches erreichen kann. Nächster Akt: Montagabend in Edmonton. Gretzky sagte bereits, dass er in der Halle sein werde, weil er das, was da passieren wird, keinesfalls verpassen wolle.

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