NHL-FinalserieBei Leon Draisaitl gehen die Superlative aus

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Leon Draisaitl feiert nach seinem Siegtreffer gegen die Florida Panthers in Spiel vier.
Leon Draisaitl feiert nach seinem Siegtreffer gegen die Florida Panthers in Spiel vier. (Foto: Nathan Denette/The Canadian Pres/dpa)

Erneut trifft der deutsche Eishockeyprofi in der Overtime – diesmal zum 5:4-Sieg gegen Florida im vierten Spiel der Finalserie. Damit sorgt er für einen NHL-Rekord.

Von Jürgen Schmieder

Und schon wieder: Siegtor Draisaitl. Zum zweiten Mal in dieser Finalserie hat Leon Draisaitl für seine Edmonton Oilers den Siegtreffer in der Verlängerung erzielt, zum vierten Mal in diesen Playoffs; das ist ein Rekord in der nordamerikanischen Eishockeyliga NHL. Um die Leistungen des Profis zu würdigen, gehen einem langsam die Superlative aus: Das Außergewöhnliche passiert derart häufig, dass es wie Normalität wirkt.

Und Draisaitl gehört bekanntermaßen nicht zur Sorte Sportler, die ihre individuellen Leistungen überhöhen. „Ja, man freut sich in dem Moment“, sagte er über sein Tor zum 5:4 gegen die Florida Panthers: „Wer das Tor schießt, ist aber völlig egal.“

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Aber es gibt eben nur sehr wenige Eishockeyprofis, die solche Tore erzielen wie Draisaitl, der bei der Wahl zum MVP der Liga – das wurde am Donnerstag bekannt gegeben – auf Platz zwei hinter Torwart Connor Hellebuyck (Winnipeg Jets) landete. Draisaitl erhielt den Puck auf der rechten Angriffsseite, schirmte die Scheibe in hoher Geschwindigkeit und arg bedrängt ab und schaufelte sie einhändig mit der Rückhandseite des Schlägers in die Mitte. Dort wurde sie vom Schienbein eines Gegners durch die Beine des Panthers-Schlussmanns ins Tor abgefälscht.

Es war das berühmte Glück des Tüchtigen, oder wie die Eishockey-Legende Wayne Gretzky stets predigt: „Wenn du es nicht probierst, kannst du auch kein Tor erzielen.“

„Du kannst nicht so rumdödeln, wie wir das getan haben“, schimpft Draisaitl über das erste Drittel

2:2 steht es nun in der Best-of-seven-Serie. Es könnte auch ganz anders aussehen: 6:1 hatte Florida die dritte Partie gewonnen, am Donnerstag führten sie nach dem ersten Spielabschnitt 3:0. Sie hatten die Oilers vom Eis geschossen, oder wie Draisaitl nach der Partie sagte: „Du kannst nicht so rumdödeln, wie wir das getan haben, wenn du im Spiel davor so den Hintern versohlt gekriegt hast. Wir wollten aggressiv beginnen, aber die haben uns sofort knallhart bearbeitet – und wir haben gedödelt.“ Lolligag war der englische Ausdruck, den Draisaitl verwendete, und er sagte, dass es deshalb einen gepflegten Anschiss in der Kabine gegeben habe. Nicht von ihm, nicht von Connor McDavid, dem zweiten Ausnahmespieler der Oilers, auch nicht von Trainer Kris Knoblauch, der Torwart Stuart Skinner durch Calvin Pickard ersetzte.

Es war Corey Perry, der kürzlich seinen 40. Geburtstag gefeiert hatte. „Wenn der was sagt, dann hörst du zu“, sagte Draisaitl über den Veteranen, der mit den Anaheim Ducks vor 18 Jahren den Stanley Cup gewonnen hatte: „Natürlich willst du nicht oft in so einer Situation sein. Wir wissen aber: Wir können das, wir sind sogar sehr gut darin. Egal, wie schlimm es ist: Wir geben nicht auf! Du musst nur einmal über diesen Hügel kommen, dann läuft es.“ Genau so kam es: Innerhalb von 15 Minuten glichen die Oilers aus, zwei Treffer bereitete Draisaitl vor.

Die Oilers-Führung im Schlussdrittel glichen die Panthers nur 19 Sekunden vor dem Ende aus; zum dritten Mal in vier Finalspielen hieß es: Verlängerung! Die hätte Titelverteidiger Florida in eigener Halle kurz vor dem Siegtreffer von Draisaitl beenden können, sogar müssen: Sam Bennett zog unbehindert, mittig, fünf Meter vom Tor entfernt ab. Wie Pickard den Puck mit der linken Hand an die Latte lenkte, könnte Stoff einer wissenschaftlichen Studie über Reaktion und Hand-Augen-Koordination werden. „Man vergisst manchmal, in was für einer schwierigen Situation er da aufs Eis kommt“, sagte Draisaitl über Pickard: „Dreinull Rückstand, du bist nicht ordentlich aufgewärmt, hast keinen Rhythmus – und dann hältst du solche Dinger. Er ist einer der Besten in dieser Liga.“

Das führt vor Spiel fünf zur kniffligen Entscheidung für Oilers-Trainer Knoblauch: Wer soll im Tor stehen? Skinner, der in den letzten vier Spielabschnitten neun Gegentreffer kassiert hat, in den Playoffs aber dreimal zu null gespielt hat? Oder Pickard, der aus jedem der bislang sieben Playoff-Auftritte siegreich hervorgegangen ist? Knoblauch hat nicht viel Zeit, das nächste Spiel findet bereits am Samstag im 4000 Kilometer entfernten Edmonton statt.

Mindestens zwei Gelegenheiten gibt es in dieser Saison noch, das Außergewöhnliche zu sehen, das diese beiden Teams in dieser Finalserie bieten. Wie sagte die Legende Gretzky direkt nach dem Treffer von Draisaitl: „Wer heute zum ersten Mal Eishockey geguckt hat, dürfte sich fragen, warum er das nicht schon sein Leben lang getan hat.“

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