Süddeutsche Zeitung

Stanley Cup Finals der NHL:Die werden doch nicht...

Colorado Avalanche gewinnt die erste Partie des Eishockey-Showdowns gegen Tampa Bay Lightning nach Verlängerung. Das Spiel ist ein Hinweis darauf, dass es eine lange, intensive und spannende Finalserie werden dürfte.

Von Jürgen Schmieder, Los Angeles

Plötzlich war es leise in der Sportarena im Stadtzentrum von Denver. Es war eine Stille, die es nur dann gibt, wenn 18 000 Leute in Erwartung völliger Ekstase eine Heidenangst kriegen, dass sie doch nicht eskalieren dürfen. Sportfans haben ein feines Gespür für Dramaturgie, und in der Verlängerung der ersten Partie der Stanley Cup Finals zwischen Colorado Avalanche und Tampa Bay Lightning war es in diesem Moment so: Der Gast aus Florida hatte einen 1:3-Rückstand aufgeholt und eine Verlängerung erzwungen, dort eine Unterzahl-Situation überstanden - und griff nun an. Das kollektive Atem-Anhalten transportierte die Botschaft: Die werden doch nicht ...

Taten sie auch nicht. Avalanche-Torwart Darcy Kuemper wehrte drei Schüsse innerhalb weniger Sekunden ab. Und Colorado konterte: Nach feinem Zuspiel von Valeri Nichuski prügelte Andre Burakovsky den Puck ins Tor, zum 4:3 im ersten Spiel dieser NHL-Endspielserie. Nun durften die Avalanche-Fans endlich ausrasten. "Die sind völlig verrückt - davon träume ich, seit ich ein Kind bin", sagte der in Österreich auf die Welt gekommene Siegtorschütze: "Wir haben uns nicht aus der Ruhe bringen lassen von der Aufholjagd und waren auch vor der Verlängerung gelassen und selbstbewusst."

Die werden doch nicht... Das ist in gewisser Weise auch das Motto dieser ganzen Finalserie, aus verschiedenen Gründen für die Teilnehmer. Tampa Bay hatte den Titel in den vergangenen beiden Jahren gewonnen, diesmal lief es in der Hauptrunde eher durchwachsen. Die einhellige Meinung lautet: Die sind noch immer bärenstark, aber drei Titel nacheinander, das hat kein Verein in den vergangenen 40 Jahren geschafft. Der bisher letzte Stanley-Cup-Hattrick war den New York Islanders von 1980 bis 1983 gelungen. Damals gab es aber zum einen keine Gehaltsobergrenze und zum anderen nur 21 NHL-Teams.

Bei Tampa Bay geht es im NHL-Finale auch darum, Zweifel zu beseitigen

In den Playoffs überstand Tampa Bay das entscheidende siebte Spiel gegen die Toronto Maple Leafs, dann demütigten sie die Florida Panthers - das erfolgreichste Team der regulären Saison - in vier Spielen. Und plötzlich hieß es: Die werden doch nicht... Doch, taten sie. Sie siegten auch im Halbfinale gegen die New York Rangers, nach 0:2-Rückstand und 1:2-Zwischenstand während der dritten Partie. Ein Titel für Tampa Bay würde nun also sämtliche Zweifel der vergangenen Jahre beseitigen.

Colorado wiederum war das erfolgreichste Team der Western Conference und auch das talentierteste - aber was bedeutet das schon in den Playoffs der nordamerikanischen NHL? Dort haben in den vergangenen 20 Jahren lediglich zwei Teams den Cup gewonnen, die in der regulären Saison die meisten Punkte gesammelt hatten (Detroit Red Wings 2008 und Chicago Blackhawks 2013). Colorado war zudem bekannt dafür, es in den Playoffs aber so was zu vermasseln. Nach den überzeugenden Siegen über Nashville (4:0), St. Louis (4:2) und Edmonton (4:0) hieß es nun weiterhin, vor der ersten Finalteilnahme seit dem Titel im Jahr 2001: Die werden doch nicht...

Die erste Endspiel-Partie war nun ein Hinweis darauf, wie diese Serie verlaufen könnte: Lightning ist bekannt dafür, sowohl in einzelnen Spielern als auch generell in Best-of-seven-Serien holprig zu starten, sich dann aber auf den Gegner einstellen und immer dann zuzuschlagen, wenn die Widersacher sich auf dem Pfad des Erfolgs wähnen. Auch im ersten Finale holten sie nach typisch wackeligem Beginn (0:2 nach weniger als zehn Minuten) auf, mit jeder Spielminute wirkte Torwart Andrej Wassilewski ruhiger, fast unbezwingbar.

Genau deshalb waren die Colorado-Fans so angespannt-nervös, genau deshalb schwang beim großen Jubel nach dem Siegtreffer auch sehr viel Erleichterung mit. "Wir haben uns das erkämpft", sagte Torschütze Burakovsky nach der Partie. Er wirkte, als seien ihm gerade ein paar Pucks vom Herzen gepurzelt, die bei einer Niederlage schwer gewogen hätten. Spieler und Fans haben nun zwei Tage Pause, die zweite Partie findet in der Nacht zum Sonntag (2 Uhr MESZ) statt.

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