Die NFL hat fünf Spieler suspendiert, weil sie gegen die Wettregeln der US-Footballliga verstoßen hatten - und eines vorneweg: Das ist korrekt. Alle 17 000 Mitarbeiter der NFL, darunter knapp 2000 Spieler, werden vor jeder Spielzeit darüber instruiert, was erlaubt ist. In wenigen Profiligen weltweit ist das Verhalten auf dem Spielfeld und abseits davon so präzise geregelt wie im Tarifvertrag der NFL mit der Spielergewerkschaft NFLPA. Dennoch bleibt ein, wie man in Deutschland sagt, Gschmäckle, weil alles so sehr nach Heuchelei klingt, dass es fast unmöglich ist, diese Regeln ohne Kopfschütteln zu lesen.
Shaka Toney von den Washington Commanders, Quintez Cephus und C. J. Moore (beide Detroit Lions) sind auf unbestimmte Zeit gesperrt, mindestens aber für die komplette kommende Saison. Sie hatten 2022 auf NFL-Partien gewettet. Zwar waren es nicht die eigenen, und die NFL betont auch, dass die drei "keine Insider-Informationen verwendet haben und ihr Verhalten keinerlei Auswirkungen in irgendeiner Form auf Partien" gehabt habe. Aber Wetten auf Spiele der eigenen Liga, das geht nicht, und mit den drastischen Strafen sendet die Liga genau diese Botschaft.
Illegale Streaming-Angebote:Die Mafia übernimmt das Pay-TV
In Brasilien können sich viele Fans den Fußball nicht mehr leisten, weder im Stadion noch im Fernsehen. Aber die Drogenkartelle machen ein tolles Angebot: die ganze Fußballwelt in einer App. Über ein Geschäft, das zu schön ist, um legal zu sein.
Zwei andere Akteure aus Detroit, Jameson Williams und Stanley Berryhill, werden die ersten sechs Partien der kommenden Spielzeit verpassen, weil sie von NFL-Grundstücken aus Wetten auf Nicht-NFL-Wettbewerbe platziert hatten, und nun wird es kurios. Bei Williams heißt es, dass er den Parkplatz des Lions-Trainingsgeländes bereits verlassen habe, sein Handy aber noch mit dem Vereins-Wlan verbunden gewesen sei. Sein Fehler natürlich; über seinen Berater ließ er ausrichten, dass er sich für diese Tölpelei entschuldige. Doch sechs Spiele Sperre für ein offensichtliches Versehen? Die Liga will offenbar noch eine andere Botschaft senden.
1991 hatte der damalige NFL-Chef Paul Tagliabue vor dem US-Kongress die mittlerweile legendären Worte geäußert: "Wir sollten nicht auf die Helden unserer Kinder wetten." Auch wegen dieses Satzes wurde das Wetten auf Profisport landesweit verboten - Ausnahmen gab es nur in Bundesstaaten wie Nevada, wo damals keine Profiklubs angesiedelt waren. 2012 schrieb Tagliabues Nachfolger Roger Goodell in einem Pamphlet gegen Sportwetten: "Der Schaden, den Wetten auf Integrität, Struktur und guten Ruf der NFL hätten, ist mit Geld nicht zu kompensieren."
Nun offenbar doch, und das passierte 2018, als der Supreme Court der USA das landesweite Wettverbot kippte und es den einzelnen Bundesstaaten überließ, darüber zu entscheiden. Die American Gambling Association prognostizierte, dass die NFL ihre Einnahmen dadurch um 2,3 Milliarden pro Jahr steigern könne: 573 Millionen durch direkte Umsätze wie Sponsoring sowie 1,53 Milliarden über höhere Einschaltquoten. Denn Leute, die auf Spiele wetten, schauen auch zu, und mehr Zuschauer bedeuten bessere Fernsehverträge. Goodell hatte 2012 versprochen, die Umsätze von damals 9,5 Milliarden innerhalb von 15 Jahren auf 25 Milliarden Dollar zu steigern. Aktuell sind es 19 Milliarden Dollar, für 2027 sind 27 Milliarden prognostiziert - das ist auch möglich, weil die NFL ihre Einstellung zu Wetten geändert hat.
Im US-Fernsehen ist es normal, Wettquoten zu erwähnen
Das veranschaulicht am besten die Beziehung der NFL zu Las Vegas. Bis zum Urteil des Supreme Courts 2018 war es gewissermaßen die verbotene Stadt, doch mittlerweile existiert dort ein NFL-Klub, die Las Vegas Raiders, mit Sportpalast in Laufweite zum berühmten Boulevardabschnitt Strip. Zwischen 2022 und 2023 fanden in Las Vegas die Talentbörse und zweimal das All-Star-Spektakel Pro Bowl statt, Ende der kommenden Spielzeit wird der Super Bowl dort ausgetragen. Vegas wird dann die erste Stadt sein, die Gastgeber für alle drei prägenden NFL-Events war.
Man könnte also sagen: Nachdem die Büchse der Pandora geöffnet war, hat die NFL für sich entschieden, dass doch nicht so viel Übel darin gesteckt hatte. Im März beschlossen die Eigentümer etwa, dass Wettbüros in Stadien wie etwa in Washington auch an Spieltagen geöffnet sein dürfen - sofern das Wetten im jeweiligen Bundesstaat erlaubt ist. Über Handy-Apps ist das Live-Wetten in den Arenen ohnehin möglich, erlaubt aber nicht überall, Kaliforniens Einwohner haben kürzlich dagegen gestimmt. Im US-Fernsehen ist es normal, Wettquoten zu erwähnen als Hinweis darauf, wie favorisiert ein Klub ist. Während der Partien werden Live-Quoten und Links zu Wettpartner eingeblendet - das Managerspiel Fantasy Football ist in der US-Kultur stärker verankert als in Deutschland Bundesliga-Tippspiele.
Die NFL muss nur darauf achten, dass niemand durch den Inhalt der Pandora-Büchse verstimmt wird, dass die Wettkunden darauf vertrauen, dass alles mit rechten Dingen zugeht. Die Liga sorgt dafür mit strengen Regeln und drakonischen Strafen, die Vereine ziehen mit. 2019 wurde Josh Shaw für mehr als eine Saison suspendiert, weil er auf NFL-Spiele gewettet hatte, auch nach der Sperre hat er keine Partie mehr absolviert. Und die Detroit Lions reagierten nun sofort und entließen Cephus und Moore fristlos - ihre NFL-Karrieren dürften vorbei sein.
Nur kein Wettskandal, das ist das Motto der NFL. Indes sind die Regeln teils grotesk, was aktuelle Fälle nahelegen: NFL-Spieler dürfen im Casino kein Geld am Roulettetisch setzen. Sie dürfen nicht um Geld Karten spielen. "Es darf nichts von Wert gesetzt werden", besagen die Regeln. Was das mit Wetten auf NFL-Spiele zu tun hat, ist nicht ersichtlich - außer, dass die NFL nicht mal einen Schatten auf den weißen Westen der Spieler duldet.
Wie gesagt: Die Athleten wissen genau, was sie dürfen und was nicht. Die NFL hat beschlossen, dass der Preis für die Legalisierung von Wetten doch nicht zu hoch ist - weil ihn im Zweifel nicht die Liga zahlen muss, sondern der einzelne Spieler.