American Football:Deshaun Watson ist nicht mehr unantastbar

American Football: NFL-Quarterback Deshaun Warson wird massive sexuelle Nötigung vorgeworfen. Nun soll sein Verhalten Konsequenzen haben.

NFL-Quarterback Deshaun Warson wird massive sexuelle Nötigung vorgeworfen. Nun soll sein Verhalten Konsequenzen haben.

(Foto: David Richard/AP)

Der US-Sport löste Skandale bislang oft so, dass Täter zwar bestraft wurden, jedoch kaum auf Geld und Spiele verzichten mussten. Der Einspruch der NFL im Fall des Quarterbacks zeigt nun: Die Zeiten ändern sich. Endlich.

Kommentar von Jürgen Schmieder, Los Angeles

Unantastbar. So muss sich Deshaun Watson in dieser Woche gefühlt haben. Die Botschaft nämlich, die der Quarterback der Cleveland Browns von so ziemlich allen Seiten bekommen hatte, war: Wenn einer reich und berühmt ist, spektakulär und erfolgreich genug spielt, dann muss er für sein Handeln abseits des Feldes kaum Konsequenzen fürchten.

25 Frauen werfen Watson vor, dass er sie zwischen März 2020 und März 2021 bei Massageterminen sexuell genötigt habe. Mit eindeutigen Gesten habe er versucht, sexuelle Handlungen von den Frauen an ihm zu erzwingen, und Frauen ohne ihr Einverständnis in seine sexuellen Handlungen einbezogen. Die strafrechtlichen Ermittlungen in Texas, Watson spielte damals für die Houston Texans, er galt in dem US-Bundesstaat damit als quasi unantastbar: eingestellt von texanischen Geschworenen. Der Bezirksstaatsanwalt sagte danach deutlich, dass dies keinen Freispruch bedeute. Bei 23 Zivilklagen einigte sich Watson mit den Klägerinnen außergerichtlich gegen die Zahlung nicht genannter Summen; eine Klage wurde zurückgezogen, eine ist noch offen.

Eine Mediatorin der US-Footballliga NFL schrieb am Montag zwar, dass er mit seinem Verhalten "eine ernste Gefahr für Sicherheit und Wohlbefinden einer anderen Person" gewesen sei; die Strafe dennoch nur: sechs Spiele Sperre zu Beginn der Saison. Aufgrund der Struktur seines Vertrages (230 Millionen über fünf Jahre) müsste Watson dabei lediglich auf 345 000 Dollar verzichten - ein Witz.

Die NFL legt Einspruch ein

Watson selbst verkündete über seine Anwälte, dass er nichts bereue, was während der Massagen passiert sei.

Nun aber die Nachricht: Nein, die NFL akzeptiert dieses Urteil nicht, sie legt Einspruch ein. Liga-Chef Roger Goodell wird nicht selbst über die Strafe entscheiden; er wird jemanden von außerhalb der Liga ernennen. Die NFL hatte von Beginn an eine Sperre von mindestens einer Saison gefordert. Aus dem Umfeld war zu hören, dass sie einen Ausschluss von einer Saison, am liebsten aber "auf unbestimmte Zeit" präferierte und Watson erst auflaufen lassen wolle, nachdem der Schuld eingestanden und sich bei den mutmaßlichen Opfern entschuldigt hätte. Die zweite Forderung: Geldstrafe in Höhe von acht Millionen Dollar. Es heißt, dass die NFL diese Strafen noch immer anstrebt.

Der Einspruch der NFL ist eine Abkehr von dem Prinzip, nach dem sie (und auch die anderen bedeutsamen US-Sportligen, die sich ohne Verbandsstruktur weitgehend selbst verwalten) bislang mit Skandalen umgegangen ist: Sie will zwar integer erscheinen, um keine Zuschauer zu verlieren, die von Akteuren angewidert sind, die sich strafbar machen oder moralisch verwerfliche Dinge tun. Jedoch will sie Zugpferde wie Watson in bedeutsamen Momenten der Saison auf dem Spielfeld haben und nicht abseits davon - um Fans nicht zu verärgern, die zahlen, um die Besten zu sehen. Das führte zu Strafen und Sperren, bei denen sich neutrale Beobachter oft verwundert am Kopf kratzten.

Der Einspruch zeigt, dass die Liga die Deutungshoheit in diesem Fall behalten will. Die Aufregung war dann doch zu groß, dass einer, der offenbar die Sicherheit anderer gefährdete und das nicht einmal öffentlich bereut, mit einem Witz von Strafe davonkommt. Es ist nicht abzusehen, was nun passieren wird, zumal etwa die Spielergewerkschaft offenbar plant, die NFL für diesen Einspruch vor einem Bundesgericht zu verklagen.

Es geht um die Botschaft, die an den reuelosen Watson geschickt wird, aber durch das sportlich-popkulturelle Amerika hallen dürfte. Die Zeiten haben sich geändert, und selbst schwerreiche Promis sind eines gewiss nicht mehr: unantastbar.

Zur SZ-Startseite

SZ PlusGefangenenaustausch zwischen USA und Russland
:Profisportlerin gegen Kaufmann des Todes?

Um die in Russland inhaftierte Basketballerin Brittney Griner und einen weiteren US-Bürger nach Hause zu holen, ist die Biden-Regierung offenbar bereit, einen bekannten Waffenhändler freizulassen. Doch um was geht es wirklich?

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: