Streit mit Schiedsrichtern in der NFL:Wo Frauen zwischen Büffeln stehen

Weil die US-Football-Liga mit ihren Schiedsrichtern im Streit liegt, leiten nun Ersatzreferees die Partien. Diese haben ihre Erfahrungen bei Spielen von Kindern, Amateuren und der Frauen-Unterwäsche-Liga gesammelt - und müssen sich nun zwischen die Profis werfen. Das ist lustig, nervig und vor allem richtig gefährlich.

Jürgen Schmieder

Man muss schon zu den mutigeren Exemplaren der Spezies Mensch gehören, wenn man sich freiwillig in eine Rauferei zwischen Cortland Finnegan und Stephen Tulloch einmischt. Die gehören zwar auch zur Gattung der Menschen, sind aber Vertreter der Untergruppe Footballspieler und damit größer, kräftiger und wütender als der gemeine Homo sapiens.

Indianapolis Colts at Chicago Bears

Shannon Eastin hat keine Angst vor der Gattung "Footballspieler". Die Amateurschiedsrichterin weist hier im Spiel gegen die St. Louis Rams Detroit Lions Ben Graham zurecht.

(Foto: dpa)

Shannon Eastin war das egal. Als sich Finnegan und Tulloch am Ende des Footballspiels zwischen den Detroit Lions und den St. Louis Rams eine wilde Rangelei lieferten, da ging die Schiedsrichterin beherzt dazwischen und beendete den Streit. Finnegan und Tulloch grinsten und guckten sogleich unschuldig, als wäre Eastin ihre Mutter oder eine Kindergärtnerin. Die 42-Jährige ist jedoch Linienrichterin- und sie war am vergangenen Sonntag die erste Frau in der Geschichte der National Football League (NFL), die je bei einem Saisonspiel als Unparteiische tätig war.

Grund dafür war keineswegs die herausragenden Fähigkeiten Eastins als Schiedsrichterin. Sie agiert gewöhnlich bei Partien zweitklassiger College-Mannschaften.

Eastin stand auf dem Feld wegen der Aussperrung jener Schiedsrichter, die gewöhnlich die NFL-Partien leiten. Ersatz-Schiedsrichter wie sie sind normalerweise bei Spielen von Kindern und Amateuren aktiv, einige auch bei Partien der Frauen-Unterwäsche-Football-Liga. Das ist übrigens genau das, wonach es sich anhört. "Das ist doch peinlich", sagte Chris Kluwe von den Minnesota Vikings, "die Ersatz-Schiedsrichter sind schrecklich."

Bei jeder Partie am ersten Spieltag kam es zu kruden Fehlentscheidungen. In Arizona debattierten die Schiedsrichter minutenlang darüber, ob Seattle eine Auszeit nehmen darf oder nicht. In Denver pfiffen sie Spielzüge einfach ab. In Cleveland bekam zwei Mal der falsche Spieler eine Strafe aufgebrummt. In Detroit legten die Referees den Ball wiederholt an die falsche Stelle. In New York und Green Bay gab es Entscheidungen, die durchaus Einfluss hatten auf das Ergebnis des jeweiligen Spiels. Es musste sich jedoch keine Mannschaft wirklich benachteiligt fühlen, weil die Schiedsrichter einfach auf beiden Seiten des Spielfelds groteske Fehler machten.

Diese Fehler waren hin und wieder lustig, manchmal waren sie nervig - doch sie könnten im Laufe der Saison noch richtig gefährlich werden. "Ich bekam bei fast jedem Spielzug einen Schlag ins Gesicht", echauffierte sich Mario Williams von den Buffalo Bills, "ich habe die Schiedsrichter darauf hingewiesen, doch sie sehen es einfach nicht - und natürlich ist es einfacher für sie, keine Strafe auszusprechen, weil sie dann nicht im Fokus stehen. Und die Spieler nutzen die Zurückhaltung der Schiedsrichter aus."

Die Liga ist zu stolz

In der Tat scheinen die Ersatz-Schiedsrichter möglichst nicht auffallen zu wollen, sie werfen nur selten eine Flagge für eine Strafe. Der ehemalige Quarterback Troy Aikman, der nun für einen TV-Sender Spiele kommentiert, sagt über den ersten Spieltag: "Ich habe sehr viele illegale Aktionen gesehen, die zu schweren Verletzungen führen können - Helm-an-Helm-Tackles und gefährliche Blocks. Nur wurde kein einziges dieser Fouls geahndet." Es sei reines Glück gewesen, dass es zu keiner schweren Verletzung kam.

Das könnte in der Tat zu einem Problem werden, weil die Akteure nun wissen, dass die Ersatz-Referees die Partien vorsichtiger leiten und sie sich womöglich mehr erlauben können. "Das ist eine ernste Situation, weil die Fouls nun keine Zufälle mehr sind, sondern absichtlich begangen werden", sagt Williams. Die Spielergewerkschaft hat gleich nach dem Spieltag einen Brief an die NFL-Verantwortlichen geschickt mit der Forderung, sich schnellstmöglich mit den Schiedsrichtern zu einigen, weil sonst die Gesundheit der Spieler in Gefahr wäre. Die Liga solle nicht warten, bis etwas passiert.

Die Fronten indes scheinen verhärtet zu sein. Beim Streit zwischen Liga und Schiedsrichtern geht es um sehr viel Geld. Die Liga würde gerne Profi-Schiedsrichter haben. Die Referees wollen in diesem Fall wie Profis bezahlt werden. Derzeit erhalten sie pro Saison, die von August bis Februar dauert, zwischen 78.000 und 135.000 Dollar. Die meisten Referees haben aber sehr gut bezahlte Nebenjobs, sie arbeiten als Polizisten, Anwälte und Ärzte. Diese Berufe wollen sie nur aufgeben, wenn ihre Tätigkeit als Unparteiische entsprechend entlohnt würde und es auch einen Rentenplan oder eine Hilfe beim Wiedereinstieg in den Job nach der Karriere als Schiedsrichter gäbe.

Aus dem Umfeld der Schiedsrichter ist zu hören, dass die Parteien etwa 60 Millionen US-Dollar auseinander liegen und ein Ende der Aussperrung nicht abzusehen ist. "Bis zum fünften Spieltag mindestens, womöglich noch viel länger", sagt ein Sprecher der Schiedsrichter. Wohlgemerkt: Es gibt in der NFL nur 17 Spieltage, dann beginnen die Playoffs.

Deshalb werden die Spiele einer Liga, die sich selbst stolz die wertvollste der Welt nennt, von Amateuren geleitet, die noch nicht einmal die Regeln im Detail kennen - und das womöglich noch mehrere Spieltage lang. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis es zu ernsthaften Verletzungen kommen wird. Schließlich spielen da Menschen, die zur Gattung "Footballspieler" gehören.

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