NFL-Skandal um Schmerzprämie:1500 Dollar für jeden gefällten Gegner

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Geld für Schmerzen: In der nordamerikanischen Profi-Football-Liga NFL wurden Verteidiger mit Prämien systematisch zu bösen Fouls angestachelt. Die Verantwortlichen müssen mit drastischen Strafen rechnen, doch lange nicht jeder im American Football findet die Vorgehensweise anstößig.

Christoph Leischwitz

Am Mittwochmittag Ortszeit hat Peyton Manning seine Vertragsauflösung mit dem Football-Verein Indianapolis Colts bekanntgegeben. Grund dafür ist letztlich die Nackenverletzung des Quarterbacks, der deshalb die gesamte vergangene Saison verpasst hatte und nach drei Operationen immer noch nicht garantieren kann, bald wieder spielen zu können. Das wurde den Colts allmählich zu riskant - Manning besitzt einen Fünf-Jahres-Vertrag über 90 Millionen Dollar.

Eli Manning (li.), Bruder von Peyton, im Duell mit Phillip Daniels von den Washington Redskins (Archivfoto von 2004): Alte Szenen, jetzt wieder aktuell (Foto: REUTERS)

Nun gibt es ein Video aus einem Spiel der National Football League (NFL) aus dem Jahr 2006, die Colts empfingen die Washington Redskins. Zu Beginn des zweiten Viertels wird Manning von zwei Gegenspielern hart zu Boden gerissen. Sein Oberkörper sowie sein Kopf klappen dabei unnatürlich nach hinten um, Manning sieht aus wie eine Marionette an Fäden. Viele Fans machen dieses Foul - das damals nicht geahndet wurde - verantwortlich für Mannings Nackenschmerzen, die er jahrelang mit sich herumschleppte, bis 2011 übrigens ohne ein einziges Spiel zu verpassen.

Es wird schwer bis unmöglich sein, das Foul als Ursache für die Verletzung nachzuweisen. Doch es zeigt, wie schwer sich die NFL tun wird, ihre Vergangenheit aufzuarbeiten. Sie hat damit immerhin schon begonnen, und zwar bei Gregg Williams. In besagtem Spiel von 2006 war er zuständig für die Defensive der Redskins. Aufgeflogen sind jedoch seine Machenschaften bei den New Orleans Saints, für deren Abwehr er zwischen 2009 und 2011 verantwortlich war.

Nach jahrelanger Analyse gab die NFL vergangene Woche bekannt, dass hinter vielen Fouls ein organisiertes System nach dem Prinzip "pay for pain" steckte, Bargeld für Schmerzen also: Zwischen 22 und 27 Abwehrspieler hatten in eine Art Fonds eingezahlt, aus dem jeder eine Prämie erhielt. 1000 Dollar gab es aus der schwarzen Mannschaftskasse für einen Gegner, der so schnell nicht mehr aufsteht. 1500 Dollar für einen Gegner, der vom Feld getragen werden muss, offenbar mit Zuschlägen in den Playoffs. Das Geld spielt dabei zwar eine geringe Rolle - angesichts der Gehälter von NFL-Spielern handelt es sich tatsächlich um peanuts. Doch auch auf denen kann man bekanntlich ausrutschen.

In den US-Medien haben sie jetzt noch ein weiteres Foul aus den Archiven geholt, eines aus dem Januar 2010, aus dem Halbfinale der Saints gegen die Minnesota Vikings. Es erinnert stark an das Foul der Redskins gegen Manning: Ein Gegner greift den Quarterback, in diesem Fall Brett Favre, am Oberkörper von vorne an, ein weiterer begeht einen illegalen Griff von hinten in die Beine, sodass der Quarterback keine Chance hat, die Krafteinwirkung durch angemessene Bewegung zu reduzieren. Favre kann den Ball noch fortwerfen, das Ei wird allerdings von den Saints für eine Interception gefangen. Gleichzeitig knickt er mit schmerzverzerrtem Gesicht in die Knie - seine Verletzung wurde in dieser Szene eindeutig billigend in Kauf genommen.

Das Foul blieb ungeahndet. "Zahlt mich aus", soll ein Spieler anschließend auch gesagt haben. Die Saints gewannen das Spiel und anschließend auch die Super Bowl. Sie waren damals die Lieblinge der Nation, weil Fans weltweit der Stadt nach der Katastrophe durch Hurrikan Katrina den Erfolg gegönnt hatten. Nun sind die "Heiligen" zur Vorhut eines womöglich lange dauernden Aufarbeitungsprozesses geworden.

Auch Cheftrainer Sean Payton hat vom so genannten bounty-System (Engl.: Prämie oder auch Kopfgeld) gewusst, er und Klubeigner Tom Benson haben sich öffentlich entschuldigt. Viele US-Sportjournalisten schätzen, dass Payton als Mitwisser mit einer mehrmonatigen Sperre davonkommen wird, auf den Verein wartet wohl eine millionenschwere Strafe. Völlig ungewiss ist jedoch die Zukunft von Williams, der vor zwei Monaten bei den St. Louis Rams angeheuert hat. Auch bei seinen früheren Arbeitgebern wie den Tennessee Titans oder den Buffalo Bills berichten nun mehrere Spieler, zumeist noch anonym, von ähnlichen Belohnungssystemen.

Lebenslange Sperre für Williams

Es könnte sein, dass an Williams ein Exempel statuiert wird: Die NFL geht schon lange mit Einzelstrafen gegen überharte Abwehrspieler vor, um das Image des Sports zu wahren. Eine lebenslange Sperre für Williams könnte folgen, auch strafrechtliche Folgen sind möglich, ebenso gegen die Spieler der Saints. Die NFL kann gar nicht anders, als harsch zu reagieren: Die Kritik, sich zu wenig mit Langzeitfolgen von Verletzungen auseinander zu setzen, ist fast so alt wie die Liga selbst.

Manning und Favre sind nur die ersten prominenten Opfer - die Fans aller Mannschaften werden nun viele Spielausgänge in Frage stellen. "Bountygate" hat eine Debatte ausgelöst, ob die Sportart American Football, in Verbindung mit einem Milliardengeschäft, tatsächlich glaubwürdig fair sein kann.

Auf der anderen Seite meutern aber auch schon einige gegen Bountygate. Viele Spieler sagen, es sei heuchlerisch, darüber zu schimpfen. Manche verteidigen pay for pain indirekt sogar: "Es hört sich jetzt so an, als ob wir jemanden umbringen wollten. In Wahrheit ging es aber nur um einen kleinen zusätzlichen Anreiz", sagt zum Beispiel Shawn Springs, einst unter Williams Abwehrspieler bei den Redskins. Offenbar ist der Wille, andere zu verletzen, schon vorher da gewesen.

© SZ vom 08.03.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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