Süddeutsche Zeitung

American Football:Und jährlich grüßt der Brady Tom

  • Tom Brady und den New England Patriots wurde vor der Saison die Tauglichkeit für die Playoffs abgesprochen.
  • Nun steht der Quarterback mit seiner Mannschaft wieder im Halbfinale, wo er auf den zurzeit spektakulärsten Spielmacher Patrick Mahomes von den Kansas City Chiefs trifft.
  • Für Brady spricht seine große Erfahrung, er steht zum achten Mal nacheinander im Halbfinale.

Von Jürgen Schmieder, Los Angeles

Da stand er also, dieser 41 Jahre alte Quarterback, und er lauschte geduldig dieser Frage, die ihm so ähnlich seit ungefähr zehn Jahren gestellt wird. Es ging darum, dass vor der Spielzeit mal wieder ganz viele Experten den New England Patriots das Verpassen der Playoffs prognostiziert hatten, eine schreckliche Saison für das so erfolgreiche Trainer-Quarterback-Gespann Bill Belichick / Tom Brady, das Ende einer Football-Dynastie. Ob sich das nun, angesichts der vielen Apokalyptiker, umso besser anfühle, zum achten Mal nacheinander im Halbfinale zu stehen, wollte der pflichtbewusste Fragesteller wissen.

Brady stand da, mehrere Sekunden lang, er lächelte gequält, und sein Blick verriet, was er gesagt hätte, gäbe es keinen Filter zwischen Gehirn und Mund. Irgendwas wie: "Na, was glaubst du denn, wie sich das anfühlt, wenn einen andauernd alle abschreiben und man dennoch gewinnt? Großartig fühlt sich das an, spektakulär, fantastisch, wenn man in jedem Jahr die Mäuler all jener stopfen kann, die einen für erledigt erklären." Brady besitzt jedoch einen prächtig funktionierenden Filter, also sagte er diesen Satz, und auf so eine profane Antwort muss man ja auch erst einmal kommen: "Ich mag es einfach zu gewinnen."

Die Patriots stehen mal wieder im Endspiel der AFC, einer der beiden Conferences, aus denen sich die NFL zusammensetzt, und angesichts der achten Teilnahme nacheinander sollten sich die Liga-Verantwortlichen überlegen, ob sie diese Partie nicht in "Brady Invitational" oder "Belichick Bowl" oder "Und jährlich grüßt der Brady Tom" umbenennen sollten. Brady will zum neunten Mal in seiner Karriere den Super Bowl erreichen und seinen sechsten Titel gewinnen - doch natürlich sind die Patriots am Sonntag bei den Kansas City Chiefs nur Außenseiter. Mal wieder.

Brady wird am Sonntag 41 Jahre und 170 Tage alt sein, und diese Partie wird auch deshalb ganz besonders interessant, weil der gegnerische Spielmacher Patrick Mahomes exakt 18 Jahre und 45 Tage jünger ist als er - beim ersten Titelgewinn von Brady besuchte er den Kindergarten. So einen Altersunterschied zwischen Quarterbacks hat es im NFL-Halbfinale noch nie gegeben, und da passt es, dass der Unterschied beim zweiten Duell - die New Orleans Saints empfangen die Los Angeles Rams - der zweithöchste der Geschichte sein wird: Saints-Quarterback Drew Brees, der am Dienstag seinen 40. Geburtstag gefeiert hat, ist 15 Jahre und 270 Tage älter als Jared Goff.

Eine Prognose für beide Partien abzugeben, wäre in etwa so ergiebig wie eine Festlegung darauf, was nach dem Tod mit dem Menschen passiert. Die Rams zum Beispiel besitzen nach der Verpflichtung von C.J. Anderson nun plötzlich zwei herausragende Laufspieler (der andere ist Todd Gurley), sodass Goff am vergangenen Wochenende den umsichtigen Verwalter der Offensive geben durfte und nun so was sagen kann wie: "Kann sein, dass wir wieder so oft laufen werden - kann aber auch sein, dass ich bei mehr als 70 Prozent unserer Spielzüge den Ball werfen werde."

So geht es zu vor diesen Halbfinal-Partien: Alle vier Football-Franchises wollen sich ein paar Geheimnisse bewahren, obwohl doch aufgrund der Möglichkeit zur Videoanalyse sämtlicher vergangener Spielzüge fast alles bekannt sein sollte: Jeder NFL-Fan weiß, dass Drew Brees seinen Lieblings-Passempfänger Michael Thomas auch dann finden würde, wenn der sich vor ihm verstecken würde. Jeder weiß nun, dass die Rams-Verteidiger Aaron Donald und Ndamukong Suh auch einen erfahrenen Spielmacher wie Brees nervös werden lassen können. Jeder weiß, dass Mahomes der spektakulärste Spielmacher derzeit ist und so viele Punkte auf die Anzeigetafel bringen kann wie kaum jemand vor ihm. Jeder weiß allerdings auch, dass eine Partie gegen Tom Brady erst dann gewonnen ist, wenn auf dieser Anzeigetafel nullkommanull Sekunden und eine eigene Führung vermerkt sind.

Es wird, so banal das klingen mag, auf den Umgang mit dem Unvorhersehbaren ankommen. Saints-Trainer Sean Payton hat die Fans zum Beispiel aufgefordert, am Sonntag wieder bis zur Dezibel-Schmerzgrenze zu lärmen, damit die Rams Probleme haben, ihre Spielzüge zu kommunizieren. Die reagierten auf diese Aufforderung mit Trainingseinheiten, bei denen Lautsprecher am Spielfeldrand eben diesen Lärm simulieren, um die Akteure auf die Bedingungen vorzubereiten.

Es hilft natürlich, einen Spielmacher im Kader zu haben, der das alles in seiner Karriere schon 13 Mal erlebt hat und der seine Motivation daraus zieht, dass ihm seit Jahren sehr viele Menschen mitteilen, dass er zu alt sei für diesen Sport. "Ich weiß schon, dass jeder denkt, dass wir nichts taugen", sagte Brady in einem Moment ohne Filter zwischen Gehirn und Mund. Dann besann er sich wieder darauf, doch lieber profane Sachen zu sagen: "Wir werden sehen, es dürfte lustig werden."

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SZ vom 20.01.2019/tbr
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