Buffalo Bills in den NFL-Playoffs:Die besten Verlierer lernen das Gewinnen

Lesezeit: 4 Min.

Er gibt den Ball nicht mehr her: Terrel Bernard von den Buffalo Bills beim Jubeln mit den Fans. (Foto: Frank Franklin II/AP)

Nach einem dramatischen 27:25 gegen Baltimore fehlen den Buffalo Bills noch zwei Siege, um ihren schlechten Ruf abzulegen und erstmals den Super Bowl zu gewinnen.

Von Christoph Leischwitz

Sie nennen ihn Tarzan – weil er gerne mit den Händen isst, und vor allem, weil er so oft wie möglich barfuß läuft. Das ist kein größeres Problem, wenn man in Miami oder in Las Vegas lebt. Doch seit dem vergangenen Sommer spielt Mack Hollins in Buffalo, wo es am Sonntagabend, als das Footballteam der Bills die Baltimore Ravens zu einem landesweit ersehnten Showdown empfing, nasskalt war. Es schneite, es regnete, es graupelte.

Und der Offensivspieler Hollins? War nicht nur barfuß am Stadion eingetroffen, sondern auch mit offenem Hemd, Badehose, Strohhut, Handtuch und Sonnencreme auf der Nase. „Auch an wolkigen Tagen, Leute, immer Sonnencreme drauf“, sagte er auf dem Weg in die Kabine. Nach dem Spiel zog er noch einmal die Freizeitkluft an und ließ sich fotografieren. „Erfolgreicher Tag am Strand“, schrieben die Bills in den sozialen Netzwerken unter das Bild. Da hatten sie die Ravens gerade in einem Krimi 27:25 bezwungen und die nächste Runde in den Playoffs der National Football League erreicht.

Hollins' sommerliches Gemüt machte dabei drei Dinge deutlich: An diesem Abend waren nicht die Leistungsträger, sondern die etwas anderen Typen für den Spielausgang entscheidend. Außerdem hatten die Bills die äußeren Bedingungen erfolgreicher bewältigt. Und vor allem zeigte Hollins: Locker bleiben ist wichtig, auch oder gerade wenn für die Bills derzeit viel auf dem Spiel steht.

Anfang der Neunzigerjahre verloren die Bills vier Finalspiele in Serie

Denn beim NFL-Team aus dem Nordwesten des Bundesstaats New York geht es zurzeit darum, endlich den Ruf als die besten Verlierer der Football-Geschichte abzustreifen. Den Super Bowl haben die Bills noch nie gewonnen, obwohl sie Anfang der 1990er-Jahre viermal in Serie im großen Finale standen. Mit dem knappen Erfolg über die Ravens haben sie jetzt zumindest mal wieder das Finale der AFC-Conference erreicht.

Wobei die Ravens das Spiel streng genommen eher verloren, als dass die Bills es gewannen. Das wohl schillerndste Duell des Playoff-Wochenendes war spannend bis zum Schluss, dann rutschte Mark Andrews, der Tight End der Ravens, anderthalb Minuten vor Schluss nur Zentimeter vor der Endzone aus - der Ball entglitt ihm auch noch, sonst hätte Baltimore noch den Ausgleich geschafft und zumindest die Verlängerung erzwungen. Nach dem letzten und entscheidenden Lapsus setzte sich Andrews auf die Bank und zog, wohl in Ermangelung einer braunen Papiertüte, noch einmal den Helm auf, obwohl das Spiel für ihn schon gelaufen war.

Fataler Ausrutscher: Baltimores Mark Andrews vergibt kurz vor Spielschluss zwei sicher geglaubte Punkte - und ermöglicht den Buffalo Bills den Einzug ins Conference-Finale. (Foto: Gregory Fisher/Usa Today Sports/ Reuters)

„So was passiert, er ist ein Mensch. Ich schaue trotzdem zu ihm auf“, sagte Teamkollege Isaiah Likely. Zuvor hatte Andrews, ein 29 Jahre alter NFL-Veteran, schon einmal den Ball an den Gegner verloren, was ihm fast sechs Jahre lang nicht passiert war. Hatten also die wintererprobten Bills wegen des klimatischen Heimvorteils gewonnen? Eher nicht, in Baltimore hatte es gleichzeitig auch geschneit.

Vor dem Spiel war vom heimlichen Finale der Kandidaten um den Titel des wertvollsten Spielers gesprochen worden, auch wenn offiziell lediglich der „Most Valuable Player“ der Saison exklusive der Playoffs gekürt wird. Ravens-Quarterback Lamar Jackson und Bills-Spielmacher Josh Allen hatten jedenfalls über Monate gute Argumente für sich abgegeben. Allen war diesmal auf dem Papier der Bessere; er erlief zwei Touchdowns selbst. Doch beide Spielmacher warfen insgesamt recht selten den Ball, nicht nur wegen der winterlichen Bedingungen - sie hatten sich schon in den Wochen davor zunehmend auf das Laufspiel ihrer Mannschaft verlassen. Jackson warf diesmal das Ei einmal in die Arme des Gegners und ließ es sich einmal aus der Hand schlagen. Dafür gelang der Bills-Offensive in der spannenden zweiten Halbzeit kein Touchdown mehr. Es waren die Fehler der Ravens und die Geistesgegenwart der Bills-Abwehr, die den Ausgang bestimmten.

Im Fokus: Linebacker Terrel Bernard, der Andrews den Ball kurz vor Schluss aus der Hand geboxt und unter sich begraben hatte. Bernard, daran erinnerten sich nun viele Fans, war einer jener Abwehrspieler, die am vierten Spieltag gefehlt hatten, als die Bills bei den Ravens klar unterlegen waren (10:35). „Er hat das ja auch gehört“, sagte Bills-Cheftrainer Sean McDermott hernach über den Kapitän der Abwehr: „Du bist nicht groß genug, stark genug, schnell genug.“

In der Pressekonferenz nach dem Sieg wurde mal wieder deutlich, wie angefressen die im Grunde so erfolgreichen Bills von ihrem Image sind. Stadt der Loser? „Das ist eine Stadt der Gewinner“, sagt McDermott mit erhobenem Zeigefinger. Zumindest haben sie es jetzt geschafft, im eigenen Stadion ungeschlagen zu bleiben. Am Wochenende reisen die Bills allerdings nach Kansas City, zum aktuellen Champion. Gegen die Chiefs hatte Bernard vor zwei Monaten auch kurz vor Ende der Partie seine Hände im Spiel, als der Favorit aus Kansas zum ersten Mal in der laufenden Saison verlor (21:30).

Die Detroit Lions verlieren überraschend gegen die Washington Commanders

Die Chiefs hatten vor allem dank einer guten Abwehrleistung in der nun abgeschlossenen Playoff-Runde wenig Probleme mit den Houston Texans (23:14). Und das berüchtigte Wurf-Fang-Duo Patrick Mahomes und Travis Kelce scheint nach einer vergleichsweise mediokren Spielzeit wieder zueinanderzufinden.

Den Detroit Lions, dem besten Team der NFC, fehlten hingegen viele Abwehrspieler verletzt, und das führte prompt zur größten Überraschung des Wochenendes: Die Washington Commanders besiegten die Lions in deren Arena 45:31. Die Offensive des Favoriten um den deutsch-amerikanischen Passempfänger Amon-Ra St. Brown spielte solide, St. Brown kam auf gute 137 Yards, blieb aber ohne eigene Punkte. Das reichte nicht gegen den unerschütterlichen Quarterback Jayden Daniels, der in seinem ersten Jahr in der NFL spielt. Am kommenden Sonntag treten die Commanders bei den Philadelphia Eagles an.

Ein Team wird also ganz sicher von der Ostküste kommen, wenn in knapp drei Wochen der Super Bowl im tiefen Süden, in New Orleans, ausgetragen wird. Dann garantiert schneefrei.

Korrektur: In einer früheren Version dieses Artikels haben wir fälschlicherweise geschrieben, dass die Bills Anfang der 90er-Jahre drei Finalspiele in Serie verloren. Richtig ist, dass sie viermal in Serie den Super Bowl erreichten: XXV, XXVI, XXVII und XXVIII.

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