American Football in München:Lauter als bei einem Tor des FC Bayern

American Football in München: Am Ende wurde es nochmal eng für Quarterback Tom Brady. Seine Tampa Bay Buccaneers brachten ein 21:16 gegen die Seattle Seahawks über die Zeit.

Am Ende wurde es nochmal eng für Quarterback Tom Brady. Seine Tampa Bay Buccaneers brachten ein 21:16 gegen die Seattle Seahawks über die Zeit.

(Foto: Kirby Lee/Imago/USA Today Network)

Die Deutschland-Premiere der NFL endet mit einem knappen Sieg der Tampa Bay Buccaneers gegen die Seattle Seahawks. In den Hauptrollen: Tom Brady - und die Fans in der Münchner Arena.

Von Christoph Leischwitz

57 Minuten vor dem Kickoff kam Tom Brady zum ersten Mal aus dem Tunnel gelaufen, der Quarterback der Tampa Bay Buccaneers trabte über das ganze Feld bis zur Südkurve der Allianz Arena und feuerte die Zuschauer an. Es war der Moment, in dem die Nordamerikanische Football League (NFL) endgültig in Deutschland angekommen war, denn die Show war schon jetzt eröffnet, die Zuschauer jubelten lauter als bei einem Tor des FC Bayern. "Das Stadion war schon voll, als wir zum Training kamen", schwärmte der 45-Jährige später. Brady ist der erfolgreichste Footballspieler aller Zeiten, er hat schon 372 Spiele gespielt und sieben Titel gewonnen, doch am Sonntagabend sagte er: "Das ist eine der größten Erfahrungen, die ich je gemacht habe." Er hoffe, dass man alle gut unterhalten habe, "das war unser Ziel hier".

Deutsche Fans glauben gerne, dass Brady seine eigentlich schon beendete Karriere nur deshalb weitergeführt hat, um das für die NFL so wichtige Spiel in München spielen zu können. "Ja, es war ein Grund", sagt Brady, "auch wenn dieser Grund jetzt vielleicht nicht ganz oben stand." Schon am Freitag, nach dem ersten Training in München, hatte Brady den Eindruck gemacht, dieses Premierenspiel gegen die Seattle Seahawks unbedingt gewinnen zu wollen. Große Spiele sind einfach sein Ding. "Ich habe den Spielern gesagt: Ihr werdet euch nicht an jedes Spiel eurer Karriere erinnern, an dieses aber sehr wohl." Dass die Partie dann tatsächlich auch noch eine ganz gute Show bot, war ebenfalls vor allem ihm zu verdanken.

Brady beendete das taktische Geplänkel zu Beginn, Brady dominierte, dann machte Brady einen schweren Fehler in Form einer Interception (das Fangen eines Vorwärtspasses) - und somit die Partie noch einmal spannend. Am Ende gewannen die Buccaneers 21:16, und als Brady den Fans nach dem Spiel noch einmal mit seiner Mütze zuwinkte, war die Partie zwar vorbei, die Party aber noch lange nicht. So viel Jubel mag es in der Münchner Arena während eines großen Fußballspiels auch schon mal gegeben haben - davor und danach aber wohl nicht.

Ungewohnte Pfiffe statt Buhrufe, anders als in den USA üblich

Rein sportlich trafen am Sonntagnachmittag vor 67 000 Zuschauern zwei Teams mit Playoff-Ambitionen aufeinander, die sich ein relativ normales NFL-Spiel lieferten, nicht besonders aufregend, etwas fad gar zu Beginn. Akustisch war jedenfalls kein Übergewicht für ein Team auszumachen, auch wenn es als Heimspiel der Buccaneers klassifiziert war, was unschwer an den rot und schwarz angemalten Endzonen zu erkennen war, oder an den Cheerleadern am Seitenrand, zu denen bei den Buccaneers übrigens auch Männer gehören. "Die Stimmung war super, sehr viele Seahawks-Fans hier", sagte Buccaneers-Headcoach Todd Bowles nach dem Spiel.

Keine Mannschaft spielte zu Beginn so, als würde sie einen Heimvorteil verspüren. Beide Offensiven taten sich schwer und verloren den Ball schnell wieder, es gab auch einige Strafen. Das wiederum können sich möglicherweise auch die lauten Fans auf die Fahnen schreiben: Lärm im richtigen Moment kann oft dazu beitragen, dass die ganze Offensive auf dem Feld aus dem Tritt kommt. Eine deutsche Besonderheit, die für die Spieler sehr ungewöhnlich gewesen sein dürfte: Pfiffe statt Buhrufe, die eher an das Auspfeifen beim Fußball erinnerten.

Nach einem verkorksten ersten Viertel lief es für die Buccaneers bald deutlich besser. Zu Beginn des zweiten Viertels warf Brady den ersten deutschen Touchdown der NFL-Geschichte, Empfänger des 31-Yard-Passes war Julio Jones. "Darüber habe ich noch gar nicht nachgedacht", sagte der Passempfänger später über die historische Bedeutung seines Fangs. Auch er zeigte sich von der Atmosphäre im Stadion begeistert: "Die Menschen hier lieben Football, eine unglaubliche Energie hier", schwärmte er. Sicherlich auch aus Höflichkeit, doch als das Spiel spannender wurde, baute sich spürbar etwas auf in den Rängen.

In den Tagen vor diesem Spiel hatten sich viele hochrangige Personen aus Politik und Sport getroffen. Auch die Besitzer der beiden Teams waren nach München mitgereist, der Münchner Generalkonsul der USA hatte eingeladen, es gab ein Treffen im Rathaus. Dem Vernehmen nach oft auch schon darum, dass nach den ursprünglich zwei geplanten Spielen in München nicht Schluss sein wird. Gegenüber dem BR sagte Roger Goodell dann am Sonntag auch: "Da wird noch viel mehr kommen." Das war der NFL und den vielen Fans im Stadion gemein: Sie waren schon vor dem Kickoff zufrieden gewesen.

Seattles Spielmacher Geno Smith jedenfalls fand seinen Rhythmus für eine Aufholjagd erst spät - dann aber mit zwei Touchdowns. Es wurde nochmal eng. Der Spielausgang stand dann knapp zwei Spielminuten vor Schluss fest. Der entscheidende Lauf über 18 Yards von Rachaad White zum First Down fiel eher zufällig genau in eine Szene, bei der sich drüben in den USA sehr viele Menschen die Augen gerieben haben dürften, was da in München los ist. Kein Bassgewummer, kein E-Gitarren-Geschrubbe kennzeichnete das emotionale Highlight des Abends, sondern die melancholische Version von John Denvers "country roads". Zentausende Handy-Lichter gingen an, alle sangen mit, es war wie bei der Zugabe eines großen Konzerts. Nach Spielende sangen sie: "So was hat man lange nicht geseh'n". Richtiger wäre gewesen: noch nie.

Zur SZ-Startseite

NFL-Spiel
:So feiert München die große Football-Party

Anfeuerungsrufe und Gruppenfotos, Staumeldungen für die Fußgängerzone und lange Schlangen überall: Zum Football-Spiel zwischen den Buccaneers und den Seahawks feiern die Fans fröhlich und friedlich die sehnsüchtig erwartete Premiere. Eindrücke aus einer Stadt im Football-Fieber.

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: