Kansas City Chiefs:Mahomes humpelt zum Super Bowl

Lesezeit: 3 min

Patrick Mahomes und die Kansas City Chiefs treffen im Super Bowl auf die Philadelphia Eagles. (Foto: Jay Biggerstaff/USA TODAY Network/Imago)

Patrick Mahomes kann sein rechtes Bein nicht belasten, läuft wie Forrest Gump, spielt trotzdem und führt die Chiefs in einer dramatischen Partie gegen Cincinnati ins NFL-Finale. Dort kommt es zum Duell der besten Spielmacher dieser Saison.

Von Jürgen Schmieder, Los Angeles

Patrick Mahomes dankte zuerst einmal Gott nach dieser Partie, und wer die letzten Sekunden verfolgt hatte, der dürfte in der Tat an den Beitrag eines übersinnlichen Wesens glauben: Der Quarterback der Kansas City Chiefs war im Halbfinale gegen die Cincinnati Bengals wegen einer Verletzung am Knöchel die komplette Spieldauer über mehr gehumpelt als gerannt; es hatte ohnehin als Mini-Wunder gegolten, dass er überhaupt spielen konnte. Mahomes wollte, 17 Sekunden vor Schluss beim Stand von 20:20, ein paar Yards rausholen, damit es Kicker Harrison Butker aus einer Entfernung von knapp 60 Yards würde probieren können.

Mahomes setzte sich in Bewegung, und plötzlich wirkte er wie Forrest Gump, der beim Loslaufen die Schienen an seinen Beinen loswurde. Es schien, als hätten ihm die Götter (oder jemand anderes) ein magisches Schmerzmittel verabreicht, und als würden sämtliche Chiefs-Fans im Arrowhead-Stadion von Kansas City "Run, Patrick, Run" rufen. Mahomes schaffte fünf Yards Raumgewinn, er rettete sich an der 45-Yard-Marke ins Seitenaus - was einen 60-Yard-Field-Goald-Versuch bedeutet hätte; schwierig, aber nicht unmöglich. Im Aus jedoch wurde er von Bengals-Verteidiger Joseph Ossai umgemäht; eine Unsportlichkeit, die mit 15 Yards Raumverlust bestraft wurde. Es war nun ein 45-Yard-Tritt, für einen wie Butker ist das Routine. Er traf, die Chiefs gewannen 23:20 und treffen im Finale in zwei Wochen auf die Philadelphia Eagles (31:7 gegen die San Francisco 49ers).

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Bei den San Francisco 49ers steht am Ende des Halbfinals kein gesunder Quarterback mehr auf dem Feld - das Duell gegen Philadelphia verkommt zur Farce. In keiner anderen Sportart sind schwere Verletzungen derart Teil des Geschehens.

Kommentar von Jürgen Schmieder

So ist das häufig im Sport bei Duellen auf Augenhöhe: Es ist diese eine Aktion nötig - und bisweilen braucht es dafür auch eine haarsträubende Tölpelei des Gegners. Ossai saß noch Minuten nach diesem Halbfinale weinend auf der Bank neben dem Spielfeld; wahrscheinlich wird er noch seinen Enkeln erklären müssen, warum er Mahomes umgerissen hat - und wahrscheinlich wird auch Mahomes seinen Enkeln erzählen, dass er sich das auch nicht anders erklären könne als mit göttlicher Fügung.

"Ich will zunächst einmal Gott danken", begann Mahomes also, doch er durfte nicht weiterreden. Hinter ihm tauchte Travis Kelce auf, Lieblings-Anspielstation von Mahomes, am Sonntag fing er sieben Pässe für 78 Yards Raumgewinn und einen Touchdown. Der brüllte innerhalb von ein paar Sekunden so ziemlich alles, was man über die Partie und den Super Bowl in Arizona wissen muss: "Burrowhead am Arsch! Das hier ist die Hütte von Mahomes! Bis dann, mein großer Bruder!"

Wie kann jemand, der das rechte Bein nicht voll belasten kann, sich für solche Würfe vom rechten Bein aus abdrücken?

Um den Ausbruch zu verstehen, muss man kurz der Reihe nach erzählen: Bengals-Fans hatten das Stadion der Chiefs von Arrowhead zu Burrowhead umgetauft, weil Bengals-Spielmacher Joe Burrow sein Team im Halbfinale der vergangenen Saison mit einer Galavorstellung in dieser Arena (Cincinnati gewann 27:24 nach Verlängerung) ins Finale geführt hatte. Das sollte er nun wieder tun: Mahomes im direkten Duell besiegen und das Stadion endgültig zu seinem Wohnzimmer machen.

Es war ein packendes, hochklassiges und dramatisches Duell zwischen den beiden, und wenn man sich das Alter von Mahomes (27 Jahre) und Burrow (26) ansieht, die bisherigen Gefechte und die Zusammensetzung der beiden Teams: gut möglich, dass man irgendwann nur "Burrow und Mahomes" sagen wird und das Kopfkino direkt mehrere Filmrollen einlegt. Von dieser Partie wird bleiben: Mahomes, wie er Gegnern nicht wie üblich ausweicht, sondern wegen der Verletzung aus dem Weg humpelt und dann doch diesen Touchdown-Pass auf Kelce wirft - oder auf Marquez Valdes-Scantling für insgesamt 116 Yards Raumgewinn und einen Touchdown. Wie kann jemand, der das rechte Bein nicht voll belasten kann, sich für solche Würfe vom rechten Bein aus abdrücken?

Es war Mahomes nach dem Spiel deutlich anzumerken, wie wichtig ihm das alles war: bei dieser Partie dabei gewesen zu sein und sie nicht wegen einer Verletzung verpasst zu haben - und dann nicht nur gespielt, sondern dieses Spiel auch noch geprägt zu haben. "Ich danke Gott, dass er meinen Körper geheilt hat und mir die Stärke gegeben hat, heute dabei zu sein."

Es wurde viel geredet über Quarterbacks in dieser Saison, viele wurden zu Helden verklärt; doch im Super Bowl, da stehen sich die beiden besten Spielmacher dieser Saison gegenüber, und spätestens seit diesem Wochenende darf es darüber keinerlei Zweifel geben: Mahomes und Jalen Hurts von den Philadelphia Eagles. "Wir haben als Team gezeigt, dass das hier dann doch noch Arrowhead ist", sagte Mahomes; eine klare Botschaft, dass dies immer noch sein Stadion ist und die NFL immer noch seine Liga.

Hurts gegen Mahomes: Auch das könnte ein Duell sein, das die NFL noch ein paar Jahre lang prägen wird. Es wird noch ein anderes Duell geben beim Super Bowl, und auch das hat Travis Kelce bei seiner Brüllerei nach dem Spiel angemerkt. Sein "großer Bruder" ist nicht Mahomes - den nennt er nämlich oft "kleinen Bruder" -, sondern Jason Kelce; Center bei den Eagles und mit 35 zwei Jahre älter als Travis. Die Amerikaner lieben Wortspiele. Das Stadion in Kansas City mag nun wieder "Arrowhead" heißen, das Finale zwischen den Chiefs und den Eagles ist ab sofort: der "Kelce Bowl".

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