American Football:Der Football-Halbgott ist zurück

American Football: Aaron Rodgers, Quarterback der Green Bay Packers.

Aaron Rodgers, Quarterback der Green Bay Packers.

(Foto: AP)

Aaron Rodgers, 37, galt schon als Mann von gestern. Nun spielt der Quarterback der Green Bay Packers eine hervorragende Saison - nur Tom Brady steht noch zwischen ihm und dem Super Bowl.

Von Fabian Dilger, München

Aaron Rodgers, 37, war nicht erfreut an jenem Frühlingstag, dem 24. April, als er den Draft in der US-Footballliga NFL 2020 verfolgte. "Die allgemeine Reaktion zuerst war Überraschung, so wie bei vielen Leuten", erklärt er später. Dass er über die Auswahl begeistert war, ließ sich nicht behaupten.

Im Zentrum von Rodgers wohl diplomatisch verstecktem Ärger stand der junge Quarterback Jordan Love, den die Green Bay Packers in der ersten Runde der Talenteziehung ausgewählt hatten. Ein Quarterback? Ausgerechnet? Nicht, dass Rodgers ein persönliches Problem mit Love, damals 21 Jahre, hatte. Aber eine Vermutung drängte sich auf: Hatten die Packers schon die Nachfolge von Rodgers im Sinn, indem sie Love holten?

Es stimmt ja, die Vorstellungen von Aaron Rodgers in den Jahren zuvor waren, gemessen an seinen Standards, überschaubar gewesen. Rodgers, der einstige Football-Halbgott, der Liebling der Experten, der König des improvisierten Chaos, hatte abgebaut. Die Saison 2019, die erste unter dem neuen Cheftrainer Matt LaFleur, ging zwar bis ins Halbfinale, aber mehr mit Ach und Krach als mit Inspiration. Kein Vergleich zu den früheren Dampfwalzen-Offensiven, die Rodgers orchestriert hatte, etwa 2011 oder 2014, in den Spielzeiten, in denen er als wertvollster Spieler der National Football League (NFL) ausgezeichnet wurde.

Jetzt, ein gutes halbes Jahr später, stehen die Packers, Super-Bowl-Gewinner von 2010/11, wieder im Halbfinale, an diesem Sonntagabend fordern sie die Tampa Bay Buccaneers heraus (21.05 Uhr/ProSieben und DAZN). Im Gegensatz zum letztem Jahr aber sind die Diskussionen um eine Rodgers-Nachfolge begraben: Der Routinier lieferte nämlich erneut eine MVP-würdige Saison 2020 ab, und viel spricht dafür, dass er den wichtigsten Einzelspielerpreis der Mannschaftssportart Football tatsächlich gewinnt. Bei einer 13:3 Bilanz warf Rodgers in der regulären Saison 48 Touchdown-Pässe; er hatte das beste Quarterback- und Passer-Rating; er trieb die statistisch beste Offensive der Liga an. "Er hat eine überragende Saison gespielt nach der letzten Saison, als ihn viele abgeschrieben haben", glaubt der Packers-Experte Johannes Bonn, 30, der für die Fangruppe Packers Germany schreibt.

Rogers und Davante Adams bilden eines der gefährlichsten Duos der NFL

Woher kommt dieser Aufschwung des 37-Jährigen? War es die Wut? Der Ansporn, allen zu zeigen, dass er noch nicht mit einem Bein in Rente war? Oder lag es an den Umstellungen nach dem Trainerwechsel? Im ersten Jahr als Cheftrainer installierte LaFleur ein neues Offensiv-System, das eine Zeit brauchte, um zum Automatismus zu reifen. Die Leistungssteigerung von Rodgers und der gesamten Offensive könnten deshalb auch der Eingewöhnung im zweiten Jahr und den darauf aufbauenden mutigeren Ansagen des Trainers geschuldet sein.

Das System und Rodgers: Auch darüber wurde im letzten Jahr viel spekuliert. Der Quarterback sei nicht zufrieden mit LaFleur, hieß es. Er möge es nicht, mit dem Rücken zur Defensive zu stehen, wie LaFleur es jetzt oft verlangt, weil er dann die Formationen nicht lesen kann.

Die Packers arbeiten unter LaFleur mit vielen Elementen, die Offensiven statistisch gesehen effizienter machen: angetäuschte Passversuche, Bewegung vor dem Spielzug, identische Aufstellungen der Offensiv-Formationen. Vor der LaFleur-Amtszeit musste Rodgers oft selbst Spielzüge verlängern und improvisieren, jetzt gibt ihm das Schema oft freie Passrouten. "Er muss außerhalb der Struktur nicht so viel selbst kreieren. Er verlässt sich mehr auf das System", hat Bonn beobachtet. Dies und die Fähigkeiten von Rodgers, seine Genauigkeit und sein Spielverständnis, führten zur Punkteexplosion in diesem Jahr. Wie gut Rodgers die Offensive tragen kann, sieht man beim Blick auf die Passempfänger: Dort hat Green Bay in Davante Adams einen Spitzenkönner, die beiden bilden eines der gefährlichsten Duos der NFL. Doch auch der Rest der Truppe legt glänzende Zahlen in dieser Saison auf.

Die Punkte der Offensive werden essentiell für das Halbfinale gegen die Tampa Bay Buccaneers sein, wenn die Packers noch einmal ins Finale einziehen wollen. Denn ihre Schwachstelle ist die Defensive. Sie ist individuell Tampa Bay deutlich unterlegen - jenem Team, in dem Tom Brady, 43, als Quarterback eindeutig Vorteile hat: In Mike Evans, Chris Godwin und Rob Gronkowski stellen die Buccaneers in Summe wohl die beste Passempfänger-Gruppe der NFL. Was den Vergleich der beiden Leader betrifft, ist die Football-Fangemeide zwar geteilt. Aber Equanimeous St. Brown, deutscher Wide Receiver bei Green Bay, hat klare Präferenzen: "Als Quarterback, als Spieler, glaube ich, ist Aaron Rodgers besser."

Aber selbst wenn für Green Bay wieder im Halbfinale Schluss sein sollte: Die Nachfolger-Frage stellt sich nach diesem Jahr niemand mehr. Spielt Rodgers so weiter, dann kann er den Packers bis zu seinem Vertragsende im Frühjahr 2024 ein weitere Titelchancen ermöglichen. Ansonsten gilt für Jordan Love das, was Rodgers schon vor dem Draft sagte: "Egal, wen du neu hereinholst - sie werden nicht in der Lage sein, mich so bald rauszuboxen."

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