NFL:Green Bay macht alles platt - dank Aaron Rodgers

Aaron Rodgers

Zeigt sich vor den Playoffs in Topform: Green Bays Quarteback Aaron Rodgers

(Foto: dpa)

Rechtzeitig vor Beginn der Meisterrunde nähern sich die Packers nach einer schwierigen Saison ihrer Bestform. Vor allem Quarterback Rodgers gelingt dabei Erstaunliches.

Von Julian Ignatowitsch

Jetzt gibt es endlich auch die perfekte Zahl, um ihn zu beschreiben: Aaron Rodgers ist eine 8,78. 8,78 Sekunden, genau gemessen im amerikanischen Fernsehen und anschließend vielfach diskutiert, so lange nahm sich Rodgers im letzten Saisonspiel seiner Green Bay Packers in der amerikanischen Football-Liga (NFL) Zeit, um den Ball zum Sieg gegen die Detroit Lions in die Endzone zu werfen. Es war nicht irgendein Sieg, sondern der entscheidende Erfolg der Packers für die Qualifikation zu den Playoffs, die an diesem Wochenende beginnen. Green Bay empfängt am Sonntagabend in der ersten Runde, der sogenannten Wild Card Round, die New York Giants (22.40 Uhr MEZ).

Nun ist Zeit in einem so schnellen und taktischen Spiel wie Football generell knapp. Ein Spielmacher in der NFL nimmt sich genau genommen keine Zeit, vielmehr muss er sie sich mühsam erkämpfen - und ist dabei auch noch zwei Meter großen und 120 Kilo schweren menschlichen Ungetümen ausgeliefert, die auf den ersten Metern ähnlich sprintstark sind wie Usain Bolt. Im Zeit verschaffen ist Quarterback Aaron Rodgers wahrlich ein Meister. Das sieht dann so aus: Er windet sich, er dreht sich um die eigene Achse, er täuscht an, verzögert, wechselt die Richtung, irgendwann wirft er dann - und findet auf wundersame Weise meistens den Mitspieler. Die Fähigkeit einen Spielzug zu verlängern, den exakten Zeitpunkt zu finden, in dem er den Ball möglichst sicher zu seinem Angreifer passen kann - das ist die einzigartige Stärke des Aaron Rodgers. Er ist darin so gut, wie kein anderer in der NFL.

Nach zehn Spielen hatte Green Bay plötzlich sechsmal verloren

Wenn Aaron Rodgers gut spielt, dann sind normalerweise auch seine Green Bay Packers erfolgreich. Die laufende Saison ist dafür das beste Beispiel. Mittelmäßig war Rodgers gestartet: Er brachte weniger Pässe als sonst an den Mann, bis zur Hälfte der Saison leistete er sich mehr Ballverluste als normalerweise in einer ganzen Spielzeit. Entsprechend enttäuschend war die Bilanz seines Teams. Green Bay, ein alljährlicher Kandidat für den Super Bowl, hatte nach zehn Spielen bereits sechs Mal verloren. Die Mannschaft stand kurz vor dem vorzeitigen Saisonaus.

Dann sagte Rodgers auf einer Pressekonferenz etwas von "run the table", was eigentlich nicht zu übersetzen ist, aber in der Football-Sprache so viel bedeutet wie: Alles platt machen. Von nun an machte Green Bay tatsächlich alles platt. Weil Aaron Rodgers wie entfesselt spielte.

Sechs Spiele in Folge hat Green Bay zuletzt gewonnen. Rodgers komplettierte während dieses Laufs drei von vier Pässen, warf 15 Mal in die Endzone und erlaubte sich keinen einzigen Fehlpass zum Gegner. Er ist damit sogar wieder ein heißer Kandidat für den wertvollsten Spieler der Saison (MVP), als der er bereits 2011 und 2014 ausgezeichnet wurde. Viel wichtiger aber: "Wir sind wieder im Rennen um den Super Bowl", sagt Rodgers, der, was in den USA allerdings genauso üblich ist wie die Liebe für Statistiken, offen vom Titelgewinn spricht und erklärt: "Die Mannschaft ist hungrig und selbstbewusst. Die Energie in der Kabine so hoch wie lange nicht mehr".

Selbst sein Vorgänger Brett Favre lobt Rodgers überschwänglich

Die Packers haben sich mittlerweile gefunden, weil Rodgers sich wieder gefunden hat. Auch die teilweise anfällige Verteidigung zeigte sich zuletzt verbessert. Läuft es im Angriff, hilft das auch der Abwehr. Im sogenannten Backfield (bei den Passverteidigern) ist das Team allerdings weiterhin durch Verletzungen geschwächt. Solange Rodgers mehr Punkte macht als der Gegner, ist dieses Manko jedoch zweitrangig. Auf ihn wird es gleich im ersten Playoff-Spiel wieder ankommen. New York als eine der besten Pass-Verteidigungen der Liga ist der erste Prüfstein auf dem Weg zum Titel.

Diesen Weg werden die Packers, falls sie weiterkommen, dann aber erst mal auswärts bestreiten müssen. Das Heimrecht haben sie aufgrund zu vieler Niederlagen in der Hauptrunde verspielt. Ein Nachteil, denn im kalten, verschneiten Winter sind sie auf dem heimischen Lambeau Field traditionell fast nicht zu schlagen. Hier ist Rodgers bei Minusgraden besonders gefürchtet.

Wie alles im US-Sport werden am Ende auch Karrieren nach Zahlen beurteilt, im Football insbesondere nach der Zahl ihrer Meisterschafts-Ringe. Rodgers ist 33 Jahre alt und hat bislang einen Ring am Finger: 2010 wurde er mit Green Bay Meister. Sein Vorgänger Brett Favre gilt als einer der größten Spielmacher der NFL-Geschichte, hat aber - nur, so wird ihm vorgeworfen - einmal den Titel gewonnen. Favre weigerte sich einst, seinen Erben Rodgers einzulernen. "Ich muss überhaupt niemandem helfen", sagte er damals. Rodgers setzte sich nach 2007 trotzdem durch. Ausgerechnet Favre glaubt nun, dass ihn sein Nachkömmling überholen wird. "Green Bay erreicht den Super Bowl", meint Favre. "Sie sind offensiv nicht zu stoppen." Der Grund dafür ist 8,78 Sekunden lang.

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