NFL:Schillernder Nachfolger für Tom Brady

Quarterback Cam Newton

Tauscht Panthers-Trikot und -Hoodie gegen Requisiten der New England Patriots ein: Quarterback Cam Newton.

(Foto: John Byrum/Icon Sportswire/imago)

Die Patriots holen den ehemaligen MVP und Super-Bowl-Finalist Cam Newton als Quarterback. Viel Geld bezahlt das Team nicht für dessen Dienste - doch auch für Newton lohnt sich der Deal.

Von Jürgen Schmieder, Los Angeles

Natürlich sagen nun alle, dass sie das gewusst oder zumindest geahnt haben: Die New England Patriots haben einen Nachfolger für den nach Tampa Bay abgewanderten Quarterback Tom Brady gefunden. Es ist nicht der junge Jarrett Stidham, den sie bei der Talentbörse im vergangenen Jahr in der vierten Runde gewählt hatten. Es ist auch nicht der Veteran Brian Hoyer, der im März kam und als brauchbare Übergangslösung galt. Es ist: Cam Newton, die schillerndste vertragslose Figur der US-Footballliga NFL, und es sind die Details im Vertrag, die diese Verpflichtung so faszinierend machen.

Die Patriots werden aufgrund ihrer Dominanz (sechs Titel, neun Super-Bowl-Teilnahmen in den vergangenen 20 Jahren) in einer Liga, die durch zahlreiche Regeln im Tarifvertrag mittelfristige Chancengleichheit garantieren soll, oft mit dem sinistren Imperium aus den Star Wars-Filmen verglichen. Es stützt diesen Vergleich, dass Trainer Bill Belichick im Kapuzenpulli ein bisschen aussieht wie der finstere Imperator Palpatine und meist daherkommt, als habe er noch nicht einmal einen Keller, in den er zum Lachen gehen könnte.

Die Patriots waren in den vergangenen Jahren immer wieder in Skandale verwickelt, wegen Spionage bei den New York Jets (Spygate, 2007), oder nicht ordentlich aufgepumpter Bälle (Deflategate, 2014). Gerade erst haben sie das Drittrunden-Wahlrecht bei der kommenden Talentbörse wegen Ausspionierens eines kommenden Gegners verloren - vor allem aber sind sie derart häufig abgeschrieben worden und dann doch zurückgekehrt, dass sie aus dem Titel der besten Star Wars-Episode ("Das Imperium schlägt zurück") eine 20 Jahre dauernde Serie gemacht haben.

Der Vertrag von Newton ist ein typischer Patriots-Vertrag: Ein 31 Jahre alter Spielmacher, in dessen Lebenslauf Referenzen wie "wertvollster Spieler der Saison 2015" und "Super-Bowl-Teilnahme" vermerkt sind, könnte durchaus auf einen mittelfristigen und gut dotierten Kontrakt hoffen, also in etwa 45 Millionen Dollar für drei Spielzeiten. Bei den Patriots bekommt er einen Ein-Jahres-Vertrag, der inklusive aller Boni mit höchstens 7,5 Millionen vergütet wird. Diese Höchstsumme wäre Platz 20 unter den 32 Stamm-Spielmachern, wobei aber erwähnt werden muss, dass junge Quarterbacks aufgrund der NFL-Regeln in den ersten Jahren ihrer Profi-Karriere nicht besonders viel verdienen dürfen. Newton befindet sich also am unteren Ende der Quarterback-Verdienst-Leiter.

Warum Newton so einen Vertrag unterschreibt? Weil es sich für ihn tatsächlich lohnt. Viele der Planstellen sind mittlerweile vergeben, zahlreiche Beobachter hatten bereits prognostiziert, dass Newton den geplanten Beginn der Saison im September aussitzen und auf die Verletzung eines Stamm-Quarterbacks sowie die damit verbundene Panik eines Vereins spekulieren dürfte. Die kurze Laufzeit erlaubt es ihm, die kommende Spielzeit als Botschaft an alle Zweifler zu nutzen, er sei nach Verletzungen an Schulter und Knöchel nicht voll belastbar (Newton veröffentlichte jüngst ein Trainingsvideo, in dem er darauf anspielte). Bei den Patriots kann er sich für einen weit besser dotierten Anschlusskontrakt empfehlen. Wo auch immer.

Newton: "Ich kann gar nicht sagen, wie aufgeregt ich bin"

Er tut das bei einem Team, dessen Defensive auch in diesem Jahr als eine der besten der Liga gilt und in deren Offensive er genügend talentierte Mitspieler vorfindet - die Running Backs James White und Sony Michel zum Beispiel, oder die Passempfänger Julian Edelman und Mohamed Sanu. Damit dürften die Patriots tatsächlich ein Playoff-Kandidat sein, vielleicht reicht es zu mehr. "Das ist verrückt und großartig", sagte Sanu am Sonntagabend beim TV-Sender ESPN: "Er muss nur er selbst sein." Newton schrieb bei Instagram: "Ich kann gar nicht sagen, wie aufgeregt ich bin."

Das führt zurück zu den Patriots und dazu, warum dieser Vertrag so grandios für den Verein ist. 7,5 Millionen Dollar für einen Quarterback dieses Kalibers sind ein relativ geringes Risiko für das bestmögliche Szenario, das sich bieten könnte: Laut letztem medizinischen Test ist Newton topfit, er hat etwas zu beweisen, und Patriots-Trainer Belichick ist bekannt dafür, genau solchen Leuten besondere Leistungen zu entlocken. Typische Belichick-Spieler sind: Unverstandene, Unerfüllte, Unbewiesene. Newton muss keine Ein-Mann-Show sein, wie er es neun Spielzeiten lang bei den Carolina Panthers war. Er soll seine Rolle im System finden, und wenn er das tut - auch das gehört zu Belichicks speziellen Fähigkeiten -, darf er oft genug glänzen, damit auch das Ego befriedigt wird.

Der Teufel steckt im Detail, heißt es immer wieder, und so ist es auch bei diesem Vertrag. Sollte Newton nämlich glänzen und sich nach der Saison für einen anderen Verein entscheiden, dann könnten die Patriots laut ESPN-Experte Adam Schefter im Jahr 2022 das Drittrunden-Wahlrecht bekommen, das ihnen gerade für 2021 wegen des Ausspionieren des Gegners entzogen wurde. Ja, aus Gründen wie diesem sind die Patriots so erfolgreich, wie sie es seit 20 Jahren sind. Das Imperium hat mal wieder zurückgeschlagen.

Die Patriots sind nicht der Top-Favorit auf den Titel in der kommenden Saison, das sind nach wie vor Titelverteidiger Kansas City Chiefs, die Baltimore Ravens und die Tampa Bay Buccaneers, Tom Bradys neuer Klub. Nur: War das in den vergangenen 20 Jahren nicht oft ähnlich? Es sollte sich niemand wundern, sollten die Patriots die Playoffs erreichen und dort für Furore sorgen. Es werden dann freilich alle sagen, es vorher gewusst oder zumindest geahnt zu haben.

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