Süddeutsche Zeitung

American Football:Einer wird über die Ziellinie rollen

  • Die Philadelphia Eagles und die Dallas Cowboys stehen sich am kommenden Sonntag im direkten Duell um die Teilnahme an der Ausschlussrunde gegenüber.
  • Das Rennen um einen Playoff-Platz verläuft grotesk.

Von Jürgen Schmieder, Los Angeles

Es hat nun wirklich genügend witzige Video-Vergleiche zum bizarren Rennen um diesen einen Playoff-Platz in der US-Footballliga NFL gegeben - stolpernde Hürdenläufer etwa, einen Spargeltarzan beim Bodybuilder-Wettbewerb und auch einen Boxer, der sich selbst haut -, und es hat genügend Lästereien über die Titelchancen dieser beiden Mannschaften gegeben, die außerhalb der beiden Städte auf jeweils knapp über null Prozent geschätzt werden. Nun also ist es so weit: Die Philadelphia Eagles und die Dallas Cowboys stehen sich am kommenden Sonntag im direkten Duell um die Teilnahme an der Ausschlussrunde gegenüber.

Sollten die Cowboys gewinnen, wären sie aufgrund zweier Erfolge im direkten Vergleich gegen die Eagles sicher qualifiziert. Sie hätten in der ersten Runde sogar Heimrecht, selbst wenn sie die letzte Partie der regulären Saison gegen die Washington Redskins verlören und ihre Bilanz (8:8) schlechter wäre als die von Vereinen, die ausscheiden würden (die Los Angeles Rams etwa stehen derzeit bei 8:6). Bei einem Eagles-Sieg wird es komplizierter, dazu später mehr.

Die Sieger der vier Divisionen sind automatisch qualifiziert

Die Konstellation entsteht wegen des Regelwerks der NFL und dadurch, dass die Liga aufgeteilt ist in zwei Conferences (AFC und NFC), die jeweils in vier regionale Divisionen mit jeweils vier Teams unterteilt sind. Das sollte einst die Reisekosten senken (mittlerweile trägt die NFL Partien in London und Mexiko City aus) und für interessante Derbys sorgen: Jeder Verein tritt pro Jahr jeweils zwei Mal gegen die Divisions-Konkurrenten an.

Die Regel für die Playoff-Teilnahme: Die Sieger der vier Divisionen sind automatisch qualifiziert, die beiden Teams mit der besten Bilanz haben dabei ein Freilos in der ersten Runde. Die anderen beiden treten am so genannten "Wild-Card-Wochenende" zu Hause gegen jene beiden Klubs in der Conference an, die ihre Division nicht gewonnen, aber die meisten Siege geschafft haben.

Stand jetzt würden die Cowboys (7:7) daheim gegen die San Francisco 49ers (11:3) antreten, und es gibt immer wieder mal Debatten darüber, ob das wirklich gerecht ist. Allerdings sorgen diese Regeln dafür, dass in der NFL jede Partie von Bedeutung ist, während anderswo, zum Beispiel in der Basketballliga NBA (es qualifizieren sich 16 von 30 Vereinen), die 82 Spiele der regulären Saison letztlich nur Vorgeplänkel der Action im Frühjahr sind. Die Amerikaner finden es ganz gut so, wie es ist.

Es gibt traditionell eher respektierte Divisionen wie zum Beispiel die NFC West, aus der sich in diesem Jahr sogar drei Teams für die Playoffs qualifizieren könnten: die San Francisco 49ers, die Seattle Seahawks (beide 11:3) und die bereits erwähnten Rams. Es gibt eher belächelte Mini-Ligen, und auch wenn das die Leute in Boston nicht gerne hören dürften: Die New England Patriots haben sich gerade zum zehnten Mal nacheinander qualifiziert (das ist die längste Serie der Liga-Geschichte), weil die Miami Dolphins und die New York Jets mal wieder derart schlecht gewesen sind, dass es bisweilen nach Absicht aussah - denn: Je schlechter die Bilanz, desto eher darf ein Verein bei der Talentbörse im Sommer wählen.

Die NFC East ist die Division der Traditionsvereine im Osten der USA, die Eagles, Cowboys, Redskins und New York Giants haben in 53 Super-Bowl-Jahren insgesamt 13 Titel geholt - sie ist die einzige, in der alle vier Teams mindestens ein Mal den SuperBowl gewonnen haben. Zum Vergleich: AFC South (Tampa Bay Buccaneers und New Orleans Saints) und NFC South (zwei Mal Indianapolis Colts) kommen auf jeweils gerade mal zwei Titel. Es mag nach Binsenweisheit klingen, aber es ist nicht nur schwieriger, eine Division mit starken Gegnern zu gewinnen, es ist aufgrund der Spielplan-Regeln (sechs von 16 Partien der regulären Saison gegen Vereine aus der eigenen Division) auch schwieriger, eine ordentliche Bilanz zu erreichen.

Nur: Die NFC East war in diesem Jahr unfassbar schlecht, die Giants und Redskins (beide 3:11) haben die Spielzeit jeweils abgeschenkt und bemühen sich ebenfalls um eine möglichst hohe Platzierung bei der Talentbörse. Wie unterdurchschnittlich die beiden Vereine bislang agierten, die nun um die Playoff-Teilnahme spielen, zeigt ein Blick auf den Spielplan: Die Eagles haben nur zwei Partien gegen Vereine mit positiver Bilanz (Buffalo Bills und Green Bay Packers) gewonnen, der 44:21-Erfolg der Cowboys am vergangenen Wochenende gegen die Rams war sogar erst der erste gegen eine Mannschaft mit mehr Siegen als Niederlagen.

"Wir denken von Woche zu Woche, von Spiel zu Spiel", sagte Eagles-Trainer Doug Pederson nach dem Zittersieg bei den Washington Redskins in der Umkleidekabine zu seinen Spielern: "Unsere Bilanz an diesem Wochenende: 1:0. Ich bin stolz auf diese Mannschaft." Ganz ehrlich: Was hätte er auch anderes sagen sollen?

Die Eagles haben nun ebenfalls eine ausgeglichene Bilanz, sollten sie am Wochenende siegen und danach auch gegen die Giants, wären sie für die Playoffs qualifiziert. Sollten sie jedoch gegen die Cowboys gewinnen und danach gegen den Divisions-Rivalen verlieren, während die Cowboys gleichzeitig gegen das andere Team aus der NFC East (Redskins) gewinnen, wären sie ausgeschieden. Wer die Ergebnisse der Eagles und Cowboys in dieser Saison kennt, der weiß, dass keines dieser Szenarien ausgeschlossen ist und dass sich - um auf eines der Videos zurückzukommen - am Ende nicht das tollste Team qualifizieren wird, sondern jenes, dass an einer Hürde weniger stolpert und zuerst über die Ziellinie rollt.

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Quelle:
SZ vom 19.12.2019
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