NFL:Der Jeff-Fisher-Effekt

Von den vier Quarterbacks in den NFL-Halbfinals genossen Nick Foles und Case Keenum nicht den besten Ruf - bis sie unter neuen Trainern wieder aufblühten.

Von Maximilian Länge

Jeff Fisher hat auf den ersten Blick einen guten Zeitpunkt ausgewählt, um sich wieder ins Gespräch zu bringen. Von 32 NFL-Teams haben 28 die Saison bereits beendet - und fünf sind aktuell auf der Suche nach einem neuen Cheftrainer. Fisher, der 22 Jahre lang Head Coach in der US-Profiliga war, sagte unter der Woche in einem Football-Podcast, er sei sehr interessiert daran, wieder ein Team zu trainieren: "Ich freue mich auf die nächste Möglichkeit."

Ob diese wirklich kommen wird? Denn womöglich hat der 59 Jahre alte Fisher dann doch nicht den besten Zeitpunkt ausgewählt, um sich wieder ins Gespräch zu bringen. Vier Teams kämpfen am Wochenende noch um den Einzug in den Super Bowl. Zwei davon, die Minnesota Vikings und die Philadelphia Eagles, setzen dabei in der Nacht von Sonntag auf Montag (0.40 Uhr/ProSieben und DAZN) auf Quarterbacks, die in früheren Jahren unter Jeff Fisher spielten - und mit ihm nicht mal in die Nähe der Playoffs kamen. Nick Foles, Quarterback der Eagles, Case Keenum, Spielmacher der Vikings, und Jeff Fisher, von 2012 bis 2016 Cheftrainer der St. Louis Rams (2016 nach Umzug: Los Angeles Rams) haben eine gemeinsame Vergangenheit. Doch diese Vergangenheit liest sich für keinen der drei Akteure wie ein gutes Bewerbungsschreiben.

Minnesota Vikings - Quarterback Case Keenum

Case Keenum sucht im Viertelfinalspiel der Vikings gegen die New Orleans Saints nach einem Passempfänger. Im entscheidenden Moment der Partie glückte ihm dieses Unterfangen recht spektakulär.

(Foto: Jim Mone/dpa)

Es war das Jahr 2015. Fisher hatte gerade die dritte Saison in Serie mit mehr Niederlagen als Siegen beendet und die Playoffs klar verpasst. Doch nun sollte endlich alles besser werden. Mit dem aufstrebenden Nick Foles als neuem Spielmacher, mit dem soliden Case Keenum als neuem Ersatzmann. Gut ging das jedoch nicht lange. Mitte November hatte Fisher keine Geduld mehr mit Foles und machte Keenum zum Stammspieler. Aber auch der konnte die Saison nicht mehr retten; mit sieben Siegen und neun Niederlagen wurden die Playoffs wieder verpasst.

Mit der Trennung kam plötzlich der Erfolg

Vor der Folgesaison reagierte Fisher radikal und verpflichtete den talentierten, aber noch unreifen Jared Goff als zukünftigen Quarterback der Rams. Dieser sollte im Schatten von Case Keenum zum neuen Star des Teams heranwachsen. Nick Foles durfte die Rams derweil verlassen. So begann Keenum die Saison 2016 als Stammspieler - und erneut reichte die Geduld Fishers aufgrund von durchwachsenen Resultaten nur bis Mitte November. Er ersetzte Keenum durch Goff, der aber auch nicht mehr die Wende schaffte.

Die Bilanz aus zwei Jahren Personalgeschacher: elf Siege bei 21 Niederlagen, 25 Touchdown-Pässe und 29 vom Gegner abgefangene Pässe. Die Konsequenz: Fisher wurde noch vor dem Saisonende entlassen. Keenum wechselte 2017 als Backup zu den Minnesota Vikings und Foles kehrte nach kurzem Zwischenstopp bei Kansas City Chiefs als Ersatzspieler zu den Philadelphia Eagles zurück, wo seine Karriere einst begonnen hatte.

Mit der Trennung kam plötzlich der Erfolg. Keenum wurde Anfang der Saison unverhofft zum Stammspieler, als sich der etatmäßige Quarterback verletzte, und führte die Vikings bis ins Halbfinale der Playoffs. Foles kam zwar erst am Ende der Saison zu Einsatzzeiten, als sich der erste Spielmacher der Eagles verletzte, doch dann führte er das Team ebenfalls bis unter die letzten Vier.

NFL: NFC Divisional Playoff-Atlanta Falcons at Philadelphia Eagles

Nick Foles in Aktion. Der eigentliche Ersatz-Quarterback der Philadelphia Eagles wirkte nur zu Beginn seines Einsatzes gegen die Atlanta Falcons verunsichert. Dann führte er seine Franchise ins Halbfinale.

(Foto: Eric Hartline/USA Today)

Experten und Fans sprechen inzwischen vom Jeff-Fisher-Effekt, der in dem Moment eintritt, in dem sich ein Spielmacher von Fisher losgelöst hat und seine Statistiken sich merklich verbessern. Keenum und Foles haben davon profitiert, der junge Jared Goff auch: Bei den Los Angeles Rams wurde er nach dem Weggang Fishers gezielt gefördert. Der neue Head Coach Sean McVay schnitt das Spiel auf Goff zu, die Rams erreichten erstmals seit zwölf Jahren wieder die Playoffs.

Der ehemalige Trainer sagt: "Ich bin ein Fan der beiden."

Andere Trainer sind mit Jeff Fishers einstigen Schützlingen erfolgreich. Zwei stehen gar kurz vor dem Super Bowl. Fisher sagte dazu unter der Woche im Radio: "Ich bin nicht überrascht darüber, wie gut sie spielen. Ich bin ein Fan der beiden." Wenn Fisher wusste, was in beiden Spielern steckte, warum schaffte er selbst es dann nicht, dies zu Tage zu befördern?

Eine Begründung, warum es damals bei den Rams nicht geklappt hat mit Foles und Keenum, hat Fisher parat: Das Team habe neben den Quarterbacks nicht genügend talentierte Spieler gehabt, um erfolgreich zu sein. In Minnesota und Philadelphia sei das nun anders. "Das ist Fakt", sagte Fisher, als wolle er die Schuld für das schlechte Abschneiden der Rams unter seiner Führung von sich weisen. Er hat teilweise recht. Nur fällt diese Erkenntnis postwendend auf ihn zurück, da er als Cheftrainer gemeinsam mit dem Geschäftsführer dafür verantwortlich war, ein konkurrenzfähiges Team um seine Quarterbacks herum aufzubauen.

Die Zahlen sprechen dafür, dass es den Jeff-Fisher-Effekt tatsächlich gibt: 25 Siege und nur acht Niederlagen sammelten Keenum, Foles und Goff ohne Fisher in der aktuellen Saison. 55 Touchdown-Pässe warfen sie insgesamt, und nur 16 Fehlpässe zum Gegner. Alle drei erreichten die K.-o.-Runde, einer wird am 4. Februar (Ortszeit) in Minneapolis im Super Bowl stehen. Jeff Fisher wird das Duell zwischen Case Keenum mit Minnesota und Nick Foles mit Philadelphia entspannt vom Sofa aus verfolgen, während er weiter auf den Anruf eines trainerlosen NFL-Teams wartet. Es sei schön zu sehen, wie die beiden Spieler Erfolg haben, sagte der ehemalige Trainer am Ende des Podcasts. Das klang fast so, als habe er das mitzuverantworten und sei deshalb ein bisschen stolz auf den Jeff-Fisher-Effekt.

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