Comeback von Tom Brady:Das Ei ruft

Comeback von Tom Brady: Will es noch einmal wissen: Tom Brady, Spielmacher der Tampa Bay Buccaneers.

Will es noch einmal wissen: Tom Brady, Spielmacher der Tampa Bay Buccaneers.

(Foto: Michael Reaves/AFP/Getty Images)

Footballer Tom Brady erklärt unverhofft seinen Rücktritt vom Rücktritt - und will noch für ein Jahr bei den Tampa Bay Buccaneers spielen. Im Herbst kommt der beste Quarterback der NFL-Geschichte für eine Partie nach München.

Von Jürgen Schmieder

Tom Brady hat am Wochenende Cristiano Ronaldo getroffen, auf dem Rasen von Old Trafford, und es war deutlich zu sehen, wie der mehrfache Weltfußballer die American-Football-Legende fragte: "Bei dir ist Schluss, oder?" Was nicht zu sehen war: die Antwort von Brady, der vor 40 Tagen seine Karriere beendet hatte und als einstiger Tampa-Bay-Buccaneers-Quarterback Gast der Glazer-Familie war, der sowohl die Buccaneers als auch Manchester United gehören. Ein paar Tage später steht fest: Brady ist nun doch wieder Quarterback der Tampa Bay Buccaneers, er hat seinen Rücktritt vom Rücktritt erklärt.

"Ich habe in den vergangenen zwei Monaten bemerkt, dass mein Platz noch nicht auf der Tribüne ist", schrieb Brady bei Twitter, und das ist freilich auch eine aufregende Nachricht für alle deutschen Football-Fans: Die Buccaneers werden im Herbst nach München kommen und Gastgeber der ersten NFL-Partie in Deutschland sein. Gegner und Termin sind noch nicht bekannt, nun wissen die Leute zumindest: Brady, der beste Quarterback der Geschichte, wird in München dabei sein, und vielleicht kommt es sogar zum Duell mit Patrick Mahomes, dem besten Spielmacher der Gegenwart. Es heißt, dass die NFL gerne die Kansas City Chiefs nach Deutschland schicken würde. Chiefs gegen Bucs, Mahomes und Tyreek Hill gegen Brady und Mike Evans, das wäre schon ein Leckerbissen.

"Mein Platz ist immer noch auf dem Feld", führte Brady weiter aus: "Ich kehre zurück für meine 23. Profisaison. Es gibt da noch was zu erledigen. LFG." LFG, das steht für "Let's fucking go", Bradys Lieblings-Schlachtruf der sich nur unzureichend mit "Auf geht's, verdammt noch mal" übersetzen lässt - zumal die Brady-Variante des Rufes eine überdeutliche ist. Brady als ehrgeizig zu bezeichnen, wäre in etwa so, als würde man sagen, dass dieser Ronaldo hin und wieder mal ein Tor schießt.

Brady ist unbarmherzig sich selbst gegenüber

Brady ordnet alles, wirklich alles dem Erfolg unter, in Zahlen sieht das dann so aus: siebenmaliger Super-Bowl-Champion, drei Mal wertvollster Spieler der Saison; zahlreiche Rekorde wie meiste Siege (278), meiste Touchdown-Pässe (710), höchster Raumgewinn mit Würfen (97 569 Yards). Da fragt man sich: Was hat der denn noch zu erledigen? Dieser Wechsel weg von den New England Patriots im Jahr 2019 nach 21 Jahren war ja noch zu verstehen: Brady wollte beweisen, dass er auch ohne Mentor Bill Belichick den Titel gewinnen kann. Das hat er 2021 geschafft. Und nun?

Comeback von Tom Brady: Auf der Tribüne in Manchester: Tom Brady (rechts).

Auf der Tribüne in Manchester: Tom Brady (rechts).

(Foto: Martin Rickett/dpa)

Darüber wird spekuliert; manchmal mehr, manchmal weniger ernsthaft. Das liegt auch daran, dass die Rücktrittsnachricht arg sentimental war. Auf acht Seiten bedankte er sich bei jedem, der sich nicht rechtzeitig ins Ausland abgesetzt hatte (außer Belichick und den Patriots). Vor allem schrieb er, dass er nicht mehr bereit sei, diesem Sport alles unterzuordnen. Es gebe andere Sachen, die seine Aufmerksamkeit erforderten. Kurz darauf trug er die Eishockey-Tasche von Sohn Benjamin, und deshalb wird nun gespottet: Es habe nur 40 Tage gedauert, bis er es daheim mit Ehefrau Gisele Bündchen und den zwei Kindern nicht mehr ausgehalten habe und deshalb lieber noch ein bisschen Football spiele.

Die ernstere Lesart: Der 44 Jahre alte Brady hat am Wochenende beim 3:2-Sieg von ManUnited gegen die Tottenham Hotspurs drei Treffer des 37-jährigen Ronaldo gesehen, er hat die Atmosphäre in einer europäischen Arena erlebt und sich gedacht: Das will ich auch spüren, im Herbst, in München. Dass er es sportlich noch draufhat, hatte er in der vergangenen Saison bewiesen: mehr angekommene Pässe (485) als jemals zuvor in seiner Karriere, dazu ligaweit die meisten Pass-Yards (5316 Yards) und die meisten Touchdowns (43). Im Playoff-Viertelfinale verloren die Bucs nach toller Aufholjagd in letzter Sekunde 27:30 gegen den späteren Super-Bowl-Sieger Los Angeles Rams. Brady war höchstmöglich genervt davon.

Es heißt immer, dass man aufhören soll, wenn's am schönsten ist. Brady hat während seiner illustren Laufbahn bewiesen, dass es für ihn nur dann nicht am schrecklichsten ist, wenn er Titel gewinnt; und das ist freilich der wahre Grund für die Rückkehr: noch einmal ein Duell in der Mittagssonne gewinnen und dann in den Sonnenuntergang reiten. Nur: Wem gelingt das?

Bradys Comeback dürfte eine Botschaft an die vertraglosen NFL-Spieler sein

Brady könnte das tatsächlich schaffen. Sein Vertrag mit den Buccaneers gilt noch ein Jahr; es wird erwartet, dass beide Seiten tun, was sie bereits im Frühjahr 2021 getan haben: den Kontrakt um eine weitere Saison verlängern und so strukturieren, dass er bei der Gehaltsobergrenze von 208,2 Millionen Dollar pro Verein (2021 waren es 15,7 Millionen weniger) nicht so sehr ins Gewicht fällt. Ähnliches haben die Green Bay Packers und Quarterback Aaron Rodgers gerade getan.

Dem Erfolg alles unterzuordnen bedeutet bei Brady nämlich auch, selber verzichten zu können. Bei keinem seiner Super-Bowl-Siege war er der bestbezahlte Spielmacher der Liga, es war deshalb stets Geld für Top-Kollegen übrig. Brady ist unbarmherzig sich selbst gegenüber, das zeigt sein Fitness- und Ernährungsprogramm; er ist aber auch unbarmherzig mit anderen. Er dürfte mit seiner Entscheidung dafür gesorgt haben, dass Tampa den Vertrag mit Wide Receiver Chris Godwin langfristig verlängern und ihm deshalb weniger zahlen wird als die 19,18 Millionen Dollar, die fällig wären.

Bradys unverhofftes Comeback dürfte auch eine Botschaft an vertraglose Spieler sein, Kumpel und Passempfänger Rob Gronkowski etwa oder Laufspieler wie Leonard Fournette und Ronald Jones. Am Montag begann die sogenannte Free Agency, in der Klubs mit Spielern verhandeln können. Die Nachricht von Brady: Let's fucking go!

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