Neymar bei PSG:Rebellion im goldenen Käfig

Thomas Tuchel entraibeur PSG sortie neymar FOOTBALL Nimes vs PSG Ligue 1 01 09 2018 RichardGo

Kurz vor der Trennung: Sollte Neymar (links) Paris verlassen, würde Trainer Thomas Tuchel einen Fußballer verlieren, den er extrem schätzt.

(Foto: Richard Gosselin/imago)
  • Der Brasilianer Neymar möchte PSG verlassen, um zum FC Barcelona zurückzukehren.
  • Er bleibt sogar dem Training fern, um einen Transfer zu erzwingen.
  • Nun wird es allerdings kompliziert, denn Barcelona kann einen Preis von 300 Millionen Euro nicht zahlen.

Von Javier Cáceres, Rio de Janeiro

Am Wochenende gab es rund um den brasilianischen Fußballer Neymar zweierlei Gewissheiten. Erstens: dass er auf der Ehrentribüne des Maracanã sitzen würde, um dem Finale der Copa América beizuwohnen, Brasilien siegte gegen Peru mit 3:1. Zweitens: dass Neymars Arbeitgeber Paris Saint-Germain am Montag unter Trainer Thomas Tuchel die Saisonvorbereitung aufnehmen würde. Angesichts der rund 9000 Kilometer, die Rio und Paris trennen, war damit klar, dass Neymar diesen Termin nicht einhalten würde.

Nun kam es zum Eklat: Am Montagabend teilte PSG mit, dass Neymar, 27, unentschuldigt beim Training gefehlt habe, man werde "die angemessenen Maßnahmen ergreifen" und den vom FC Barcelona umschwärmten Stürmer arbeitsrechtlich belangen. Die postwendend verbreitete Erklärung Neymars, er habe "kommerzielle" und "institutionelle Termine", die PSG vor Monaten mitgeteilt worden seien, und er plane, am 15. Juli in Paris zu sein, wies PSG zurück. In den martialischen Worten, die am Dienstag die Titelseiten der Zeitungen Sport und El Mundo Deportivo aus Barcelona schmückten, bedeutet das zusammengefasst: Es herrscht "Krieg".

Das Tischtuch zwischen Neymar und PSG ist schon länger zerschnitten. Doch einen öffentlichen Eklat zwischen den Parteien hatte es nie gegeben. Neymar spielt seit 2017 in Paris, PSG überwies an Barça eine Ablösesumme von 222 Millionen Euro. Das Versprechen, der Erbe von Weltfußballer Lionel Messi zu sein, konnte Neymar bei PSG nie einlösen.

Stattdessen: Verletzungen, Affären, eine Schlägerei, Schiedsrichterbeleidigungen, Sperren, Partys und Vergewaltigungsvorwürfe, die Brasiliens Justiz beschäftigen (und ein Smalltalk-Thema mit dem umstrittenen Justizminister Sergio Moro hergegeben haben könnten, Moro war am Sonntag mit Neymar auf der Vip-Tribüne). Nun also die Rebellion, um die Rückkehr zu Barça zu forcieren.

Barcelona soll versuchen, die Ablösesumme zu verrechnen

In einem Interview mit Le Parisien bestätigte der neue PSG-Manager Leonardo "oberflächliche Kontakte" mit Barça, Neymars Position sei "allen Beteiligten klar". In anderen Worten: Neymar hat deutlich erklärt, Paris verlassen zu wollen. Mit Barcelona ist er sich dem Vernehmen nach längst einig. Möglich wäre ein Adieu aber nur, "wenn es ein Angebot geben sollte, das allen Beteiligten passt", sagte Leonardo. "Konkret ist zurzeit dies: Sein Vertrag läuft noch drei Jahre. Und da wir kein Angebot erhalten haben, können wir darüber nicht diskutieren." Gegenwärtig wisse man nicht, ob ihn überhaupt jemand kaufen wolle. Und wenn ja, "zu welchem Preis".

Auslöser für Neymars Wechsel nach Paris war ein Spiel des FC Barcelona in der Champions League gegen PSG gewesen, im März 2017 schalteten die Katalanen PSG durch einen 6:1-Sieg aus. Neymar hatte seinerzeit zwei Tore beigesteuert, die Titelbilder in den Zeitungen aber räumte Messi ab. Der Argentinier hatte sich im Camp Nou auf eine Werbebande gestellt und damit das Motiv für ein ikonisches Foto geliefert. Neymars Plan, in Paris aus Messis Schatten zu treten, scheiterte. Nun hat er "Saudade", wie man in Brasilien Sehnsucht nennt: Sehnsucht nach Barcelona.

Einen Wechsel zu Real Madrid schließt Neymar offenbar aus

Dass die Katalanen interessiert sind, ihn wieder aufzunehmen, hat etwas Irrwitziges. Zwar hat Messi einer Rückkehr Neymars seinen Segen erteilt. Der Klub lag aber nach dem Wechsel mit Neymar so überkreuz, dass der Brasilianer Barça verklagte - auf die Zahlung einer Bonuszahlung von 26 Millionen Euro. Der goldene Pariser Käfig Neymars scheint bedrückend eng zu sein. In Barcelona sickerte vor geraumer Zeit durch, dass Neymar die Klage zurücknehmen und sein Salär von über 30 Millionen Euro netto jährlich reduzieren würde. Vor diesem Hintergrund erklärte Barças Präsident Josep Maria Bartomeu unlängst, dass Neymar "Paris verlassen möchte", PSG ihn aber nicht ziehen lassen wolle. Was, siehe oben, nur die halbe Wahrheit ist: Es ist eine Frage des Preises.

Beim FC Barcelona ist zu hören, PSG habe über Mittelsmänner einen Preis von 300 Millionen Euro aufgerufen. Barcelona kann das nicht stemmen und versucht daher, Spieler aus dem eigenen Kader zu verrechnen. Genannt werden der bei der Copa América enttäuschende Brasilianer Coutinho, Kroatiens WM-Zweiter Ivan Rakitic und Ousmane Dembelé. Aber: Das Trio verdient beim FC Barcelona zusammen in etwa das, was Neymar in Paris bekommt. Da keiner dieser Spieler abwanderungswillig ist, würden sie sich finanziell verbessern wollen. Das liefe darauf hinaus, dass PSG für drei Gehälter mehr zahlen müsste als für einen Neymar. Das kann sich PSG kaum erlauben, ohne gegen die Regeln des Financial Fair Play des europäischen Verbandes Uefa zu verstoßen. Kommen also andere Akteure ins Spiel?

"So etwas regelt man nicht an einem Tag"

So soll etwa der FC Bayern an Dembélé interessiert sein. Zwar erklärte Barças Präsident Bartomeu den Franzosen für "unverkäuflich" und für "besser als Neymar"; in Wahrheit würde man ihn gern abstoßen, Dembélé soll häufiger beim Training gefehlt haben als öffentlich bekannt. Barça hat Dembélé auf einen dreistelligen Millionenbetrag taxiert, um zumindest einen Teil des Geldes wieder hereinzuholen, das man seit 2017 an Borussia Dortmund überwies: durch Bonuszahlungen hat Barça dem BVB weit mehr als den Sockelbetrag von 105 Millionen Euro Ablöse übermacht.

Wie diese Situation aufgelöst wird? "So etwas regelt man nicht an einem Tag", sagte Leonardo in Le Parisien. Angeblich stellte er Barça in Aussicht, dass PSG über Neymars Preis reden würde. Aber: Die katarischen Eigner von PSG sollen weiter auf den 300 Millionen Euro beharren. Hintergrund: Die Beziehungen mit Barça sind denkbar schlecht. Aus diesem Grund wiederum hat PSG Neymar mehrfach Real Madrid angeboten, Neymar aber soll erklärt haben, kein Interesse an einem Wechsel zu Barças Erzfeind zu haben. Real soll ebenfalls abgewunken haben. Bedarf haben sie nicht: Real hat gerade Eden Hazard (FC Chelsea) gekauft und will Vinícius aufbauen - zum neuen Neymar. Doch wer weiß: Reals Präsident Florentino Pérez hat an dem Brasilianer einen Narren gefressen. Und der Transfersommer ist noch lang.

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