Neymar in der Champions League:Offensiv-Show mit der Diva

Paris Saint-Germain v Bayern Muenchen - UEFA Champions League

Plötzlich wieder versöhnt? Edinson Cavani gratuliert Neymar nach dem Treffer 3:0.

(Foto: Bongarts/Getty Images)

Von Claudio Catuogno, Paris

In der Nachspielzeit gab es noch mal Hoffnung für den voyeuristisch veranlagten Teil des Publikums, Neymar führte den Ball am Fuß, er war bereits im Bayern-Strafraum - da würde sich doch jetzt noch ein Münchner finden lassen, der ihm ein Bein stellt ... Aber dann war der Ball auch schon weggeschlagen, die letzte Chance dahin. Kein Elfmeter, den ganzen Abend nicht. Das derzeit größte Rätsel von Paris Saint-Germain: Es blieb also ungelöst.

Es ist ja derzeit völlig unmöglich, dem Wunder- respektive Monster- respektive 466-Millionen-Euro-Sturm von PSG, also Neymar, Edison Cavani und Kylian Mbappé, bei der Arbeit zuzusehen, ohne an die schwelende Elfmeter-Affäre zu denken. "L'affaire du penalty", seit Tagen ist sie das große Thema in Frankreichs Sportmedien. Wer würde für Paris einen Elfmeter schießen, wenn es denn einen gäbe - Neymar oder Cavani?

Eine auf den ersten Blick eher kleine Frage, die sehr groß geworden war, weil PSG-Vorstandschef Nasser Al-Khelaifi versucht haben soll, dem Uruguayer Cavani dessen offenbar vertraglich verbrieftes Elfmeter-Vorrecht (!) abzukaufen - um es Neymar zuzuschanzen. Seiner neuesten Attraktion. Was so was kosten soll? Eine Millionen Euro, heißt es. Aber Cavani hat abgelehnt ("Da geht es auch um Würde"); Neymar ist gekränkt; in der Kabine soll es zwischen den beiden recht ungemütlich zugehen; Neymar soll sogar Cavanis Verkauf gefordert haben. Ach herrje, was war da nicht alles an unschönen Details an die Öffentlichkeit gespült worden in den letzten Tagen, sehr zum Missfallen des baskischen Trainers Unai Emery, der aber auch keine Autorität ausstrahlte mit seiner Bloß-keinem-wehtun-Handlungsanweisung: "Der, der sich bereit fühlt, soll schießen."

Cavani schoss 49 Tore in einer Saison

Der Uruguayer Cavani ist der Platzhirsch in der Geschichte, seit vier Jahren im Klub, 49 Tore in allen Wettbewerben allein in der letzten Saison. Neymar ist neu im Revier. Beim 2:0 kürzlich gegen Lyon hatten die beiden sich öffentlich um die Ausführung eines Elfmeters gestritten, seither läuft "l'affaire du penalty", und natürlich ist das mehr als nur die Geschichte zweier selbstbewusster Kindsköpfe, die sich im Sandkasten gegenseitig das Schäufelchen wegnehmen. Mehr Symbolik ginge ja kaum: Da versammelt PSG nach dem viel strapazierten Grundsatz "Geld schießt Tore" mit Unmengen Petrodollars die größten Künstler des Planeten im Kader - aber dann endet alles im großen Eitelkeitsclinch. Geld streitet sich vor dem Tore ...

Aber nach diesem 3:0 (2:0) gegen die Bayern, bei dem Neymar glänzte und traf, Cavani immerhin traf und auch der dritte im Bunde, der erst 18-jährige und bemerkenswert uneitle Kylian Mbappé, auf sich aufmerksam machen konnte als präziser Vorlagengeber, lautet die Botschaft eher: Es sind genug Tore für alle da. Dass aber Neymar trotzdem alles überstrahlt, damit müssen die anderen zwei leben.

Das ist ja auch eine Frage: Was muss einer auf dem Platz veranstalten, der ein Preisschild mit 222 Millionen Euro mit sich herumträgt? Für die Summe hatten die katarischen PSG-Besitzer den Brasilianer im Sommer beim FC Barcelona ausgelöst. Gegen die Bayern war Neymar unumstritten der auffälligste Spieler. Vor allem Joshua Kimmich hat das zu spüren bekommen, der Rechtsverteidiger der Bayern. Dass er sich im Eins-gegen-Eins gegen den Brasilianer würde bewähren müssen, dass war Kimmich klar gewesen. Aber dass er diesen Neymar auch bei Angriffen der Bayern im Nacken hatte, dass Neymar den armen Kimmich bis an die eigene Grundlinie verfolgte - das war nicht zu erwarten gewesen von einem, der als Diva gilt.

Und dann jubeln Cavani und Neymar gemeinsam

Und die Offensiv-Show begann schon in der zweiten Minute, als Neymar an mehreren Bayern vorbei zog, und, tja: Was eigentlich? Den Ball im Rücken des Rivalen Cavani nach innen legte? Nein, das wäre eine Unterstellung: Er sah eben den besser postierten Dani Alves, der nur einschieben musste zur Führung der Pariser.

Aber es war zunächst schon so, dass das Publikum die Interaktionen in der PSG- Offensive nach Anzeichen fortschreitender Zerrüttung absuchte. Etwa der Torjubel nach Cavanis 2:0: Der Uruguayer, wie er zur Seitenlinie lossprintet, während der unbeteiligte Neymar erst mal abstoppt, wartet, bis er Mbappé abklatschen kann, von dem der Pass kam. Wie denn beide, Neymar und Cavani, in unterschiedlichen Jubeltrauben feststecken und erst ganz zum Schluss für eine angedeutete Umarmung zueinanderfinden. Heißt das schon was? Wird das nichts mehr? Immerhin hatten Ballstatistiker beobachtet, dass es zuletzt kaum mehr Passspiel gab zwischen den beiden, was beunruhigend klang.

Insofern lohnt sich jetzt ein Blick in die 37. Minute, mal wieder ein weiter Pass auf Neymar, der legt ab mit der Hacke - auf Cavani. Kein Tor. Aber danach legt Neymar einen beachtlichen Fußmarsch zurück, um den Rivalen abzuklatschen. Womöglich ein Friedensangebot. Und so geht es weiter: 63. Minute, diesmal trifft Neymar zum 3:0 (Vorlage: Mbappé) - und Cavani greift dem Rivalen so beherzt in den Nacken, dass man vermuten muss, es könne tatsächlich Liebe sein.

Neben ein paar aus Münchner Sicht eher beunruhigenden Botschaften hatte dieses Spiel in Paris also auch eine geradezu universelle parat: Versöhnung ist möglich. Immerhin das.

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