Neymar bei der Copa América:Brasiliens Fußballprinz verbockt es selbst

Group C - Brazil vs Colombia

Während Neymar (ganz links) von seinen Leuten vom Platz geschubst wird, zeigt ihm Schiedsrichter Enrique Osses die Rote Karte hinterher.

(Foto: dpa)
  • Wieder spielt Kolumbien Schicksal: Bei der WM vor einem Jahr noch schwer gefoult, fliegt Neymar bei der Copa América vom Platz und Brasilien verliert.
  • Kurz zuvor wird eine neuerliche Klage gegen ihn und den FC Barcelona bekannt.
  • Der brasilianische Investitionsfonds DIS behauptet, beim Wechsel Neymars von Santos nach Spanien 40 Prozent Anteile am Spieler gehalten zu haben. Es geht um 40 Millionen Euro.

Von Thomas Hummel

Neymar está fora da Copa. O pesadelo. Neymar ist raus aus der WM. Der Albtraum.

Knapp ein Jahr ist es her, dass Brasilien diesen Schock erlebte. Der Fußballprinz des Landes schreiend im Gras liegend, auf der Trage hinausgetragen, geradewegs ins Krankenhaus. Bruch des Querfortsatzes des dritten Lendenwirbels bedeutete das WM-Aus. Ohne ihn taumelten die Kollegen im Halbfinale ins 1:7 gegen Deutschland, das das Land so schnell nicht verdauen wird.

Neymar está fora da Copa? Noch ist es nicht so weit bei der jetzt laufenden Copa América. Aber fast.

Wieder spielte Kolumbien Schicksal für Neymar, für ganz Brasilien. Im Viertelfinale der WM hatten sich die Nachbarn einen überharten Kampf geliefert, unterstützt von einem seltsam passiven Schiedsrichter. All dies hatte im brutalen Einsteigen von Kolumbiens Juan Zúñiga gegen Neymar gemündet. Immerhin hatte Brasilien gewonnen, wenngleich seinen besten Spieler verloren. Am Mittwoch in Santiago de Chile ging es "nur" um ein Gruppenspiel bei der Kontinental-Meisterschaft - doch diesmal verlor Brasilien das Spiel und Neymar. Nach dem 0:1 zettelte er noch auf dem Spielfeld eine Rangelei an, setzte zu einem Kopfstoß gegen einen Kolumbianer an und sah Rot.

Juan Zúñiga, der Foulspieler vom WM-Viertelfinale und damalige Staatsfeind Brasiliens, war diesmal nicht der Bösewicht. Im Estadio Monumental verbockte es der 23-jährige Neymar schon selbst. Er spielte schwach, stritt ständig mit dem Schiedsrichter, übersah besser postierte Mitspieler. Er vergab eine sehr große Kopfballchance, lenkte den Abpraller mit der Hand Richtung Tor, was ihm von Schiedsrichter Enrique Osses aus Chile die gelbe Karte einbrachte. Die hätte schon gereicht, um das Gruppenfinale gegen Venezuela zu verpassen, es war seine zweite Verwarnung im Turnier.

Ohne die Impulse des Kapitäns wirkten die Brasilianer verkrampft, ideenlos, hilflos. Die einzige Chance in der zweiten Halbzeit zum Ausgleich resultierte aus einem schlimmen Rückpass der Kolumbianer, der Hoffenheimer Firmino schoss den Ball aber über das leere Tor. Dabei hatte die Seleção seit dem WM-Desaster mit ihrem neuen Trainer Dunga alle elf Spiele gewonnen. Eine fast historische Serie.

Kolumbien dominierte über Juan Cuadrado vom FC Chelsea und James Rodríguez von Real Madrid die Partie und kam verdient zur Führung. Nach einer Ecke schoss Jeison Murillo ein (36.). Brasilien spielte wie so oft in den vergangenen Jahren auf Konter, doch der Zielspieler Neymar wirkte fahrig. Hatte er im ersten Gruppenspiel seine Mannschaft gegen Peru mit einem Tor und einem genialen Pass in der Nachspielzeit gerettet, "war er diesmal nicht ganz bei sich", wie Trainer Dunga erklärte.

Was war mit Neymar bloß los?

Die Brasilianer rätseln nun, was mit Neymar los war - und kommen zu dem Schluss, dass die Meldung von einem weiteren Gerichtsverfahren wegen seines Wechsels vom FC Santos zum FC Barcelona vor zwei Jahren der Grund sein müsse. Am Dienstag hatte der Nationale Gerichtshof Spaniens einer neuen Klage gegen den Klub und Neymar stattgegeben. Der Strafantrag sei vom brasilianischen Investitionsfonds DIS gestellt worden, berichteten spanische Medien unter Berufung auf Justizkreise.

DIS, das nach eigenen Angaben Anteile von 40 Prozent am Spieler hielt, wirft Neymar, dem Vater des Profis, dem FC Barcelona, den Ex-Klubchefs Sandro Rosell und Josep Maria Bartomeu sowie auch dem FC Santos Betrug und Korruption vor. Das Unternehmen fordere 40 Prozent der Ablösesumme, rund 40 Millionen Euro, heißt es.

Wegen Steuerhinterziehung rund um den Wechsel wird bereits ermittelt. Die Aufklärung des Falles beschäftigt Barcelona und die Justiz seit Monaten. Unter dem Druck der Ermittlungen hatte der Klub die zunächst auf 57 Millionen Euro bezifferte Ablöse auf 86,2 Millionen Euro deutlich nach oben korrigiert und zugleich eine zusätzliche Steuerschuld von 13,5 Millionen Euro gegenüber dem spanischen Fiskus eingeräumt.

Trainer Dunga schützte in Santiago seinen Spieler: "Wir sind Menschen, wir können die Dinge, die in unserem Leben passieren, nicht immer ausblenden." Während der Saison in Barcelona hatte ihn die Geschichte kaum beeinflusst. Neymar war Teil des 122-Tore-Sturms mit Luis Suárez und Lionel Messi, der Klub holte zum zweiten Mal nach 2009 das Triple aus Meisterschaft, Pokal und Champions League. Doch zurück in der Heimat läuft es nicht wie gewünscht. Was auch daran liegen könnte, dass selbst ein Neymar nicht auf Dauer die erheblichen Schwächen der Seleção verdecken kann.

Schwächelt Neymar, taumelt Brasilien. Kolumbiens Trainer José Pekerman ließ den Stürmer robust markieren, oft von mehreren Spielern. Das blockierte das brasilianische Spiel und nervte Neymar merklich. Dunga klagte später, seine Spieler hätten sich zu sehr von den Kolumbianern provozieren lassen. Die Klagen richteten sich auch gegen den Schiedsrichter. Der habe das Spiel nicht im Griff gehabt und so die Spieler nervös gemacht, erklärte Dunga. Rechtsverteidiger Dani Alves schimpfte, dass die Brasilianer es nicht gewohnt seien, alle gegen sich zu haben - auch die Schiedsrichter. Neymar selbst urteilte: "Sie wenden die Regeln gegen mich an."

Gegen Peru hatte er die gelbe Karte gesehen, weil er den Freistoßschaum des Schiedsrichters weggewischt hatte. Die Verwarnung wegen des Handspiels gegen Kolumbien war umstritten. Der (wenngleich verfehlte) Kopfstoß nach dem Spiel gegen Murillo allerdings nicht. Der Kolumbianer Carlos Bacca schubste Neymar danach rüde weg, auch er sah Rot.

In der Gruppe C der Copa América liegt Brasilien nun mit drei Zählern punktgleich mit Kolumbien und Venezuela an der Spitze. Am Donnerstagabend folgt das Spiel Venezuela gegen Peru, am Sonntag das Gruppenfinale mit Kolumbien gegen Peru und Brasilien gegen Venezuela. Neymar wird dann auf jeden Fall fehlen, vermutlich auch im Viertelfinale. Brasilien muss knapp ein Jahr nach der 1:7-Demütigung in Belo Horizonte zeigen, dass es ohne seinen Prinzen ein wichtiges Fußballspiel gewinnen kann.

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