Zirkus um Neymar:Eine Transfer-Telenovela erzeugt Flurschaden

Zirkus um Neymar: Ici, c'est Paris! Hier ist Paris! Und Neymar ist zu seinem großen Bedauern immer noch da ...

Ici, c'est Paris! Hier ist Paris! Und Neymar ist zu seinem großen Bedauern immer noch da ...

(Foto: Franck Fife/AFP)
  • Der Brasilianer Neymar bleibt in Paris. Ein Wechsel zum FC Barcelona kommt nicht zustande.
  • Es ist das Ende einer Transfer-Telenovela, bei der nicht ganz klar ist, welche Partei was genau wollte.
  • Ob Neymar nun in Paris wieder Fuß fasst, hängt sehr von Trainer Thomas Tuchel ab.

Von Javier Cáceres

Seit dieser Woche ist der brasilianische Stürmer Neymar im Kreise derer, mit denen er sich am wohlsten fühlt, im Kreise der Kollegen der brasilianischen Seleção. In Miami, USA, bereitet sich der frisch gekürte Sieger der Copa América auf zwei Freundschaftsspiele vor, gegen Kolumbien und Peru. Dass Neymar von Brasiliens Nationaltrainer Tite berufen wurde, war für viele überraschend: Neymar ist der einzige Spieler aus Brasiliens Kader, der in dieser Saison nicht eine Pflichtspielminute auf dem Tacho hat, überdies die meiste Zeit des Kalenderjahres verletzt war.

Neymar trainiert zwar schon seit Ende Juli mit der Mannschaft von Paris Saint-Germain, doch weil er sehr abwanderungswillig war, wurde er nicht eingesetzt. Sein Arbeitgeber wollte vermeiden, dass die seit Monaten währende Transfer-Telenovela um den Brasilianer ein ähnliches Ende nimmt wie jene rund um Manchester Citys Stürmer Leroy Sané und den FC Bayern - der Millionenflirt endete erst, als Sané in einem Pokalspiel das Kreuzband riss.

In der Nacht zum Dienstag schloss das Sommer-Transferfenster, erst seither steht endgültig fest: Neymar muss in Paris bleiben. Doch ob man den deutschen PSG-Trainer Thomas Tuchel dazu beglückwünschen kann, weiter auf einen der talentiertesten Fußballer des Planeten zählen zu können, darf bezweifelt werden.

Icardis Ehefrau und umtriebige Managerin Wanda kommt auch mit

Schon in der Vorsaison verlangten die Ego-Schlachten im Pariser Prominententeam von Tuchel Geduld und Feingefühl eines UN-Blauhelms ab. Nicht selten war Neymar mittendrin. Zu moderieren war unter anderem ein herber, verbaler Konflikt von Neymar mit dem deutschen Nationalspieler Julian Draxler. Nun dürfte sich das Klima noch einmal verschärfen.

Denn: PSG gab am Montag bekannt, dass der argentinische Stürmer Mauro Icardi von Inter Mailand ausgeliehen wurde. Das ist unter sportlichen Aspekten interessant, unter Soap-Aspekten noch viel mehr: Icardis Ehefrau und umtriebige Managerin Wanda kommt ja mit. Ein kleiner Vorgeschmack darauf, was das bedeutet, war schon am Montag zu sehen: Der frühere Barça-Stürmer Maxi López postete auf Instagram ein Foto mit Neymar, seinem "Bruder", wie er schrieb. Maxi López, muss man dazu wissen, ist der Mann, dem Icardi nach gängiger Deutung die Frau, also Wanda, ausspannte.

Weit interessanter dürfte kurzfristig das Verhältnis Neymars zu einem anderen Personenkreis sein - zu den katarischen Eignern von PSG. Neymar ist sich sicher, dass sie seinen Wunsch torpedierten, zum FC Barcelona zurückzukehren.

Zur Erinnerung: Neymar war im Sommer 2017 für eine Ablöse von 222 Millionen Euro nach Paris gewechselt. Seither hat er nicht annähernd die Erwartungen erfüllen können, die in ihn gesetzt worden waren. Umgekehrt kam er seinem Traum, Weltfußballer zu werden, in Paris nicht näher. Im Gegenteil: In beiden Spielzeiten verpasste er wegen Verletzungen die entscheidenden Saisonphasen. Bei Lichte betrachtet war sein Marktwert im Vergleich zu 2017 in diesem Sommer also gesunken. Gute Voraussetzungen, um zu gehen. Dachte er. Und siehe: Nachdem Neymar intern erklärt hatte, PSG verlassen zu wollen, und das auch hin und wieder durch ein streikverdächtiges Pensum beim Training dokumentierte, statteten die katarischen Eigner den Klubpräsidenten Al-Khelaifi und PSG-Manager Leonardo mit dem Mandat zum Verkauf aus. Aber: Um jeden Preis wollten sie Neymar nicht verkaufen. Die PSG-Eigentümer verlangten einen Mindesterlös von 250 Millionen Euro.

Wie ernsthaft verhandelte Barcelona überhaupt?

Damit war die Operation im Grunde tot. Erstens, weil es ein Preis war, der sogar in einem entrückten Markt irrwitzig anmutet. Zweitens, weil der aussichtsreichste Bieter, der FC Barcelona, nahezu pleite ist. Um den französischen Weltmeister Antoine Griezmann für 120 Millionen Euro bei Atlético Madrid abzulösen, musste ein Kredit aufgenommen werden. Und drittens, weil die Beziehungen zwischen Katar und PSG einerseits sowie Barça andererseits denkbar schlecht sind. In Doha trägt man dem Barça-Präsidenten Josep Maria Bartomeu nach, sich nicht deutlich genug vor den früheren Barça-Sponsor Katar gestellt zu haben, als das Emirat wegen Menschenrechtsverletzungen und angeblicher Terrorfinanzierung in die Kritik geriet.

All das ließ Spekulationen ins Kraut schießen, den Transfer zu einem Krimi anwachsen, mit einem Heer an Agenten und dem einen oder anderen Doppelagenten. So hatte Real Madrid, wie aus Kreisen verlautet, die mit den Verhandlungen vertraut waren, nicht nur einen Emissär in Paris sitzen, um einzugreifen. Sondern auch einen mächtigen, europäischen Spieleragenten gebeten, ein Szenario zu entwickeln, um Neymar zu Real zu lotsen. Doch die Frage, die offen ist: Geschah das nur, um den Preis für Barcelona hochzutreiben? Neymar jedenfalls ließ kaum Zweifel daran, nur nach Barcelona zu wollen.

Die andere ungeklärte Frage: Wie ernsthaft verhandelte Barcelona überhaupt?

Barça bot Spieler zur Verrechnung an - ohne diese zu fragen

Stutzig machte viele Beobachter, dass Barça gegenüber den Medien kaum Diskretion walten ließ, sondern so gut wie jede Verhandlung mit PSG nachgerade "telegrafierte". Wollte man bewusst Publicity erzeugen, um Kapitän Lionel Messi zu zeigen: Wir haben alles probiert? Er soll sich intern für Neymars Rückkehr ausgesprochen haben - und dürfte nun enttäuscht sein. Doch sein mögliches Grollen ist möglicherweise nichts im Vergleich zum Flurschaden, den die Verhandlungen in anderen Teilen der Barcelona-Kabine anrichteten.

Denn: Um den Preis zu drücken, den man bar für Neymar zahlen sollte, bot Barça Spieler zur Verrechnung an - ohne diese zu fragen. Es geschah, was geschehen musste: Die Verteidiger Todibo und Semedo, Mittelfeldspieler Ivan Rakitic und Stürmer Ousmane Dembélé lehnten die Optionen mehr oder weniger entrüstet ab; Coutinho zog es vor, sich an den FC Bayern verleihen zu lassen, anstatt Tauschobjekt zu werden. Der Transfer platzte, Neymar machte eine neue Erfahrung, wie die Folha de São Paulo am Dienstag schrieb: "Mit 27 Jahren hört Neymar erstmals ein Nein."

Ob dieses Nein eine pädagogische Wirkung entfaltet, diesen eigensinnigen, hochbegabten Profi zur Räson bringt, der beim PSG-Anhang komplett unten durch ist?

Die PSG-Vereinsführung versucht seit vorletzter Woche, so etwas wie eine Versöhnung herbeizuführen. Insgeheim gibt es die Hoffnung, Neymar könnte sich gar öffentlich zu PSG bekennen. Nun ruhen alle Hoffnungen auf Trainer Tuchel: Er hat sich einen guten Draht zu Neymar bewahrt. Er muss sich um die Resozialisierung des Brasilianers bemühen - und hoffen, dass der nicht schon im Winter wieder wegwill.

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