Newcastle United in der Premier League:Steinreich und trotzdem Drittletzter

Newcastle United in der Premier League: Kieran Trippier (re.) ist einer der Neuen bei Newcastle United - doch auch er kämpft mit dem Klub gegen den Abstieg.

Kieran Trippier (re.) ist einer der Neuen bei Newcastle United - doch auch er kämpft mit dem Klub gegen den Abstieg.

(Foto: Ian MacNicol/Getty)

Durch die Millionen aus Saudi-Arabien gilt Newcastle nun als wohlhabendster Klub der Welt. Doch die erste Transferperiode zeigt: Vorerst kommen für sehr viel Geld nur mittelmäßige Zugänge - und es droht eine Peinlichkeit.

Von Sven Haist, London

Hätte die Winterwechsel-Periode noch etwas länger gedauert, dann wäre vermutlich der Fortbestand des Transfermarkts gefährdet gewesen. Zwar vermittelte der internationale Fußballhandel zuletzt den Eindruck, unverwüstlich zu sein, mit reichlich Angebot und Nachfrage trotz aller Corona-Umsatzeinbußen. Allein in England wurden jetzt im Januar rund 350 Millionen Euro umgesetzt, der zweithöchste Betrag nach 2018.

Allerdings schien Newcastle United drauf und dran zu sein, jeden Spieler der Welt zu verpflichten - und damit vom Markt zu nehmen. Ununterbrochen kursierten Spekulationen über Zu- und Absagen beim einerseits neureichen, andererseits wachsend verzweifelt gegen den Abstieg kämpfenden Klub aus der Premier League. Und das Erstaunliche an den Gerüchten war: Meist stimmten sie.

Vermutlich wäre ein monopolartiger Einkauf von Fußballprofis sogar die erfolgversprechendste Strategie für Newcastle, denn aufs Geld kommt es dort wirklich nicht mehr an, seit im Oktober der Einstieg des saudischen Staatsfonds (mit Kronprinz und De-facto-Herrscher Mohammed bin Salman an der Spitze) als Klub-Mehrheitseigner vollzogen wurde. Der Umfang des am Persischen Golf gelagerten, stark im Wert steigenden Geldspeichers wird aktuell auf rund eine halbe Billion Euro taxiert. Damit ließen sich durchaus alle Kicker des Planeten erwerben, sofern sie auf diese Art erhältlich wären.

Nicht jeder Profi will derzeit zu Newcastle United

Doch die Realität ist: Nicht jeder angefragte Profi will im Augenblick zum Drittletzten der Premier League kommen, schon gar nicht Fußballer, die um Titel spielen wollen oder die verheerende Menschenrechtslage in Saudi-Arabien kritisieren. Da helfen auch nicht die vagen Beteuerungen der englischen Liga, "rechtlich bindende Zusicherungen" erhalten zu haben, dass United nicht unter Kontrolle des autokratischen Wüstenstaats stehe. Das neue Kunstprodukt wird weltweit als Sportswashing getadelt.

Dennoch ist es Newcastle in den letzten Tagen des Transfer-Januars gelungen, fünf neue Spieler für seinen maroden, überalterten Kader zu präsentieren. Die Suche nach Verstärkungen zog sich in die Länge, weil potenziell liefernde Vereine versuchten, die Preise in die Höhe zu treiben, um sportliche Not und Reichtum des Rivalen auszunutzen.

Der Plan ging auf: United verlor bei der Feilscherei die Nerven und bezahlte letztlich in etwa, was aufgerufen wurde - mehr als 100 Millionen Euro für vier Profis und einen Leihspieler, alleine 42 Millionen für den brasilianischen Mittelfeldspieler Bruno Guimarães, 24, von Olympique Lyon. Er ist nun nach Landsmann Joelinton, der 2019 für 44 Millionen Euro aus Hoffenheim kam, der zweitteuerste Transfer der United-Geschichte.

Zuvor löste Newcastle den in die Jahre gekommenen Rechtsverteidiger Kieran Trippier, 31, für 15 Millionen Euro bei Atlético Madrid aus - sowie den beim Abstiegskonkurrenten Burnley angestellten Angreifer Chris Wood. Für den auch schon 30-jährigen Neuseeländer (bisher: drei Saisontore) war United bereit, den Ausstiegsklausel-Wucherpreis von 30 Millionen Euro zu berappen. Das Kalkül dieses Transfers war, den bis Ende Februar ausfallenden Stoßstürmer Callum Wilson zu ersetzen und zugleich den Rivalen Burnley zu schwächen. Doch der Kraftakt könnte eher das Gegenteil bewirkt haben, weil Burnley - für rund die Hälfte des Geldes - als Ersatz den stärker eingeschätzten Torjäger Wout Weghorst aus Wolfsburg holte.

Wout Weghorst wechselt zu Burnley, Newcastles Konkurrent

Weil Newcastles Werben um mehrere namhafte Profis misslang, geriet Klubdirektorin Amanda Staveley in Bedrängnis. Sie fädelte den Deal mit den Saudis ein und führt die Klubgeschäfte mit ihrem Gatten Mehrdad Ghodoussi, denn formal agiert Newcastle ohne Geschäftsführer und Sportdirektor. Doch mehr als zwei weitere teure Last-Minute-Verpflichtungen - Innenverteidiger Dan Burn (15 Millionen, aus Brighton) und Linksverteidiger Matt Targett (von Aston Villa geliehen) - konnte United nicht mehr realisieren.

Beide Spieler sollen Newcastles poröse Abwehr (43 Liga-Gegentore) stärken, sie waren bei ihren alten Klubs jedoch ersetzbar geworden. Burn verpasste wegen Verletzungen in dieser Saison fast die Hälfte der Spiele, Targett wurde bei Villa der von Everton gekaufte Lucas Digne vor die Nase gesetzt. Die Times schrieb über Newcastles verzweifelte Aktivitäten, der Klub habe zwar "enorm viel Geld" ausgegeben - sei aber trotzdem "frustriert".

Uniteds aktuelle Investitionsoffensive folgt der simplen Rechenlogik, dass die horrenden Ausgaben noch immer weniger schlimm wären als die Peinlichkeit, als weltweit wohlhabendster Verein in Englands zweite Liga (Championship) abzurutschen. Doch was passiert, wenn Newcastle trotz der Prasserei in dieser Saison die Kurve nicht mehr kriegt? Die Fallhöhe ist durch die finanziellen Anstrengungen nochmals gestiegen, dabei ist keinesfalls garantiert, dass die Mannschaft von Trainer Eddie Howe, 44, dem bisher nur zehn Punkte in zehn Spielen gelangen, jetzt besser dasteht.

Vor den wohl wegweisenden Spielen gegen Everton (16.) und Aston Villa (11.), die in der Tabelle ebenfalls zur unteren Hälfte gehören, geht es für Newcastle erst mal um die Integration der Zugänge. Und weil niemand United verlassen hat, herrscht plötzlich ein Überangebot an Spielern, das die Teamhierarchie wohl ebenso belastet wie das neue Gehaltsgefüge. Die gerade Geholten dürften signifikant mehr verdienen als der Rest der Belegschaft. Der Voreigentümer Mike Ashley galt als sparsam und als Freund eher niedriger Löhne - nun jedoch wurden vor allem Trippier, Wood und Guimarães mit Gehaltserhöhungen geködert.

Während das Transfergeschacher die Schlagzeilen beherrschte, blieb Newcastle zumindest bei seiner einwöchigen Januar-Stippvisite in Saudi-Arabien weitgehend ungestört. Das von Amnesty International als "weitere PR-Option für die saudischen Behörden" gerügte Trainingscamp in Dschidda am Roten Meer war der erste Besuch des Teams bei den neuen Anteilseignern.

Während des Aufenthalts, von dem Medien ausgeschlossen waren, soll der als saudischer Statthalter fungierende Klubvorsitzende Yasir Al-Rumayyan dem Team seine Vision für Uniteds Zukunft vorgestellt haben. Die Ironie dabei: Der Großteil der anwesenden Spieler wird auf Sicht im Verein wohl keine Perspektive mehr haben - selbst viele derjenigen nicht, die soeben erst verpflichtet wurden.

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