Newcastle in der Premier League:Elstern im Sinkflug

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Bruno Guimaraes und Newcastle United kommen in der Premier League nicht recht voran – gegen Jannik Vestergaards Leicester City gab es immerhin mal wieder einen Sieg. (Foto: Ed Sykes/Sportsphoto/Imago)

Noch vor einem Jahr versprachen Newcastle Uniteds Eigentümer aus Saudi-Arabien, den Klub an die europäische Spitze zu führen. Von diesem Vorhaben sind die Magpies inzwischen weit entfernt – und der Anhang ist spürbar unzufrieden.

Von Sven Haist, London

Newcastle United nahm die offizielle Vergabe der Fußball-WM 2034 nach Saudi-Arabien am vergangenen Mittwoch überraschend kommentarlos hin. Obwohl sich der Verein seit drei Jahren im Besitz des saudischen Public Investment Fund (PIF) befindet und von mehreren saudischen Staatsfirmen gesponsert wird, gab es keinerlei Eintrag dazu auf den Klubkanälen. Nur der frühere Miteigner Mehrdad Ghodoussi, der bis zum Sommer an der Seite seiner Frau Amanda Staveley das Tagesgeschäft verantwortet hatte, publizierte eine Glückwunschnachricht mit Bild des saudischen Kronprinzen Mohammed bin Salman. Er wisse um die Bedeutung des Fußballs für das Königreich und sei zuversichtlich, dass die Saudis „alles daransetzen“ würden, eines der besten Turniere aller Zeiten zu organisieren, so Ghodoussi.

Die Zurückhaltung des Vereins dürfte auch daran gelegen haben, dass die Newcastle-Fans derzeit nicht unbedingt gut auf ihre Eigentümer zu sprechen sind. Denn sie haben den Eindruck, den Saudi-Funktionären sei gerade mindestens die eigene Fußball-WM wichtiger als ihr Klub.

Seit dem Saisonauftakt hängt Newcastle im Tabellenmittelfeld der Premier League fest. Das 4:0 gegen Aufsteiger Leicester City am Samstag war erst der dritte Ligasieg seit September. Diesem wohnte zudem mehr Wiedergutmachung als Aufbruchsstimmung inne: In der Vorwoche hatte Newcastle ein Debakel in Brentford erlebt (2:4). Das Team des beliebten Trainers Eddie Howe spielt in den Augen der stolzen Anhängerschaft auch aufgrund mangelnder Fürsorge des Managements etwas zu ambitionslos vor sich hin. Manch einer fühlt sich schon zurückerinnert an die miserable Epoche unter dem umstrittenen Vorbesitzer Mike Ashley, der den Verein vor allem als Gratiswerbefläche für sein Sportartikelimperium nutzte.

Unter den neuen Vorsitzenden aus Saudi-Arabien gleicht Newcastle einem Fußballsatelliten in Europa. Allerdings ist dessen Verwendung nicht recht ersichtlich. Nach der Übernahme des damals stark abstiegsgefährdeten Vereins gab das saudische Management in den folgenden anderthalb Jahren knapp eine halbe Milliarde Euro für Spielertransfers aus. Die Magpies (Elstern) flogen sofort die Tabelle hinauf und qualifizierten sich für die Champions League, wo man in der Vorsaison in der Gruppenphase unglücklich scheiterte. Seinerzeit gab Yasir al-Rumayyan, der den PIF verwaltet und Chairman des Klubs ist, auf der Vereinsseite die Ambition aus, Newcastle solle in Zukunft die „Nummer eins“ werden.

Doch von diesem Vorhaben ist der Klub inzwischen weiter entfernt als damals – auch weil er tatsächlich ausgebremst worden ist. Als Reaktion auf den PIF-Geldspeicher, der auf ein Gesamtvolumen von knapp einer Billion Dollar taxiert wird, verschärfte die Premier League auf Drängen der Konkurrenz die Finanzregeln. Diese erlauben nur einen operativen Verlust von maximal 105 Millionen Pfund über drei Jahre hinweg, sonst drohen Punktabzüge. Zudem müssen Sponsorengeschäfte mit Firmen aus dem Umfeld der Besitzer immer marktgerecht sein. Kürzlich gab der Trainer Howe zu, die Einnahmequellen des Vereins seien nicht auf dem Niveau angelangt, wo man sie zu diesem Zeitpunkt eigentlich haben wollte. Hoffentlich sei man deshalb nicht gezwungen, alsbald Spieler zu verkaufen, so Howe. Seit einiger Zeit halten sich die Gerüchte um einen Abgang des Mittelfeldstrategen Bruno Guimarães.

Bereits im Sommer musste United kurz vor Bilanzstichtag die Talente Elliot Anderson und Yankuba Minteh für 75 Millionen Euro veräußern, um nicht gegen die Ligastatuten zu verstoßen. Im Gegenzug holte Newcastle nur drei Profis, darunter den bisher nur einmal im EFL-Cup eingesetzten Torwart Odysseas Vlachodimos. Diese ernüchternde Transferbilanz dürfte auch den massiven Umstrukturierungen in der Führungsetage zugrunde liegen. Im Februar 2024 wurde bekannt, dass Sportchef Dan Ashworth zu Manchester United wechseln möchte. Der Klub stellte diesen daraufhin bei Fortzahlung des Lohns frei. Nach der Saison erhielt Ashworth die Freigabe und ging nach Manchester, wo sein Vertrag kürzlich wieder aufgelöst wurde.

Der PIF-Fonds schien seine Ausgaben im Ausland zuletzt zurückzufahren

Als Ersatz engagierte Newcastle den Engländer Paul Mitchell, der einst auch für RB Leipzig tätig gewesen war. Ebenso wird sich der Geschäftsführer Darren Eales, 52, zurückziehen, nachdem bei ihm eine chronische Form von Blutkrebs diagnostiziert worden ist. Und die Strippenzieherin Staveley, die einst den Deal mit Ashley für die Saudi eingefädelt hatte, wurde angeblich aus dem Klub gedrängt. Es heißt, sie sei den Saudis zu umtriebig geworden. Ihre Klubanteile haben sich jedenfalls der PIF und RB Sports & Media aufgeteilt, hinter dem die Immobilienbrüder Reuben stecken. Hinter vorgehaltener Hand wird gespottet, dass die Erhöhung der PIF-Beteiligung von ungefähr 80 auf 85 Prozent zuletzt das größte saudische Kommittent zu Newcastle gewesen sei.

Unabhängig von den sportlichen Belangen benötigt United dringend eine Modernisierung des Trainingsgeländes und des Heimspielstadions St. James’ Park. Trotz der angekündigten PIF-Bereitschaft für beide Projekte befinden sich diese schon seit vielen Monaten in der Warteschleife. Im Juli verlautbarte Eales zum Beispiel zur durchgeführten Machbarkeitsstudie für das Stadion, dass eine Mitteilung „unmittelbar“ bevorstehe. Doch bis jetzt ist unklar, ob der Klub eine Renovierung der ehrwürdigen Spielstätte oder einen Neubau an anderer Stelle bevorzugt. Die Kosten dafür dürften auch für die Saudi empfindlich sein. In letzter Zeit schien der PIF sein einst fulminantes Investment im Ausland deutlich herunterzufahren.

Saudi-Arabiens Fokus auf die WM 2034 und die damit verbundenen gewaltigen Infrastrukturmaßnahmen könnten sich für Newcastle United in Zukunft also abträglich erweisen – und zugleich wiederum förderlich. Soeben gaben die Saudis ihr Organisationskomitee für das Turnier bekannt. Mit vertreten im Gremium ist Newcastles Boss Yasir al-Rumayyan.

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