New York Marathon:Rückschlag auf der Queensboro Bridge

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In New York verpasst der deutsche Marathonläufer Arne Gabius knapp die Olympianorm für Tokio 2020 - im Frühjahr plant er einen neuen Anlauf.

Von Johannes Knuth, New York/München

Arne Gabius stand in der ersten Reihe, aber man musste schon genau hinschauen, bis man ihn zweifelsfrei ausgemacht hatte. Er war gut verpackt: Sonnenbrille, schwarze Mütze, Handstulpen. Und die pinken Treter seines Ausrüsters an den Füßen, um deren Einfluss auf die Rekordzeiten im Straßenlauf gerade viele Debatten kreisen. Es war Gabius' erster Auftritt in New York, beim bekanntesten Marathon der Welt, nun stand er am Start gleich neben den Favoriten - das lässt auch einen 38 Jahre alten Berufsläufer nicht kalt. Gabius wippte immer nervöser auf und ab, wobei es ihn vielleicht auch nur fröstelte an diesem acht Grad kalten Morgen in New York, an dem es auch darum ging, welche Version des Deutschen man zu sehen bekommen würde.

Der Marathon hat zuletzt derart viele Rekordläufe erlebt, dass man fast vergessen hatte, wie kribbelig sich ein richtiges Rennen anfühlen kann. Also eines, das keinerlei Spuren von Tempomachern und Bestzeitjagden enthält - dafür ein gutes Feld, einen tückischen Kurs und das lärmende New Yorker Publikum. Die diesjährige Auflage war keine Ausnahme: Die Halbmarathon-Weltrekordhalterin Joyciline Jepkosgei aus Kenia schüttelte in ihrem ersten Marathon gleich mal ihre Landsfrau und viermalige New-York-Siegerin Mary Keitany ab, in 2:22:38 Stunden. Bei den Männern setzte sich der Kenianer Geoffrey Kamrowor durch, der nach seinem Halbmarathon-Weltrekord im September nun zum zweiten Mal an der Ostküste triumphierte (2:08:13). Und Gabius, der für den Verein Therapie Reha Bottwartal startet, erlebte ein Rennen, das fast so viele Auf und Abs hatte wie der Kurs durch New Yorks Nachbarschaften. Am Ende schlitterte er als Elfter (2:12:57) knapp an der Qualifikation für die Olympischen Spiele 2020 in Tokio vorbei - und verschaffte seinem Tag nicht ganz die erhoffte große Überschrift, was ihn "zufrieden, aber nicht glücklich" zurückließ.

Wenige Topläufer, schwerer Kurs über Brücken: In New York bot sich dem Hamburger Arne Gabius die Chance auf einen Top-Ten-Platz, am Ende war er Elfter. (Foto: Johannes Eisele/AFP)

New York sei ein sehr spezieller Ort für ihn, hatte Gabius zuvor dem Portal des Deutschen Leichtathletik-Verbandes (DLV) erzählt. Er hatte dort im März 2014 seinen ersten Halbmarathon bestritten, nach sieben nationalen Titeln und einer EM-Silbermedaille auf der Bahn. Nach starken 62:09 Minuten reifte überhaupt erst die Idee in ihm, "es im Marathon zu versuchen". Gabius ist nicht nur einer, der so läuft, wie er sich fühlt; er hat auch kein Problem damit, hohe Ziele auszurufen - und tatsächlich, ein Jahr nach seiner New-York-Expedition riss er schon den deutschen Marathonrekord des Dresdners Jörg Peter an sich, in 2:08:33. Doch der Lauf hinterließ seine Spuren: Die Rio-Spiele 2016 verpasste Gabius wegen Hüftproblemen, die EM 2018 musste er auslassen, die Umfänge im Training zuletzt herunterpegeln, im Herbst seiner Karriere. In Hannover beendete er zwar einen Frühjahrsmarathon, allerdings in mauen 2:14:29.

New York bot ihm da plötzlich eine "einmalige Chance": Zum einen war das Elitefeld hinter Kamrowor ungewöhnlich dünn besetzt - Gabius durfte durchaus auf eine Platzierung unter den besten Zehn hoffen, die bei den großen Stadtmarathons derzeit mit einem Olympia-Startrecht honoriert wird. Zudem könnte er seine Karriere, in der es zuletzt etwas geknirscht und gerumpelt hatte, wieder mit einer schöneren Begleitmelodie unterlegen.

Das Rennen meinte es zunächst gut mit ihm. Das Tempo in der Spitzengruppe war wohltemperiert. Nach zehn Kilometer stieg der erste Großmeister aus - der Äthiopier Lelisa Desisa war aber erst vor 28 (!) Tagen Weltmeister im Glutofen von Doha geworden. Gabius überstand indes die ersten Tempospielchen. Nach ein paar Kilometern warf er die Mütze weg. Den Halbmarathon passierte er bei 64:52 Minuten. Er zeigte sich sogar kurz an der Spitze der Gruppe. Eine der Schlüsselstellen kam aber noch: die lange Queensboro Bridge, auf der es in Ermangelung von Zuschauern ungewöhnlich leise ist für New Yorker Verhältnisse. Dafür wird es umso lauter, sobald die Läufer nach der Brücke von den Zuschauern an der Upper East Side in Empfang genommen werden. "Viele", hatte Gabius beim vorherigen Videostudium gelernt, "laufen in dieser Phase zu schnell".

Als es am Sonntag so weit war, hatte er allerdings andere Sorgen. Er war schon auf der Brücke aus der Spitzengruppe gefallen und steckte in Problemen, denn allzu schnell waren sie vorne noch immer nicht unterwegs. Allerdings fing Gabius sich wieder. Die Vorbereitung in der Höhe und im welligen Terrain machte sich offenbar bezahlt, sein Endspurt auf der schweren zweiten Rennhälfte spülte ihn fast noch unter die besten Zehn, 50 Sekunden fehlten am Ende auf den 23 Jahre alten Uni-Absolventen Connor McMillan. Gabius war mit der fünftbesten Zeit angereist, allerdings war er nicht in der Form, in der er damals seinen deutschen Rekord geschafft hatte. Rang elf war da ein sehr achtbarer Ertrag.

Und jetzt? Bei den deutschen Frauen hatten zuletzt zwei Starterinnen die Tokio-Norm eingereicht, die gebürtige Äthiopierin Melat Kejeta und Katharina Steinruck. Bei den Männern scheiterten bislang alle Versuche, von Philipp Pflieger, Henrik Pfeiffer, Homiyu Tesfaye, nun auch von Gabius. Einen Anlauf wird der angehende Arzt im kommenden Frühjahr noch wagen, sagte er in New York, er wird dann wohl die Normzeit von 2:11:30 Stunden auf einem leichteren Kurs angehen. Im nächsten Jahr soll jedenfalls noch mal eine bessere Version des Marathonläufers Arne Gabius zu sehen sein.

© SZ vom 05.11.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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