New England Patriots:Der Mann in rot

Tom Brady, Brian Hoyer

Warme Hände am malträtierten Arm: Tom Brady äußert sich nach dem Training vor der Presse zu seinem Gesundheitszustand.

(Foto: Bill Sikes/AP)

Seriensieger New England galt vor dem NFL-Halbfinale gegen Jacksonville als klarer Favorit. Doch dann verletzte sich Tom Brady am Wurfarm.

Von Maximilian Länge

"Viel habe ich nicht zu sagen", schrie Jalen Ramsey ins Mikrofon, dann machte er eine Pause. Jubelschreie brandeten auf im nicht besonders gut gefüllten EverBank Field, dem Heimstadion der Jacksonville Jaguars: "Wir kommen in den Super Bowl - und wir werden ihn auch gewinnen." Sinngemäß waren das die wenigen Worte, die der Verteidiger der Jaguars den Fans beim Empfang am Abend nach dem Viertelfinalsieg in den NFL-Playoffs auf den Weg geben wollte. In der Realität war da noch das ein oder andere Schimpfwort untergemischt, sodass der Mitarbeiter aus dem PR-Team, der neben Ramsey stand, ins Schwitzen geriet und ein paar Mitspieler sich das Lachen kaum verkneifen konnten.

Das sind die Jacksonville Jaguars in der Spielzeit 2017/18: Großmäuligkeit, Angriffslust und ein bisschen jugendlicher Leichtsinn. Nach sechs Jahren, in denen das Team nie mehr als fünf Spiele pro Saison gewann, kam der lange herbeigesehnte Durchbruch. Mit zehn Siegen und sechs Niederlagen gewannen die Jaguars ihre Division, die NFC South, besiegten in der ersten Runde der Playoffs die Buffalo Bills mit 10:3 und dann am Tag von Ramseys selbstbewusster Stadiondurchsage die Pittsburgh Steelers mit 45:42.

Nun folgen am Sonntagabend um 21.05 Uhr deutscher Zeit (ProSieben und DAZN) im Halbfinale der Playoffs die New England Patriots und ihr 40 Jahre alter Star-Quarterback Tom Brady. Sie sind nach einer erneut souveränen Saison, der Verschnaufpause in der ersten Runde der Playoffs und einer Machtdemonstration am vergangenen Wochenende gegen die Tennessee Titans (35:14) favorisiert beim Heimspiel im Gillette Stadium in Foxborough. Wäre da nicht ein Fragezeichen.

Brady hatte sich am Mittwoch im Training an der rechten Wurfhand verletzt. Am Donnerstag pausierte er, am Freitag kehrte er auf den Platz zurück, absolvierte jedoch nur Teile der Übungseinheit. Bei der anschließenden Pressekonferenz betrat der Spielmacher den Raum mit roten Handschuhen an beiden Händen, als sei selbst in den Gebäuden auf dem Trainingsgelände der Winter hereingebrochen. Fragen zu seiner Hand beantwortete er nicht, sie wird wohl bis Sonntag kurz vor Spielbeginn ein Mysterium bleiben. Erst als Brady auf den Gegner am Sonntag angesprochen wurde, entwickelte sich die Pressekonferenz zum Dialog. Jacksonville sei eine große Herausforderung, die Defense der Jaguars fantastisch, so der Quarterback.

Keine Abwehr bringt gegenerische Quarterbacks so oft zu Boden wie jene von Jacksonville

Tatsachlich ist es die Verteidigung der Jaguars, unter anderem mit Jalen Ramsey, die den neutralen Zuschauer auf ein spannendes Spiel hoffen lässt. Jacksonvilles Defensivabteilung trägt inzwischen den Spitznamen "Sacksonville", weil das Team den gegnerischen Quarterback öfter zu Boden gebracht, also mehr Sacks geschafft hat, als die historisch guten Tampa Bay Buccaneers im Jahr 2002. Jacksonvilles Verteidigung kassiert weniger Punkte gegen sich als die dominanten Denver Broncos von 2015 und punktet öfter als die legendären Chicago Bears von 1985. Diese Zahlen geben Selbstvertrauen, da kann man seinen Fans schon mal den Titel versprechen.

New England, fünfmal Super-Bowl-Champion in diesem Jahrhundert, dürften gewarnt, aber nicht beeindruckt sein. Sollte aber der Spielmacher ausfallen, wäre die Ausgangslage eine andere. Bradys prädestinierten Nachfolger Jimmy Garoppolo transferierten die Patriots gegen den Willen von Trainer Bill Belichick erst vor wenigen Wochen zu den San Francisco 49ers. Das könnte sich nun rächen.

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