Süddeutsche Zeitung

Neuer Stil des FC Barcelona:Abkehr vom Tiki-Taka

Der neue Trainer Gerardo Martino verordnet Barça einen neuen Stil: Weg vom Kurzpassspiel, hin zum langen Ball. Gegen Rayo Vallecano hat der FC Barcelona erstmals seit 315 Spielen weniger Ballbesitz als der Gegner. Trotz des 4:0-Erfolgs ist die Strategie in der Stadt umstritten.

Unter "Tata" kein "Tiki-Taka" mehr: Mit einem neuen, geradlinigen Stil beherrscht Meister FC Barcelona unter Coach Gerardo "Tata" Martino den spanischen Fußball. Die einstigen Kurzpass-Experten aus Katalonien hatten beim 4:0 im Spiel bei Rayo Vallecano erstmals nach über fünf Jahren und 315 Spielen weniger Ballbesitz als der Gegner.

Das Spiel war dank des Dreierpacks von Pedro aber eine klare Angelegenheit. "Barça war schneller als der Blitz (spanisch: Rayo)", stellte die Zeitung Sport aus Barcelona am Sonntag fest. Nach fünf Runden bleibt das Team ohne Punktverlust Tabellenführer. Schritt hält nur Atlético Madrid, das bei Real Valladolid mit 2:0 gewann.

Im Vallecas-Stadion ging Lionel Messi im 250. Liga-Spiel (221 Tore) trotz starker Leistung leer aus. Dafür machte Pedro vor 12.000 Zuschauern "den Messi". Der Stürmer traf in der 32., 47. und 71., Fàbregas stellte in der 79. Minute den Endstand her. "Peeedrooo!", jubelte das ebenfalls in Barcelona erscheinende Sportblatt Mundo Deportivo groß auf Seite eins. Es war der erste Klub-Dreier des 26-Jährigen.

Dreimal in einem Spiel hatte er zuvor nur beim 4:0 der Nationalelf in Weißrussland im Oktober 2012 getroffen. "Tore geben einem Stürmer natürlich Selbstvertrauen, ich freue mich aber vor allem wegen des Sieges", sagte der Mann des Abends.

Weniger Ballbesitz als der Gegner hatte Barcelona zuletzt am 7. Mai 2008 beim 1:4 im Bernabéu gegen Erzrivale Real Madrid. Seitdem war die Serie selbst beim jüngsten Halbfinal-Debakel gegen Bayern München in der Champions League trotz der 0:7-Gesamtpleite nicht gerissen. Gegen Rayo begnügte man sich nun mit 49 Prozent.

Der neue Stil der Katalanen, der sich schon in den ersten Saisonspielen abgezeichnet hatte, ist nicht unumstritten, zumal das "Tiki-Taka" bei Fans und Medien in Barcelona seit vielen Jahren als eine Art Religion gilt, der man um jeden Preis treu bleiben müsse. Die Gäste hätten zu viele Chancen zugelassen, klagten nach dem 4:0 viele Medien. "Wie hoch werden die Siege ausfallen, wenn das Team wieder gut spielt?", fragte Sport.

Tatsächlich war Torwart Víctor Valdés am Samstag, wie schon beim 4:0-Champions-League-Heimsieg gegen Ajax in der Woche, wieder einer der Besten auf dem Platz. Er parierte seinen zweiten Elfmeter innerhalb von 72 Stunden und glänzte wieder mit tollen Paraden. Der Keeper leitete sogar viele Angriffe mit langen Abschlägen ein.

Die Spielmacher Xavi und Andrés Iniesta haben inzwischen "kleinere" Rollen, sitzen sogar häufiger auf der Bank. Übertreibt es Barça mit den langen Pässen?, wurde Martino nach dem Abpfiff denn auch von Journalisten aus Barcelona gefragt. "Der Gegner war schuld, er spielte sehr gut", sagte der Coach. Seine Profis wollten zum heiklen Thema des neuen Spielstils auch nicht viel sagen. "Wir haben den Gegner überrollt, das ist das Wichtige", so Pedro, und Valdés bat mit den Worten "es wird viel zu viel um die Spielweise geredet" um andere Fragen.

Rayo-Trainer Paco Jémez glaubt derweil die Grundidee Martinos entdeckt zu haben. "Barça lässt dem Gegner mehr Platz zum Atmen, es gibt weniger Pressing. Aber Martino macht das, damit Messi und Neymar frischer sind, wenn sie an den Ball kommen."

Nachdem Real Madrid zuletzt beim 0:0 in Villarreal die ersten Punktverluste hinnehmen musste, bietet vorerst nur noch Atlético Madrid den Katalanen Paroli. In Valladolid trafen Raúl García (56.) und Diego Costa (71.). Für die Madrider Zeitung AS spielt Atlético wie eine "Straßenwalze". An den neuen Stil seines argentinischen Landsmannes Martino will Coach Diego Simeone keine Gedanken verschwenden. "Barça ist die beste Mannschaft der Welt, aber wir kümmern uns nur um uns und um unseren Weg", sagte er.

Auch Amtskollege Bernd Schuster vom FC Málaga war nach dem 0:0 bei Bayer Leverkusens Champions-League-Gruppengegner Real Sociedad San Sebastian zufrieden. "Die Ergebnisse flößen meinen Spielern immer mehr Selbstvertrauen ein", so der Deutsche nach dem fünften Punktgewinn im fünften Spiel.

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dpa/hum
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