Für den Fall, dass es in seinem ersten Spiel als Profi-Trainer am Samstag zumindest zu einem Unentschieden gegen den Rekordmeister Bayern München reichen sollte, haben sich die Boulevardmedien schon einen Spitznamen ausgedacht für Josef Zinnbauer: "Magic Joe" würden sie den neuen Coach des Hamburger SV dann nennen - ganz im Sinne von Franz Beckenbauer, der ja einmal sagte, nur ein Zauberer könne den HSV noch retten.
Die jüngsten Vorgänger Thorsten Fink, Bert van Marwijk sowie der am Montagabend entlassene Mirko Slomka waren offenbar keine Zauberer. Und über Zinnbauer, 44, bisher Chef der unter ihm nur siegreichen zweiten Mannschaft, lässt sich vorerst nur sagen, dass er die neuen Untergebenen laut dirigiert und sie viel üben lässt.
Reise nach Jerusalem mit Hütchenübergabe
Am Mittwoch, seinem ersten Tag als Chef, hat er die Profis in zwei Einheiten drei Stunden über der Rasen gejagt, am Donnerstag dauerte die Lektion 100 Minuten plus Videostudium, und am Freitag wurde unter Ausschluss der Öffentlichkeit gearbeitet. Auffallend war, dass Zinnbauer neben ständigen Unterbrechungen, in denen er Laufwege erklärte, auch für Kurzweil sorgte. Etwa, indem er eine Art Reise nach Jerusalem mit Hütchenübergabe spielte.
Zinnbauer wird aber auch harte Personal-Entscheidungen treffen müssen. Darf René Adler ins Tor zurück anstelle von Jaroslav Drobny? Der neue Boss deutete an, dass Stefan Wächter, der frühere HSV-Keeper und neue Torwarttrainer, bei dieser Entscheidung mitreden wird; beim Training am Donnerstag spielte Drobny im Tor der vermeintlichen A-Elf.
Auch die Frage, ob der von Slomka nicht besonders geschätzte Heiko Westermann anstelle von Johan Djourou oder anstelle des neuen Brasilianers Cleber wieder in die Innenverteidigung rückt, ist offen. Westermanns Vorteil: Er ist ein alter Freund von Zinnbauer. Könnte aber sein, dass der neue Coach ihn gerade deshalb nicht einsetzt, weil er Unabhängigkeit demonstrieren will.
Auch die Besetzung des zweiten Sechsers neben Valon Behrami ist interessant, weil Lewis Holtby (der beim 0:2 in Hannover ein durchwachsenes Debüt an der Seite von Behrami gab) wohl anstelle des verletzten Kapitäns Rafael van der Vaart in die Rolle des Regisseurs schlüpfen soll. Die Entscheidung fällt wohl zwischen Tolgay Arslan und Petr Jiracek, der bisher beim HSV noch kein einziges Mal auf seiner Lieblingsposition im defensiven Mittelfeld spielen durfte.
Interessant auch, wie der selbstbewusste neue Trainer mit großen Namen umgeht. Der WM-Teilnehmer Behrami musste am Mittwoch die letzten Minuten zusehen, weil er nicht engagiert genug bei der Sache war. "Wie man trainiert, so spielt man", ist ein Credo des neuen Chefs, der vor allem eingesetzt wurde, um das Team mental voranzubringen und schon ankündigte: "Wenn es nicht funktioniert, hole ich Spieler aus der U23. Das ist mir völlig egal."
Gegen die Bayern, "die beste Mannschaft der Welt" (Zinnbauer), gegen die es in den letzten sieben Bundesligapartien ein Torverhältnis von 5:31 gab, will der neue Chefcoach seine Idee vom dominanten Spiel noch einmal verschieben und eine vorsichtigere Taktik austüfteln.
Klubchef Dietmar Beiersdorfer ist von den ersten Tagen des neuen Übungsleiters beeindruckt. Zinnbauer habe "eine andere Ansprache und einen anderen Umgang" mit den Profis, er strahle sehr viel Energie aus. Wenn die Ergebnisse nicht sofort stimmen sollten gegen die folgenden, hochkarätigen Gegner (Gladbach auswärts, Frankfurt zu Hause und Dortmund auswärts), werde man Zinnbauers Arbeit inhaltlich bewerten: "Wichtig ist, dass man eine Entwicklung sieht", sagte Beiersdorfer in einem Bild-Interview.