Süddeutsche Zeitung

Neue Vorwürfe gegen Fußball-Weltverband:Wie die Fifa zerbröselt

Fifa-Generalsekretär Valcke ist weg, Präsident Blatter unter Druck: Doch beim Fußball-Weltverband geht es um mehr. Nämlich um die Frage, ob es die Fifa in ihrer jetzigen Form überhaupt noch lange gibt.

Kommentar von Johannes Aumüller

Vor ein paar Monaten hat Walter De Gregorio in seiner Funktion als Mediendirektor des Fußball-Weltverbandes Fifa einen schönen Witz erzählt. Der Witz ging so: "Sitzen der Fifa-Präsident, sein Generalsekretär und der Mediendirektor in einem Auto. Wer fährt?" - Die Antwort: "Die Polizei!"

Inzwischen verliert der Witz leider etwas an Substanz. Denn es ist kaum noch vorstellbar, dass sich das angesprochene Trio überhaupt noch einmal gemeinsam in einen Wagen setzt, nicht einmal in die Dienst-Limousine des Weltverbandes. Der Mediendirektor De Gregorio ist kurz nach dem Witz nicht mehr Mediendirektor gewesen. Der Generalsekretär Jérôme Valcke ist nach neuerlichen und von ihm scharf zurückgewiesenen Vorwürfen, er habe versucht, sich persönlich am Ticketgeschäft zu bereichern, fürs Erste nicht mehr Generalsekretär. Nur der Fifa-Präsident von damals, der ist offiziell noch in Amt und Würden. Wie lange noch?

Für Februar hat Sepp Blatter seinen Rückzug versprochen, sich dabei aber stets Optionen offengelassen, wie er trotzdem noch Einfluss behalten kann. Doch der Schweizer hat das Geschehen im und rund um den Weltverband schon lange nicht mehr so fest in der Hand, wie er es in den vergangenen Dekaden hatte.

Beinahe täglich kommen nun neue Aspekte dazu

Schon lange ermitteln amerikanische und Schweizer Behörden rund um die Fifa. Ihre Ergebnisse sind bereits umfangreich. Aber beinahe täglich kommen nun neue Aspekte dazu. Die Fifa kann die Fronten kaum noch zählen, an denen sie gerade kämpfen muss. Und viele dieser Fronten rücken nahe an Blatter heran.

Da sind jetzt die Aussagen eines Züricher Tickethändlers und eines Bankers, dass Valcke ihnen gegenüber angeblich schon im Frühjahr 2010 und damit ein paar Monate vor der Wahl behauptete, dass Katar den Zuschlag für die Weltmeisterschaft 2022 erhalte. Das dürfte sich insbesondere die Schweizer Bundesanwaltschaft genau anschauen, die der korruptionsumwitterten Doppelvergabe der Weltmeisterschaften 2018 und 2022 nach Russland und Katar nachspürt.

Da ist ein kürzlich vom Schweizer Fernsehen präsentierter Vertrag, mit dem Blatter seinem langjährigen karibischen Kompagnon Jack Warner die TV-Rechte für die Weltmeisterschaften 2010 und 2014 zu einem Spottpreis verscherbelte.

Da sind jetzt die neuerlichen Vorwürfe der Agentur JB, die nicht nur den geschassten General Valcke betreffen, sondern auch Blatter selbst. JB-Mitarbeiter Benny Alon legte am Donnerstag eine eidesstattliche Erklärung aus dem Jahr 2005 vor. Demnach habe bei einem früheren Ticketgeschäft der Agentur ISE deren Chef Haruyuki Takahashi im August 2003 zwei Millionen Euro "Gratifikation" für Blatter gefordert- als Gegenleistung für den Zuschlag für die ISE im Ticketgeschäft. Takahashi wie Blatter weisen die Vorwürfe strikt zurück, der Fifa-Chef droht mit rechtlichen Konsequenzen.

Ein wenig appetitlicher Wahlkampf

Und da ist der frühere Fifa-Vize und inzwischen von der Schweiz an die USA ausgelieferte Jeffrey Webb, der sich im Oktober gegenüber einem Untersuchungsrichter äußern wird. Es gibt Beobachter in der Branche, die erwarten, dass er kooperiert und Informationen liefert - so wie früher schon der Amerikaner Chuck Blazer.

Im Schlagschatten all dieser Affären läuft gerade ein weniger appetitlicher Wahlkampf um die künftige Macht im Weltverband. Die Kandidaten wie Michel Platini, Chef von Europas Fußball-Union, positionieren sich; es gibt Reformgruppen, bei denen stets auch zu fragen ist, welche Person von einem jeweiligen "Reformvorschlag" profitieren würde. Aber es geht inzwischen nicht mehr nur um Fragen wie Blatter oder Platini, Valcke raus oder nicht.

Es geht inzwischen immer auch um die Frage, ob es die Fifa in ihrer jetzigen Form noch lange gibt.

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