Neue Technologie bei der Klub-WM:Weißer Schaum, der Zeit kostet

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Schiesrichter Bakary Gassama und sein Spray (Foto: Bongarts/Getty Images)

Als erste deutsche Mannschaft erlebt der FC Bayern bei der Klub-WM, wie technische Hilfsmittel den Fußball revolutionieren sollen. Die Torlinientechnik und ein sprayender Schiedsrichter sorgen für Unverständnis. Doch Trainer Pep Guardiola mag den weißen Schaum.

Von Jonas Beckenkamp, Agadir

Als erster sollte Manuel Neuer etwas zu diesem neuen Kram sagen. Wie es denn nun war, mit der hochmodernen Torlinientechnik konfrontiert zu sein. "Ich habe nichts mitbekommen. Mir sind auch keine Kameras aufgefallen", antwortete Neuer. Was hätte er auch genau sehen sollen? Ein Arsenal an Microcomputern um sein Tor herum? Infrarotstreifen, die er nicht berühren durfte? Bewegungsmelder?

Die Fifa probt bei der Klub-WM erstmals eine kleine Revolte im weltweiten Vereinsfußball, aber so richtig angekommen ist die Innovation noch nicht. "GoalControl-4D" heißt das Wunderwerkzeug, in dessen Genuss Fans und Beteiligte bereits beim Confed-Cup in Brasilien kamen - was damals für Nationalmannschaften Premiere hatte, durften beim 3:0 gegen Guangzhou nun auch die Bayern erleben.

Ob ein Schuss drin war oder nicht, bestimmen neuerdings 14 Hochgeschwindigkeitskameras, die um das Spielfeld postiert sind und auf beide Tore zeigen. Wo sich der Ball genau befindet, wird fortlaufend in mehreren Dimensionen aufgezeichnet, sobald sich das Spielgeschehen in die Nähe der Torlinie verlagert. Wenn der Ball den Kreidestreifen überquert hat, ergeht ein zentral gesteuertes Signal an die Empfängeruhr des Schiedsrichters. Fiept oder vibriert es beim Referee direkt nach einem Lattenschuss, ist die Sache klar: drin.

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Beim erstmaligen Praxistest einer deutschen Mannschaft trug sich solch eine Szene zu, in der die Technologie zum Einsatz kam. Toni Kroos hatte das Leder wuchtig ans Gestänge gedroschen, doch der Ball sprang wieder ins Feld zurück. Das Spiel lief weiter, kein Treffer - das hatte eigentlich jeder kapiert. Zur Bestätigung leuchtete einige Augenblicke später eine animierte Grafik der Szene auf der Video-Leinwand des Stadions auf. Kroos' Geschoss klatschte deutlich vor die Linie, der simulierte Ball färbte sich Rot wie ein Zonk: kein Tor.

Kroos selbst sah die Bilder auf der Anzeigetafel ebenso wenig wie Neuer. "Ich hab's nicht realisiert. Wurde mein Schuss echt kontrolliert?", fragte er erstaunt. "Ich hab' aber auch so gesehen, dass er nicht drin war." Wie auch die Mitspieler, Gegenspieler und Zuschauer.

Für die Spieler ändert sich wenig, sie befinden sich im aktiven Geschehen, da bleibt keine Zeit für ausgiebiges Video-Studium. Doch neugierig wirkten die Beteiligten schon. "Beurteilen kann ich es aber erst, wenn in meinem Tor mal der Fall eintritt", sagte Neuer: "So sind jetzt die Regularien. Ich finde das okay."

Und wo schon alle auf dem Hilfsmittel-Pfad waren - es gab noch ein ungewohntes Schauspiel zu bestaunen: Wann immer es zu einem Freistoß in Tornähe kam, wurde Schiedsrichter Bakary Gassamba aus Gambia zum professionellen Schmierfink. 9,15 Meter vom Tatort entfernt (gemessen in eigenen Schritten) sprühte er eine schmale weiße Linie auf den Rasen, um so der Mauer ihren genau Standpunkt zuzuweisen.

Dieses Prozedere dauerte mitunter so lang, dass die Spieler arg ungeduldig wurden. Sie wollten lieber weiterspielen. "Das Spray finde ich etwas nervig. Es verlangsamt das Spiel, wenn der Schiedsrichter jedesmal beim Freistoß aufs Feld malt," sagte Kronzeuge Neuer. Sportvorstand Matthias Sammer pflichtete seinem Keeper bei: "Ich kenne das seit einigen Jahren von verschiedenen Jugendturnieren. Da ist es bei mir schon durchgefallen, aber ich bin ja nicht gefragt worden."

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Auch die TV-Moderatoren Gerhard Delling und Mehmet Scholl nahmen die glorreiche Innovation der Fifa nicht sonderlich ernst. Beide hatten sich während der Liveübertragung der ARD ein solches Spray organisiert, Delling sprühte Scholl einen Klecks auf den Ärmel des Jacketts, Scholl revanchierte sich, es wurde gescherzt und gelacht. Als sich das Spray nach nicht ganz einer Minute ordnungsgemäß wieder auflöste, freuten sich beide noch mehr.

Die versammelte Kritikerschaft lag nicht unbedingt auf Zustimmungskurs mit den Trainern Pep Guardiola und Marcello Lippi. Dem Bayern-Coach fiel das Farb-Experiment positiv auf - beim Thema Zeitgeplänkel widersprach er sogar deutlich: "Man verliert nicht viel Zeit. Es dauert vielleicht 20 Sekunden und die Linie ist da", so der Katalane, "dann geht es schon weiter. Ich hoffe, das bleibt uns erhalten."

Der Italiener Lippi, der in seiner Weisheit wirkt, als habe er schon weit vor dem Wembley-Tor von 1966 den Fußball studiert, sah das ähnlich. "Das ist eine vernünftige Sache", befand der Mister - nur einen Einwand gebe es: "Dann muss man auch die Schritte genau zählen und die Entfernung richtig messen. Wenn am Ende 15 Meter Abstand herauskommen, ist das zu viel."

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