Neue Regeln:Revolution auf Rädern

Lesezeit: 3 min

Max Mosley, ehemaliger Präsidenten des Automobilweltverbandes FIA, wurde angesichts des Entwicklungs-Stillstands von einigen Teamchefs herbeigesehnt. (Foto: Carl Court/AFP)

Wider die Langeweile: Die Formel-1-Bosse schnüren ein umfangreiches Maßnahmenpaket, das bald für mehr Spannung sorgen soll.

Von Elmar Brümmer, Silverstone

So schwierig ist es doch gar nicht, Bewegung in die Formel 1 zu bringen. Es reicht schon, mit Max Mosley zu drohen, dem ehemaligen Präsidenten des Automobilweltverbandes FIA, der nach einem Sexskandal vor sieben Jahren zurücktrat. "Mad Max", inzwischen 75, hat gerade seine Biografie geschrieben ("Formel 1 und darüber hinaus") und wurde angesichts des Entwicklungs-Stillstands in der Königsklasse von einigen Teamchefs als starke Hand herbeigesehnt. Das muss der Strategiekommission, die seit Jahren nicht eine richtige Vision verwirklichen konnte, tatsächlich Angst gemacht haben. Denn plötzlich gibt es nicht bloß Ideen, sondern sogar konkrete Umsetzungen.

Es ist ein merkwürdiges Gemisch aus Unsicherheit, Selbstsicherheit, Zerstörung und Vision, das über dem Fahrerlager in Silverstone liegt. Der Große Preis von Großbritannien ist seit Monaten ausverkauft, 140.000 Menschen werden erwartet. Von Krise keine Spur, höchstens beim Sommerwetter oder auf den Zufahrtstraßen. Und das, obwohl eine globale Fan-Umfrage mit über 200.000 Teilnehmern aus 194 Nationen ergeben hat, dass die Zuschauer mit der Formel 1 die Attribute "teuer, technisch, langweilig" verbinden. Vor fünf Jahren waren es noch die Begriffe "technisch, wettbewerbsfähig, aufregend."

Die elektonischen Starthilfen werden schnell verbannt

Vor dem neunten WM-Lauf wurde verkündet, dass die Rennfahrer wieder mehr im Mittelpunkt stehen sollen und deshalb alle elektronischen Starthilfen vom übernächsten Rennen an verbannt werden. So soll es munter weitergehen, für 2016 werden weitere Startsysteme abgeschafft. Dann wird auch das Strafensystem für eine Überschreitung des Motorenkontingents vereinfacht - wer mehr Aggregate verbraucht, wird automatisch in die letzte Startreihe versetzt. Überhaupt die Hybrid-Antriebsstränge: Durch eine Anhebung des Spritlimits von derzeit 100 Kilogramm sollen die Motoren mehr Power und einen besseren Sound bekommen. Schon dadurch könnten alle Hersteller näher an Branchenführer Mercedes und Verfolger Ferrari heranrücken. Neueinsteiger dürfen sechs Motoren pro Jahr straffrei einsetzen, das gilt bereits in der laufenden Saison rückwirkend für Honda.

Das klingt wie ein umfangreicher Aufgabenzettel für eine Änderungsschneiderei. Für Formel-1-Verhältnisse ist die Bündelung solcher Maßnahmen tatsächlich beinahe revolutionär. Das zeigt, wie bedrohlich die derzeitige Situation ist. Und das hat wenig mit der Überlegenheit der Silberpfeile zu tun. Diesem Beispiel folgend müssten in der Bundesliga ja nach jedem Bayern-Titel die Regeln geändert werden. Das Problem im Top-Motorsport ist ein anderes - die Rennen an sich sind spannender als im letzten Jahrzehnt, aber die Intensität, das eigene Produkt schlecht zu reden, war noch nie so stark wie heute.

Für die Samstage ist ein Sprintrennen der Ersatzfahrer geplant

Die Sorge um die Finanzen und die Negativität haben, wenn jetzt einerseits auf die Bremse und andererseits aufs Gaspedal getreten wird, etwas Gutes: Der Selbstreinemachprozess kann beginnen. Möglicherweise folgen nach Willen der Strategen noch radikalere Veränderungen: Geplant ist für die Samstage ein Sprintrennen mit den Ersatzfahrern der Teams, damit das zahlende Publikum vor Ort mehr Rennen fürs viele Geld hat. Zur Debatte steht auch eine generelle Verlegung der Startzeiten bei den Großen Preisen am Sonntag - in die frühen Abendstunden. Damit wären weder Familien- noch Freizeitsonntage durch die 90 Formel-1-Minuten unterbrochen. Vor allem aber soll 2017 eine komplett neue Fahrzeuggeneration debütieren, die aggressiver ist und über eine überholfreundlichere Grundaerodynamik verfügt. Die Leasingkosten für Motoren sollen bis dahin auf zehn Millionen Euro sinken, damit sich nicht nur Konzernrennställe das Mitmachen leisten können.

Bernie Ecclestone, der eine Direktleitung zu seinem alten Freund, Mit- und Gegenspieler Mosley unterhält, hat zuletzt erklärt, dass er ein Produkt verkaufen müsse, das "Mist" sei. Bezogen hatte er es auf die Hybridmotoren, mit denen der Vermarkter so nichts anfangen kann. Das Echo war gewaltig, und kam auch beim Investorenkonsortium CVC Capital Partners in Luxemburg an. Angeblich überlegt Chairman Donald Mackenzie einen Verkauf der Anteile. 35,5 Prozent an der Formel 1 gehören CVC, das größte Anteilspaket mit Stimmrecht. Wer es kauft, hat damit die Macht. Und Mackenzie hat, allem Krisengerede zum Trotz, keine ganz große Not zu verkaufen. CVC hat im Jahr 2006 die Rechte für den "Schnäppchenpreis" von 1,5 Milliarden Dollar erworben - und inzwischen schon das Fünffache davon verdient. Der Gewinn der Formel 1 lag allein im Jahr 2014 bei fast 600 Millionen Dollar. Das ruft jetzt aber Interessenten auf den Plan. Bislang galt Red-Bull-Mogul Dietrich Mateschitz als potenzieller Käufer, konkreter soll aber das Gebot eines amerikanisch-arabischen Konsortiums aus RSE Ventures und QSI sein - dahinter verbirgt sich der US-Milliardär Stephen Ross, dem unter anderem das Footballteam Miami Dolphins gehört - und der Staat Katar.

"Es ist wie beim Sex", findet der 84-jährige Ecclestone

Verwalter Ecclestone, der selbst fünf Prozent Formel-1-Besitz hat, ruft vorübergehend zur Räson auf: "Es besorgt mich, dass die Formel 1 beschädigt wird. Wir beschädigen sie selbst, und ich bin genauso schuld wie jeder andere." Der Zampano setzt zur Rettung des Images auf das WM-Duell. "Es liegt an Nico, das Titelrennen zu retten", findet der Brite. Der Deutsche liegt vor dem Rennen heute zehn Punkte hinter Titelverteidiger Lewis Hamilton. "Es ist wie beim Sex", findet der 84-Jährige, "die Spannung hängt an den Erwartungen, die man vorher hat. Wenn man denkt, dass Hamilton am Sonntag gewinnt, verliert man das Interesse. Aber wenn Nico gewinnt, schauen die Leute vielleicht weiter zu."

© SZ vom 05.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: