Süddeutsche Zeitung

Neue Regeln in der Formel 1:Front für mehr Krach

Ist die Formel 1 zu leise geworden? Und zu umweltfreundlich? Der mächtige Red-Bull-Chef Dietrich Mateschitz kritisiert die Rennserie ausnahmsweise öffentlich - und spielt sogar Ausstiegs-Szenarien seiner Rennteams durch.

Von René Hofmann

Es läuft nicht gut für die Formel 1 zum Auftakt dieser Saison. Am Sonntag steht in Malaysia das zweite Rennen an (Start 10 Uhr MEZ). Die Rennstrecke liegt in Sepang, nicht weit vom Flughafen Kuala Lumpur entfernt. Jenem Flughafen, von dem am 8. März 2014 Malaysia-Airlines-Flugnummer MH370 abhob, der vermisst wird und dessen Suche läuft. In den Hotels rund um den Flughafen und die Rennstrecke sind viele Angehörige einquartiert. Die Zimmer drohen knapp zu werden.

Sollte der Formel-1-Tross auf seine Buchungen bestehen, stünde er als ziemlich herzlos da. Ein Dilemma für das er nichts kann.

Anders aber sieht es mit dem Streit aus, der nach dem Auftaktauftritt vor zwei Wochen in Melbourne entbrannte. Weil die Autos seit Winter von Hybrid-Motoren angetrieben werden, die pro Grand Prix nur noch hundert Kilogramm Benzin verbrennen dürfen, sind sie deutlich leiser geworden. Daran entzündet sich viel Kritik. Am Wochenende reihte sich auch der mächtige Getränkehersteller Dietrich Mateschitz in den Chor der Nörgler ein.

Der 69 Jahre alte Österreicher unterhält zwei Teams (Red Bull und Toro Rosso) und er betreibt die Rennstrecke in Spielberg, auf der die Formel 1 im Sommer wieder Station macht - dank Mateschitz. Dem Kurier sagte der ansonsten gerne Verschwiegene am Wochenende einige bemerkenswerte Sätze. Mateschitz findet, es sei Zeit, "die Formel 1 wieder zu dem zu machen, was sie immer war: die Königsdisziplin". Die Serie sei "weder dazu da, neue Rekorde im Benzinverbrauch aufzustellen, noch dass man sich im Flüsterton während eines Rennens unterhalten kann, das Lauteste der Boxenfunk und das höchste der Gefühle ein quietschender Reifen ist."

Mateschitz kann - wie sein Vorzeigefahrer, der viermalige Weltmeister Sebastian Vettel - gut mit Formel-1-Vermarkter Bernie Ecclestone. Der 83-Jährige hatte seit den Wintertestfahrten gegen die neue Technik agitiert ("eine Farce"). Nach dem Rennen in Australien, bei dem erstmals das breite Publikum von dem neuen Klang Notiz genommen hatte, hatte Ecclestone seine Kritik noch einmal zugespitzt. Sein Produkt sei für die Kunden derzeit eine Enttäuschung: "Wenn du Erdbeermarmelade kaufst und Erdnussbutter bekommst, bist du verärgert", hatte Ecclestone gesagt.

Auch Vettel, der beim Auftakt wegen eines technischen Defektes ausgeschieden war, hatte sich lustig gemacht: "Es hört sich eher an, als würde der Staubsauger nebenher laufen und nicht, als würde ein Rennauto fahren", hatte der 26-Jährige über die Sechszylinder-Turbo-Motoren gesagt.

Die mächtige Front zeigt offenbar Wirkung: Für die Formel-1-Vorschriften ist der Automobilweltverband FIA zuständig. Dessen Präsident, der Franzose Jean Todt, sagte dem italienischen TV-Sender Rai: "Der Sound ist jetzt offensichtlich anders. Wenn man damit Probleme hat und sich die Teams auf etwas einigen können, dann können wir nach einer Lösung suchen, um die Formel 1 wieder etwas lauter zu machen." Todt selbst sieht dazu keinen Anlass. Er findet die neuen Klänge "faszinierend". Noch bemerkenswerter als Todts Kompromissbereitschaft in der Lärm- Frage ist allerdings seine Abkehr von der wesentlichsten Neuerung des Reglements: der Benzin-Limitierung.

"Ich mag es nicht, wenn die Formel 1 Spritspar-Runs fährt", erklärt Todt, 68, und legt Wert auf die Feststellung, dass sich die Teams unabhängig von der FIA auf die Marke von 100 Kilogramm pro Grand Prix geeinigt hätten. Soll heißen: Die Marke lässt sich auf dem gleichen Weg auch wieder ändern. Ein Präsident, der die Regeln des wichtigsten Sports seines Verbandes schleift - das ist mindestens so kurios wie ein Vermarkter, der das doof findet, was er eigentlich anpreisen soll. Und als wäre all das nicht genug, droht ein zentraler Spieler nun auch noch mit Ausstieg.

Dem Kurier sagte Mateschitz auf die Frage, ob es sein könne, dass sich sein Unternehmen aus ökonomischen Gründen irgendwann aus der Formel 1 zurückziehe: "Die Frage ist nicht so sehr, ob es ökonomisch Sinn macht, vielmehr würden das Gründe sein, die mit sportlicher Fairness, politischen Einflussnahmen etc. zu tun haben. Das hatten wir alles schon. Diesen Dingen gegenüber gibt es unsererseits eine klare Akzeptanzgrenze."

Die Aussage birgt Brisanz, weil Vettels Teamkollege Daniel Ricciardo nach Platz zwei in Melbourne disqualifiziert wurde, weil das Benzin schneller in seinen Motor gerauscht war als erlaubt.

Mateschitz behauptet aber: Der vom Weltverband montierte Benzindurchfluss-Sensor messe "ungenau": "Wir können den exakten Fluss beweisen. Und der lag innerhalb der Limits." Das Team hat Einspruch gegen den Ausschluss eingelegt. Dieser wird am 14. April verhandelt.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.1920923
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 25.03.2014
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.