Süddeutsche Zeitung

Neapels Präsident Aurelio De Laurentiis:Brodelnder Vulkan des SSC Neapel

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Aurelio De Laurentiis ist ein Filmproduzent und Fußballpräsident vom alten Schlag: selbstherrlich, autoritär und cholerisch. Er hat Bayerns Champions-League-Gegner, den SSC Neapel, aus der dritten Liga in die Königsklasse geführt. Mittlerweile legt er sich selbst mit Silvio Berlusconi an.

Birgit Schönau, Neapel

Man könnte meinen, Aurelio De Laurentiis sei ein Präsident auf Durchreise, in Neapel wohnt er nämlich mangels einer Wohnung im Hotel. Aber erstens ist es nicht irgendeine Herberge, sondern die Luxusunterkunft "Vesuvio", seit jeher Statussymbol der Reichen und Mächtigen. Zweitens ist De Laurentiis mit seinem SSC Neapel dort angekommen, wo am liebsten jeder bleiben würde: in der Champions League - nachdem er vor sieben Jahren einen Pleiteklub in der dritten Liga erworben hatte.

Damals wurde der Filmproduzent, ein Neffe der Hollywood-Größe Dino De Laurentiis, noch als "Weihnachtsmann" verspottet, der Umsatz seiner Firma Filmauro fußt vor allem auf hirnrissigen Weihnachtskomödien mit wenig Plot und vielen Zoten. Werke wie "Weihnachten in Miami" oder "Christmas in Love" hatten in Italien mehr Zuschauer als "Harry Potter".

Heute spotten die Neapolitaner höchstens noch hinter vorgehaltener Hand über den "Provinzler aus Torre Annunziata", einer Vorstadt auf dem Weg nach Pompeji. Doch längst hat sich De Laurentiis, der seit der Kindheit in Rom wohnt und unbekümmert mit römischem Einschlag spricht, in Neapel Respekt verschafft. Weder der Bischof noch der Bürgermeister kommen an ihm vorbei, er hält Vorträge an der Universität wie vor dem Unternehmerverband und lobt dabei wahlweise Neapels kreatives Potential oder den Beitrag des Südens zur italienischen Reichseinigung vor 150 Jahren.

Immer lauter wird gemunkelt, dass der 62-Jährige in die Politik gehen könnte, man vergleicht ihn schon mit Achille Lauro - jenem Reeder, der lange vor Silvio Berlusconi die Macht des Fußballs erkannte, zunächst Napolis Fußballklub regierte und dann feudalistisch wie ein spanischer Vizekönig die Stadt.

De Laurentiis ist ein Produzent und Fußballpräsident vom alten Schlag, selbstherrlich, autoritär und cholerisch. Die drei Kinder sind ebenso in der Klubleitung wie Ehefrau Jaqueline, die den Spielerfrauen schon mal höchstpersönlich einschärft, sie sollten vor wichtigen Begegnungen "ihre Männer in Ruhe lassen". Als im Sommer in Mailand der Kalender für die neue Saison vorgestellt wurde, flippte der Napoli-Boss regelrecht aus.

Hinter der Tatsache, dass der SSC gleich zu Beginn gegen Inter Mailand und AC Mailand spielen musste, wähnte er die Verschwörung finsterer Mächte zur Schwächung der Konkurrenz. Die Kollegen Klubpräsidenten und, weil er schon dabei war, auch die Journalisten, wurden aufs Gröbste beschimpft. Fluchtartig verließ der Eigner des SSC die Räume des Ligaverbandes, klagte noch auf der Straße: "Ich schäme mich, Italiener zu sein!", und kündigte an, umgehend aus dem schmutzigen Fußballgeschäft auszusteigen: "Da mache ich doch lieber Filme."

Darauf hielt De Laurentiis einen vorbeifahrenden Mofafahrer an, stieg mit den Worten: "Ich bin De Laurentiis, bringe mich hier heraus", erstaunlich behende auf den Soziussitz und ließ seine Kritiker hinter sich.

Mit seiner ewigen Nord-Süd-Rhetorik stilisiert sich De Laurentiis zum Berufsneapolitaner. Der arme, ausgebeutete Süden gegen den präpotenten Norden, das kommt in Neapel an. Ungerührt outete der Klubpatron den Chefredakteur der Gazzetta dello Sport als Anhänger von Juventus Turin, der für seinen Lieblingsverein den Transfermarkt manipuliere.

Eine andere Lieblingszielscheibe für den Vulkan vom SSC Neapel ist der Kollege Silvio Berlusconi. Früher war De Laurentiis selbst mal Parteigänger, jetzt ist es angebrachter, auf Distanz zu gehen. "Berlusconi kann sich alles leisten", klagt De Laurentiis. "Für den AC Mailand gilt kein Finanz-Fairplay."

Er selbst hat allein in diesem Sommer knapp 30 Millionen Euro für neue Spieler ausgegeben. Spieler, die der Presidente dann wie Statisten behandelt oder wie aufmüpfige Kinder, denen man öfter die Leviten lesen muss. Nicht, dass er sie morgens um sechs anrufen würde wie das der Avvocato Gianni Agnelli mit den Kickern von Juventus tat.

De Laurentiis hat andere Methoden. Den Schweizer Gökhan Inler ließ er in diesem Sommer bei der Vorstellung auf einem Kreuzfahrtschiff hinter einer plüschigen Löwenmaske schwitzen, die der sichtlich gestresste Profi erst auf Geheiß des neuen Chefs abnehmen durfte. Über seinen Stürmer Ezequiel Lavezzi trompete der Padrone fröhlich, das sei "ein poetischer Wirrkopf", dessen argentinischer Landsmann Lionel Messi hingegen "ein Kretin, denn nur Schwachköpfe verschwenden ihre Zeit für die Nationalmannschaft und werden da von Typen gecoacht, die nicht wissen, wo's lang geht".

De Laurentiis kennt keine Götter neben sich. Seine Fußballer lässt er arbeiten und basta, die Trainer erst recht. Dem einstigen Trainer Edoardo Reja, der jetzt bei Lazio Rom unter Vertrag ist, sagte der Chef einmal nach einer Niederlage: "Ich schlage Sie nicht, weil Sie ein alter Mann sind." Walter Mazzarri, 50, blieb hingegen grummelnd, obwohl ihm die verlangte Gehaltserhöhung ausgeschlagen wurde. Denn De Laurentiis hält seine Leute vergleichsweise knapp.

Mit einer Gehaltssumme von gut 40 Millionen Euro (Vorjahr: 28 Millionen) steht der SSC Neapel an sechster Stelle der Serie A - der AC Mailand gibt vier Mal soviel aus. Die Topverdiener bei Napoli sind Edinson Cavani und Ezequiel Lavezzi mit je 2,2 Millionen Euro netto. Gökhan Inler verdient 1,5 Millionen, Marek Hamsik 1,3 Millionen, Torwart Morgan De Sanctis eine Million und Kapitän Paolo Cannavaro 850 000 Euro.

Vor allem Mazzarri und dem überaus kompetenten, jungen Sportdirektor Riccardo Bigon, 40, ist es zu verdanken, dass der SSC Neapel wieder oben mitspielt. Damit das so bleibt, müsste De Laurentiis allerdings massiv investieren, nicht nur in Spieler, sondern vor allem in das marode Stadion San Paolo. Aber er sieht das gar nicht ein.

Die Stadt Neapel soll für die Arena zahlen, andernfalls - so drohte De Laurentiis vor Wochen - werde der SSC die Champions League eben im römischen Olympiastadion austragen. Immerhin wurden der Mannschaft neue Umkleidekabinen spendiert (die alten standen nach jedem größeren Regenguss unter Wasser), aber eine Anzeigetafel oder wenigstens standardgerechte sanitäre Anlagen für die Zuschauer sind deshalb noch lange nicht drin.

"Die Tifosi zittern mir immer etwas vor", sagte Aurelio De Laurentiis seinem Lieblingsradio Radio Mars: "Jetzt sage ich mal den Fans, was ich will: Tifosi mit Eiern."

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Quelle:
SZ vom 02.11.2011
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