Basketball in der NBA:Und jetzt auch noch Westbrook nach Houston

NBA - Russell Westbrook gegen Chris Paul in Oklahoma

Westbrook (re.) gegen Paul: Diese beiden wechseln nun das Team. (Archivbild von 2014, als Paul noch für die LA Clippers auflief)

(Foto: AP)
  • In der US-Basketballliga NBA kommt es diesen Sommer reihenweise zu spektakulären Transfers.
  • Der neueste: Russell Westbrook geht im Tausch für Chris Paul von Oklahoma City Thunder zu den Houston Rockets.
  • Auch Deutsche sind von den wochenlangen Volten betroffen.

Von Jürgen Schmieder, Los Angeles

Die erste Meisterschaft in der Vereinsgeschichte der Toronto Raptors ist nur ein paar Minuten alt, da wird sie zur Nebensache. Reporterin Doris Burke will noch auf dem Parkett von Raptors-Finalheld Kawhi Leonard wissen, für welchen Verein er künftig spielen wolle. Leonard sagt dazu: nichts, er wolle erst mal die Gegenwart genießen.

Vergangenheit ist eher lästig heutzutage, Zukunft ist viel wichtiger, und genau darum geht es in der Sommerpause der nordamerikanischen Basketballliga NBA: einen Kader für die Zukunft basteln. Experten sagen einen wilden Sommer voraus, doch was dann schon vor Beginn der Wechselphase am 1. Juli passiert, das können nicht einmal begabte Verschwörungstheoretiker vorhersehen. Beobachtungen aus vier Wochen Wechsel-Wahnsinn.

Der Effekt von Zion Williamson

Die Wettquote der New York Knicks auf den Titelgewinn in der kommenden Saison Mitte Mai: 16:1. Platz sechs. Warum eigentlich, angesichts der schlechtesten Bilanz (15:65) der Liga? Nun, die Knicks haben wegen all der Niederlagen die größte Chance, beim Draft den außerweltlich begabten Zion Williamson zu verpflichten - aus der Gerüchteküche ist zudem zu hören, dass Kevin Durant und Kyrie Irving nach New York wechseln und mit Williamson ein kaum bremsbares Trio bilden könnten.

Die New Yorker, über Erfolglosigkeit der Knicks vereint in dieser Mischung aus Melancholie und Wut, die es so nur in dieser Stadt gibt, freuen sich auf die Zukunft im Madison Square Garden. Sie müssen sich jedoch gedulden. Bis zum 1. Juli darf den NBA-Regeln zufolge niemand mit niemandem über mögliche Wechsel sprechen. Geduld ist nicht unbedingt eine Tugend der New Yorker.

Williamson ist auf der Suche nach einem Ausrüster. Der Rekord für einen Akteur, der noch nie eine Profipartie absolviert hat, dürfte gebrochen werden. Den hält LeBron James, er unterschrieb im Jahr 2003 einen Sieben-Jahres-Vertrag, der mit insgesamt 100 Millionen Dollar dotiert war. Mittlerweile hat James verlängert, auf Lebenszeit, für mehr als eine Milliarde Dollar.

Dwyane Wade, der seine Karriere beendet, tauscht insgesamt 30 Mal sein Trikot mit prägenden Spielern des Gegners.

Bei der Lotterie zum Festlegen der Draft-Reihenfolge werden die New Orleans Pelicans zuerst gezogen, sie bekommen damit Williamson. Die Knicks landen auf Platz drei und werden RJ Barrett wählen. Die Titelquote fällt auf 50:1.

Während der Finalserie zwischen den Golden State Warriors und den Raptors reißt die Achillessehne von Kevin Durant, er dürfte ein Jahr lang ausfallen. Knapp die Hälfte der Berichte darüber beschäftigt sich mit der Gegenwart, bei allen anderen geht um Spekulationen über Durants Zukunft. New Yorks Titelquote: 70:1.

Apropos Spekulationen: So genannte "Insider" erstellen andauernd Hätte-Könnte-Szenarien, die Fans auf sozialen Netzwerken zu komplizierten Wenn-Dann-Universen erweitern. Ein Beispiel: Antony Davis wechselt von den Pelicans zu den Los Angeles Lakers, die bei diesem Tauschgeschäft den halben Kader und einige Draft-Picks wegschicken. Experten merken kann, dass die Lakers noch einen großen Namen verpflichten könnten, wenn sie ein paar Spieler loswerden und den Gehaltsspielraum erhöhen. Die Fans sind sicher: Wenn das passiert, dann kommt Leonard. Quote für den Titel der Lakers: 2:1.

Leonard sagt dazu: nichts.

Die Personalien Leonard und Davis

Der einstige Basketballspieler und heutige TV-Guru Jalen Rose sagt, dass seine Quelle zu 99 Prozent sicher sei, dass Leonard in Toronto bleiben würde. Titel-Quote für Toronto: 10:1. Die Quelle von Rose wird in den zwei Wochen danach ungefähr eine Milliarde Mal zitiert. Es gibt Leute, die behaupten, dass Jalen Rose die Quelle von Jalen Rose sei.

Die Lakers schicken die beiden deutschen Akteure Moritz Wagner und Isaac Bonga zu den Washington Wizards. Anthony Davis verzichtet auf seinen Vier-Millionen-Dollar-Bonus. Nun ist für die Lakers-Fans und 99 Prozent der Experten klar: Leonard wird nach Los Angeles kommen.

Leonard sagt dazu: nichts.

Die NBA veröffentlicht die Gehaltsobergrenze für die kommende Saison: 109,14 Millionen Dollar pro Team. Es gibt allerdings Ausnahmen mit solch prächtigen Namen wie "Early Bird Exeption", "Derrick Rose Rule" oder "Supermax Contracts", die in ihrer vollständigen Komplexität nur Leute mit einem Doktortitel in Mathematik verstehen.

Die so genannte Free Agency beginnt, Vereine dürfen mit Akteuren ohne Vertrag verhandeln. Kevin Durant und Kyrie Irving verkünden sogleich, dass sie nach New York wechseln werden - allerdings nicht zu den Knicks, sondern zu den Brooklyn Nets. Die beiden Verträge haben ein Gesamt-Gehaltsvolumen von 305 Millionen Dollar, was für Eigentümer Mikhail Prokhorov kein Problem ist: "Wir werden deshalb die höchsten Einnahmen der Vereinsgeschichte haben."

Riesensummen machen die Runde

Frage: Wer hat diese perfekt aufeinander abgestimmten Wechsel koordiniert, wo doch niemand mit niemandem reden durfte?

Titelquote der Knicks: 150:1.

Am ersten Tag der Wechselperiode vergeben die NBA-Vereine Verträge im Wert von mehr als drei Milliarden Dollar. Der Footballstar JuJu Smith-Schuster (er verdient in der kommenden Saison bei den Pittsburgh Steelers 1,14 Millionen Dollar) schreibt angesichts der Gehälter auf Twitter: "Ich muss meine Mutter anrufen - die muss mir erklären, warum sie mich nicht zum Basketball geschickt hat."

Twitter wird zum bedeutsamsten Portal der Sommerpause, innerhalb der ersten 24 Stunden gibt es 3,8 Millionen Einträge zum Thema "Free Agency". Wichtigster Mann: ESPN-Reporter Adrian Wojnarowski, der schneller tippt als sein Schatten.

Die höchstdotierten Verträge der ersten Tage:

  • Klay Thompson (Golden State Warriors) 190 Millionen Dollar/fünf Jahre
  • Tobias Harris (Philadelphia 76ers) 180 Mio./fünf Jahre
  • Khris Middleton (Milwaukee Bucks) 178 Mio./fünf Jahre
  • Kevin Durant (Brooklyn Nets) 164 Mio./vier Jahre
  • Kristaps Porzingis (Dallas Mavericks) 158 Mio./fünf Jahre
  • Kyrie Irving (Brooklyn Nets) 141 Mio./vier Jahre
  • Jimmy Butler (Miami Heat) 141 Mio./vier Jahre
  • Kemba Walker (Boston Celtics) 141 Mio./vier Jahre
  • D'Angelo Russell (Golden State Warriors) 117 Mio./vier Jahre

Stewart Mandel, Chefredakteur des Sportportals The AtleticCF, schreibt bei Twitter: "Die Sommerpause ist interessanter als die Saison."

Wojnarowski meldet den Wechsel von DeAngelo Russell zu den Warriors und verblüfft damit offenbar sogar die Los Angeles Lakers, die sich ebenfalls bemüht hatten. Insider und Fans wissen nun: Leonard bleibt entweder in Toronto (laut Jalen-Rose-Quellen noch immer zu 99 Prozent), oder er wechselt nach Los Angeles. Die Lakers (0,9 Prozent) haben größere Chancen als die Clippers (0,1 Prozent).

Leonard sagt dazu: nichts.

Die Entwicklungen um Westbrook

Kleiner Exkurs in die jüngere Vergangenheit: Russell Westbrook, Aufbauspieler von Oklahoma City Thunder, hat Kevin Durant vor drei Jahren einen "Cupcake" geschimpft, weil der von Thunder zu den Golden State Warriors gewechselt ist und damit den vermeintlich leichten Weg zum Titel gewählt hat. Westbrook, in Los Angeles geboren, hat mehrfach auf einen Wechsel zu den Lakers oder Clippers verzichtet, um in Oklahoma City einen Titelkandidaten aufzubauen. An seiner Seite: Paul George, der vor einem Jahr einen Vier-Jahres-Vertrag für 137 Millionen Dollar unterschrieben hat. Die beiden gelten als Freunde.

Westbrook war auch über den Wechsel von James Harden nach Houston im Jahr 2012 erbost, die beiden sind indes noch immer Kumpels.

Der Dallas-Mavericks-Fan Jatinder Singh schreibt bei Twitter an Eigentümer Mark Cuban: "Ich glaube, dass ich die Mavs besser managen könnte als die meisten der Leute, die du eingestellt hast." Antwort von Cuban: "Wunderbar! Ich will immer dazulernen. Warum glaubst du, dass du besser bist?"

Die Dreharbeiten zur Sportkomödie "Space Jam 2" mit Hauptdarsteller LeBron James beginnen. Plötzlich auch dabei: der neue Lakers-Spieler Anthony Davis. Die Fans rätseln, ob es von Bedeutung wäre, wenn Kawhi Leonard auch mitspielen würde.

Der sagt dazu: nichts.

Singh erstellt eine Liste mit Management-Fehlern der Mavericks: mangelhafte Beurteilung von jungen Spielern, zu starker Fokus auf Superstars in der Wechselphase (die dann nicht zu den Mavericks wechseln), fehlender Respekt für Akteure des Meisterkaders von 2011. Die Antwort von Cuban: Freikarten für den Fan. Titelquote: 45:1.

Nach den ersten drei Tagen der Free Agency sind nur zwei Teams unterhalb der offiziellen Gehaltsobergrenze: Atlanta Hawks (104,7 Millionen) und Sacramento Kings (107,7 Millionen). Wie gesagt: Die Ausnahmen verstehen nur Leute mit einem Doktortitel in Mathematik. Höchstes Gesamtgehalt: Cleveland Cavaliers mit 145,4 Millionen Dollar. Titelquote: 300:1. Letzter Platz.

Kawhi Leonard sagt: nichts.

Und dann wechselt Leonard ... zu den Clippers

Und dann wechselt Leonard zu den Clippers

Es gibt fragwürdige Einigungen: Terry Rozier mit den Charlotte Hornets (58 Millionen Dollar für drei Jahre), Khris Middleton mit den Milwaukee Bucks (178 Millionen für fünf Jahre) oder Harrison Barnes mit den Sacramento Kings (85 Millionen für vier Jahre). Der Vertrag, der alle Augenbrauen nach oben wandern lässt: Die Phoenix Suns bezahlen Ricky Rubio in den kommenden drei Jahren insgesamt 51 Millionen Dollar. Sie beschäftigen offenbar niemanden mit Doktortitel in Mathematik - oder wollen möglichst wenig Spiele gewinnen, um die größte Chance zu haben, im kommenden Sommer den besten Nachwuchsspieler zu verpflichten. Titelquote: 300:1. Geteilter letzter Platz mit Cleveland.

Kawhi Leonard wechselt nach Los Angeles. Nicht zu den Lakers. Zu den Clippers. Über ein Tauschgeschäft bringt er Kumpel Paul George aus Oklahoma City mit, die Clippers schicken dafür fünf Erstrunden-Picks nach Oklahoma City, so viele wie noch nie in der NBA-Geschichte. Titelquote dafür: 2,75:1. Platz eins.

Kawhi Leonard sagt: nichts. Paul George sagt bei Twitter: Sorry, Russell. Westbrook sagt dazu: nichts. Die LA-Kaffeehauskette Alfred erteilt Leonard, George und überhaupt allen Mitarbeitern der Clippers Hausverbot. Die Lakers verpflichten ein paar Spieler, die noch keinen Vertrag haben, darunter DeMarcus Cousins, Danny Green und Rajon Rondo.

Russell Westbrook will nun auch weg aus Oklahoma City, er verlangt ein Tauschgeschäft. Jalen Rose sagt, dass Westbrook dringend zu Miami Heat wechseln solle. Die würden dann sogleich zu einem Titelkandidaten werden. Miami müsste allerdings den Vertrag übernehmen, der Westbrook in den kommenden vier Spielzeiten 171,1 Millionen Dollar garantiert.

Chris Paul geht nach Oklahoma - vorerst

Leonard unterschreibt nur einen Zwei-Jahres-Vertrag bei den Clippers mit der Option auf eine dritte Saison - für Leonard. 2021 wird auch der Vertrag von Paul George auslaufen, mit einer Option auf eine weitere Saison - für George. Es gibt Spekulationen, dass Miami Heat nun kein Interesse mehr an Westbrook hat, weil der Verein in zwei Jahren ein Doppelangebot an George und Leonard abgeben könnte.

Leonard und George sagen dazu: nichts.

Westbrook wechselt. Nicht nach Miami, sondern zu den Houston Rockets. Fest steht damit: Einzig ESPN-Mann Wojnarowski verfügt über verlässliche Insider-Informationen, alle anderen spekulieren nur. Westbrook wird wieder mit Kumpel James Harden agieren, dafür wechselt Chris Paul - wahrlich kein Kumpel von Harden - nach Oklahoma City. Von den 30 Trikots, die Wade sich während der vergangenen Saison ertauscht hat, sind mehr als die Hälfte nicht mehr aktuell.

Die beiden Vereine aus Los Angeles (Clippers: 3,25:1. Lakers: 4,25:1) gelten nun als favorisiert auf den Titel. Auf den weiteren Plätzen: Milwaukee Bucks (4,25:1), Houston Rockets (7:1) und Philadelphia 76ers (7,5:1).

Falls das überhaupt noch jemanden interessiert: Die Saison beginnt Oktober. Der Spielplan wird Ende August veröffentlicht.

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