NBA:Wenn aus Tagen Jahre werden

Portland Trail Blazers - Dallas Mavericks

Der große Alte und der Neue: Dirk Nowitzki (l.) freut sich mit Yogi Ferrell über einen Dreier.

(Foto: Craig Mitchelldyer/dpa)

Dass die Dallas Mavericks nach einer schwachen Saison doch noch in den Playoffs landen könnten, liegt an einem kleinen Mann namens Yogi: Spielmacher Ferrell kam aus den Basketball-Niederungen.

Von Christopher Meltzer

Es gehört zum Geschäftsgeheimnis des Milliardärs Mark Cuban, Dinge zu erahnen, lange bevor es andere tun. Den Aufstieg des Internets etwa sah er früh vorher, gründete zwei Firmen, verscherbelte sie später, die erste für sechs Millionen Dollar, die zweite für fast sechs Milliarden. Von einem Teil des Geldes kaufte er sich einen Basketballklub, die Dallas Mavericks. Und selbst im exklusiven Zirkel der NBA, wo sich die gerissensten Geschäftsmänner und fähigsten Sportmanager tummeln, stellten sich Cubans Visionen als überdurchschnittlich schlau heraus, was er dann auch überdurchschnittlich oft betonte.

Zuletzt hörte man solche Schlaumeiereien aus Dallas aber immer seltener. Die Meisterschaft der Mavericks liegt bereits fünf Jahre zurück, ihre Mannschaften stecken seitdem im Mittelmaß fest. Und weil Dallas' Eigentümer in sportlichen Belangen stets munter mitmischt, fragen sich die Experten: Ist der Rest der NBA heute einfach schlauer? Oder Mark Cuban vielleicht ein bisschen weniger schlau?

Yogi Ferrell "lässt mich schlauer aussehen", sagt Mark Cuban

Doch gerade als Cuban ernsthaft in Erklärungsnot geriet - die Mavericks drohten zu Saisonbeginn sogar aus dem Mittelmaß abzustürzen - tauchte vor zwei Wochen Yogi Ferrell auf, ein 23-jähriger Spielmacher, dessen längster NBA-Vertrag bis dato zehn Tage galt, mit dem Dallas plötzlich aber wieder ansehnlich Basketball spielte. Gegen die Portland Trail Blazers füllte Ferrell den Statistikbogen mit 32 Punkten. Die Mavericks machten aus den zehn Tagen Vertrag flott zwei Jahre. Und als Ferrell weiter verzückte, dauerte es natürlich nicht lange, bis Mark Cuban vor die Presse trat, um mitzuteilen: "Er lässt mich schlauer aussehen als der Durchschnitt."

Im Fall von Yogi Ferrell war jedoch auch ziemlich viel Glück dabei. Wenn NBA-Klubs inmitten der Saison neue Spieler suchen, tun sie das meistens aus Verzweiflung. Weil die Ergebnisse nicht stimmen oder die Stammspieler verletzt sind. Dallas beklagte gleich beides. Ihren offenen Kaderplatz vergaben sie aber nicht sofort an Ferrell, sondern Pierre Jackson. Der spielte in Abwesenheit der verletzten Spielmacher Deron Williams, J.J. Barea und Devin Harris auch gar nicht übel, zerrte sich dann aber den Oberschenkel. Dallas kündigte den Vertrag auf - und rief erst dann Kevin Duane "Yogi" Ferrell Jr. an.

Eigentlich hatte Ferrell schon viel eher durchstarten wollen in der besten Basketballliga der Welt. An guten Referenzen hatte es nicht gemangelt. Als Ferrell in der vierten Klasse war, stufte ihn "The Hoop Scoop", ein Scoutingservice, landesweit als besten Basketballer seines Alters ein. Später knackte er an der angesehenen Indiana University die Rekorde für die meisten Spiele und die meisten Vorlagen. Doch als die NBA-Vereine im Frühjahr 2016 wie in jedem Jahr die talentiertesten Nachwuchsspieler unter sich aufteilten, blieb Ferrells Name unerwähnt. Vielleicht schreckte sie die fehlende Größe ab, Ferrell misst nur 1,83 Meter. Doch genau wusste er es eben nicht - und die Ungewissheit quälte ihn. "Das war hart mitanzusehen", sagte Ferrells Uni-Trainer Tom Crean zu Sports Illustrated. "Die Draft-Nacht war der Tiefpunkt."

Nicht mehr lange, und Ferrell wäre nach Europa gewechselt

Ferrell rappelte sich aber auf, wählte den unbequemen Weg, der durch die NBDL führt, das Unterhaus der NBA. Zwischenzeitlich stellten ihm die Brooklyn Nets einen Zehn-Tages-Vertrag aus, nur um ihn dann wieder zu entlassen. Europas Spitzenklubs streckten die Fühler nach ihm aus. Früher oder später hätte Ferrell diese Angebote wohl nicht mehr ausschlagen können.

Nun bleibt Europa vorerst in weiter Ferne. Denn in Dallas kam zum Vorschein, was in Brooklyn noch versteckt blieb: Der gute Distanzwurf, der aggressive Zug zum Korb. "Er haut sich einfach rein, ist angriffslustig. Er tut uns richtig gut", lobt Dirk Nowitzki. Und Dallas' Trainer Rick Carlisle hebt Ferrells Baksetballverständnis hervor: "Er lernt sehr schnell, das macht in vielen Situationen den Unterschied."

Carlisle gilt als einer der trickreichsten Trainer der Liga. Dallas blieb in den vergangenen Jahren konkurrenzfähig, weil sein System funktioniert. In dieser Saison verpufften aber auch Carlisles Taktikkniffe. Yogi Ferrell erweitert die Optionen nun wieder. Ein explosiver Spieler wie er hat Carlisle gefehlt. Das Vertrauen des Trainers in den Neuling drückt sich in Zahlen aus: Über 35 Minuten erhält Ferrell pro Spiel.

Fünf von sieben Spielen haben die Dallas Mavericks mit Yogi Ferrell gewonnen. Selbst die Spitzenteams San Antonio und Cleveland haben sie überrumpelt. Weil viele Mannschaften in der Western Conference schwächeln, könnten die Mavericks am Ende doch noch in den Playoffs landen. Und Mark Cuban könnte noch mal betonen, wie schlau er war.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: