NBA:Und das als Europäer

Luka Doncic, DeAndre Jordan, Josh Okogie

Beeindruckt vor allem mit seiner mentalen Stärke: Luka Doncic übertrifft bei den Dallas Mavericks alle Erwartungen.

(Foto: Jim Mone/AP)

Nach einem halben Jahr in der NBA ist der Slowene Luka Doncic von den Dallas Mavericks bereits einer der stärksten Spieler der Liga. Die Werte von Dirk Nowitzkis Teamkollegen erinnern an die des jungen LeBron James.

Von Raphael Weiss, Dallas/München

Zu langsam ist er, zu weich, nicht besonders athletisch und mental noch nicht reif genug, verteidigen kann er auch nicht - kurzum: Das, was er da in Europa macht, wird in der NBA niemals klappen. Vor gut einem halben Jahr waren sich viele Experten in den USA einig, dass Luka Doncic, das 19-jährige Großtalent aus Europa, zwar ein interessanter Spieler ist, aber die beste Basketballliga der Welt noch eine Nummer zu groß für ihn ist. Es waren dieselben Vorurteile, die jedem Basketballer entgegen geschleudert werden, der den Schritt von Europa in die USA geht. Dass der Slowene Doncic bereits seit seinem 16. Lebensjahr professionell Basketball in der spanischen Liga - der wohl besten Europas - spielte, änderte daran ebenso wenig, wie die Tatsache, dass er seinen Verein Real Madrid gerade zur spanischen Meisterschaft und zum Euroleague-Sieg geführt hatte und zum besten Spieler des Turniers gewählt wurde.

In der Nacht auf diesen Samstag liegen die Dallas Mavericks dann 60 Sekunden vor Schluss mit 112:113 zurück. Selbstverständlich spielen die Mavericks einen Spielzug, der auf Doncic zugeschnitten ist. Der Slowene schüttelt seinen Gegenspieler Derrick Rose ab, er dribbelt in Richtung Korb und hebt ab. Karl-Anthony Towns und Taj Gibson, die zwei größten Verteidiger auf dem Parkett, versuchen ihn zu blocken, da krachen Doncic' Hände schon an den Ring. Ein Dunk zur zwischenzeitlichen Führung.

Schnelligkeit, Athletik, mentale Reife - mit einem Antritt zeigt er genau das, was ihm eigentlich in der NBA gar nicht gelingen dürfte. 30 Sekunden später haben die Minnesota Timberwolves wieder die Führung übernommen und Doncic bei einem Einwurf leichtfertig den Ball verschenkt. Ein Fehler, der das Spiel hätte entscheiden können, ein Fehler, der die meisten Spieler aus dem Konzept bringen würde. Doch dank der Verteidigung seines deutschen Teamkollegen Maximilian Kleber landet der Ball wieder in den Händen von Doncic. Auf dem Weg nach vorne schaut er sich um, einmal, zweimal, dreimal, sieht keinen Verteidiger und wirft einen Dreier - der Ball berührt auf seinem Weg durch den Korb nur das Netz. Am Ende des Spiels steht er bei 29 Punkten, zwölf Assists und acht Rebounds. Dallas gewinnt 119:114 - vor allen Dingen dank ihres neuen Anführers: Luka Doncic.

Doncic erinnert an LeBron James

Ein halbes Jahr ist es her, dass die NBA noch nicht genau wusste, was sie von Doncic halten soll. Die Atlanta Hawks holten ihn zwar an dritter Stelle des Drafts in ihr Team, gaben ihn aber für den Point Guard Trae Young gleich wieder in Richtung Dallas ab. Nach seinen ersten 41 NBA-Spielen hat sich die Meinung über Doncic komplett gewandelt. Seine Statistiken sind gewaltig: Pro Spiel macht er durchschnittlich 20 Punkte, verteilt fünf Assists und holt 6,7 Rebounds. Damit liegt er unter den Rookies mit jedem Wert unter den Top drei. Der letzte Liganeuling, der solche Zahlen auflegte, war der Spieler, den Doncic als sein großes Idol bezeichnet und von dem er sich noch am 1. November ein signiertes Trikot geholt hatte: LeBron James. Vor dem Spiel gegen die Timberwolves wurde Doncic zum zweiten Mal in Folge zum Rookie des Monats gewählt und bei der Abstimmung, wer den Westen der USA beim All-Star-Spiel am 22. Februar vertreten soll, liegt er aktuell auf Platz zwei hinter James und vor Stephen Curry. Sollte es Doncic tatsächlich in seiner ersten Saison in die illustre Auswahl schaffen, wäre das schon fast eine Sensation. Doncic (19 Jahre, 317 Tage) schaffte in der Partie gegen Minnesota als jüngster Spieler seit James (19 Jahre, 95 Tage im Jahr 2004) mindestens 25 Punkte und 10 Assists in einem Spiel.

Doch das Beeindruckendste an Doncic' ersten 41 Spielen ist seine mentale Stärke. Clutch nennen die Amerikaner die Eigenschaft, in spielentscheidenden Momenten genau das Richtige zu tun - so, wie es Doncic gegen die Timberwolves zeigte. Doch das war bei Weitem nicht das einzige Mal, dass der Teenager diese Fähigkeit bewies: Kein NBA-Spieler hat mehr Punkte während der letzten Spielminuten erzielt, wenn der Abstand zwischen den Mannschaften nur einen Punkt betrug. Mit 29 Punkten verweist er Kemba Walker (27 Punkte), James Harden (22), Kawhi Leonard (22) und Kevin Durant (21) auf die Plätze. Doncic traf in diesen Phasen 62 Prozent seiner Würfe, Harden, Walker und Durant gerade mal ein Drittel: "Er ist ein wirklich, wirklich, wirklich guter Spieler", sagte Portlands Damian Lillard am 24. Dezember und fügte an, "nicht nur für einen Rookie". Zuvor hatte Doncic das Spiel durch einen spektakulären Dreier 0,3 Sekunden vor Schluss ausgeglichen.

Der Umgang mit Doncic zeigt, wie kritisch Europäer in der NBA beäugt werden

Dass Doncic so eine erste Saison spielen würde, hatte nicht mal er selbst erwartet. Nach dem Timberwolves-Spiel sagte er Fox Sports: "Ich habe einfach nur Spaß. Ich hatte kein bisschen erwartet, dass das alles so laufen würde." Aber dass er der vielversprechendste Spieler des neuen Jahrgangs war, hätten die NBA-Manager durchaus wissen können. Genügend Anschauungsmaterial hatte Doncic ja in Europa schon produziert und dennoch griffen die Manager mit den ersten Picks lieber zu den einheimischen Talenten. Der Umgang mit Doncic zeigt, dass europäische Basketballer in den USA noch immer kritisch beäugt werden, obwohl in den letzten Jahren Spieler aus Europa großen Einfluss auf die NBA hatten. Der Grieche Giannis Antetokounmpo ist einer der Kandidaten auf den MVP-Titel, der Franzose Rudy Gobert wurde in der vergangenen Saison zum besten Verteidiger der Liga gewählt und der Serbe Nikola Jokic revolutioniert mit seiner spielerischen Qualität gerade die Position des Centers.

Es ist kein Wunder, dass ausgerechnet Dallas alles daran setzte, Doncic zu verpflichten. Die Mavericks haben weniger Berührungsängste mit dem europäischen Basketball als die meisten anderen Teams. Dem besten Europäer der NBA-Geschichte verdanken sie ihren einzigen Meistertitel. Der heißt Dirk Nowitzki und befindet sich gerade in den letzte Zügen seiner Karriere. Nowitzki war lange verletzt, Mitte Dezember machte er seine erste Partie der Saison. Wenn er über den Platz läuft, wirkt er so steif, dass er den Spitznamen "The big Mummy" bekam. Im Spiel gegen die Timberwolves stand er 13 Minuten auf dem Feld, nahm vier Würfe und traf keinen einzigen davon. Dass jeder Spielzug über ihn läuft, ist schon lange her, doch seit Doncic in der Mannschaft ist, hat er endgültig die Führungsrolle im Team abgegeben. Noch hat er sich nicht entschieden, ob die 21. Saison in der NBA seine letzte oder seine vorletzte sein wird.

Als Nowitzki für Dallas debütierte, war Doncic noch nicht geboren. Nun übergibt er ihm die Verantwortung für das Team. Für Doncic ist es der perfekte Zeitpunkt in die Mannschaft zu stoßen und noch etwas von Nowitzki zu lernen. Ähnlich wie Nowitzki hat er schon jetzt ein "Signature-Move", einen Wurf, der typisch für ihn ist und kaum zu verteidigen, den Step-Back: schnelle Schritte in Richtung Korb, ein Satz nach hinten - Wurf. Für Verteidiger ein Albtraum. Wenn seine Karriere nicht wider Erwarten einen Knick macht und Dallas es schafft, um Doncic eine konkurrenzfähige Mannschaft aufzubauen, könnte das Team in den kommenden Jahren die zweite Meisterschaft der Vereinsgeschichte feiern - dann wieder dank eines Europäers.

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