NBA nach Transfers und Tauschgeschäften:Basketball-Durcheinander im Februar

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Kevin Durant spielt künftig bei den Phoenix Suns - er suchte sich den Klub so aus, dass er endlich wieder allerbeste Titelchancen in der NBA hat. (Foto: Rick Scuteri/USA Today Sports)

Durant nach Phoenix, Irving nach Dallas - und Westbrook zu den Clippers. Willkommen im großen Chaos des US-Basketballs, wo NBA-Teams nach dem letzten Puzzlestück für den Titel suchen. Eine Analyse der wichtigsten Spielerwechsel.

Von Jürgen Schmieder, Los Angeles

Die Buchmacher in Las Vegas haben derzeit ordentlich zu tun. Am Montagnachmittag etwa wurde bekannt: Russell Westbrook bleibt in Los Angeles. Nicht bei den Lakers, die ihn vergangene Woche per Tauschgeschäft nach Utah geschickt hatten. Westbrook wird das Jazz-Trikot mit der Nummer 71 nicht tragen, er hat sich auf eine Auflösung seines Vertrags geeinigt und wird die restliche Saison beim Lakers-Stadtrivalen Clippers spielen. Deren Quote auf den Titel ist sogleich gesunken, von 14 auf zehn, also: Wer am Montagfrüh zehn Dollar gesetzt hatte, würde bei einem Clippers-Triumph 140 Dollar kriegen. Wer nach Bekanntwerden des Deals wettete, bekäme nur noch 100. Die Clippers haben nach dieser Sichtweise mit Westbrook einen guten Fang gemacht, ihr Titel käme nicht mehr ganz so überraschend.

Westbrook ist einer der prominentesten Basketballer der NBA: Er wurde 2017 als wertvollster Spieler der Liga ausgezeichnet. Mit 34 Jahren befindet er sich aber auf dem Höhepunkt der Athleten-Midlife-Crisis: Er selbst glaubt, dass er noch immer extrem wertvoll sei und auch so behandelt werden sollte; viele andere, darunter Lakers-Kollegen, sehen das anders: Er galt dort als Störfaktor. Symbol dafür war der Abend, an dem LeBron James zum erfolgreichsten Punktesammler der NBA-Geschichte wurde: Westbrook hatte den Pass zum Rekord-Korb gespielt, verließ nach der Partie aber die Halle ohne ein nettes Wort für James.

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Von Jürgen Schmieder

Erhöht Westbrook nun die Chance der Clippers auf den Titel - oder hat sich die Franchise mit seiner Verpflichtung ein Ei ins Nest gelegt? Bill Plaschke, Basketball-Kolumnist der Los Angeles Times, ist sich ziemlich sicher: "Das ist wirklich, wirklich dumm." Westbrook sei eine "Stinkbombe".

So geht es zu im US-Basketball rund ums All-Star-Wochenende. Kurz davor endet die Frist für Tauschgeschäfte, direkt danach gibt es letzte Deals. Akteure werden geholt und sogleich wieder weggeschickt, an zahlreichen Geschäften sind mehr als zwei Teams beteiligt. Jeder Transfer, jede Unterschrift verschiebt die Verhältnisse, gerade bei Titelkandidaten. Es ist ein heilloses Durcheinander, die Wettquoten gelten in den USA deshalb als verlässliches Barometer, wer sich tatsächlich verbessert hat. Hier also die neue NBA-Ordnung anhand der acht Las-Vegas-Favoriten.

Kyrie Irving (Nr. 2) und Luka Doncic (77) bilden in Dallas das gefährlichste Offensivduo der NBA, aber verteidigen muss halt auch jemand, wenn die Mavs Meister werden wollen. (Foto: Kevin Jairaj/USA TODAY Sports)

Platz acht: Dallas Mavericks

Noch eine Störfaktor-Debatte: Kyrie Irving ist einer der besten Werfer der Liga. Er ist aber auch bekannt dafür, eine Schneise der Verwüstung bei seinen letzten Vereinen Boston Celtics und Brooklyn Nets gezogen zu haben - weniger auf dem Parkett als abseits davon, zum Beispiel mit einem Werbepost auf Twitter für einen Film mit antisemitischem Inhalt, für den er sich nur halbherzig entschuldigte. Der sportliche Start in Dallas ist geglückt, zwei Bedenken aber bleiben: Mavs-Anführer Luca Doncic hat ebenfalls gerne den Ball in seinen Händen; Experimente mit zwei Spielmachern (Chris Paul und James Harden in Houston oder Irving und Kevin Durant in Brooklyn) sind zuletzt oft gescheitert. Zudem: Wer in diesem Kader kann eigentlich auf Titelniveau verteidigen?

Quote: 16:1

Platz sechs (geteilt): Golden State Warriors

Probieren in dieser Saison die Quadratur des Kreises, also: junge Spieler fördern und gleichzeitig mit den Ikonen der vier Titel in acht Spielzeiten (Steph Curry, Klay Thompson und Draymond Green) wieder konkurrenzfähig sein. Holten deshalb Gary Payton II. aus Portland zurück, der aufgrund seiner Defensivqualitäten ein wichtiger Faktor beim Titel 2022 war. Nur: Payton ist verletzt, die Warriors erfuhren erst sehr spät, dass er mehrere Wochen ausfallen wird. "Wir brauchen jetzt einen Boost, das war einer der Gründe für den Deal", sagt Trainer Steve Kerr: "Es ist frustrierend, dass er nun fehlt." Weil auch Curry verletzt aussetzt, ist die Playoff-Teilnahme in Gefahr. Allerdings: Wer setzt gegen die Kerr-Curry-Thompson-Green-Kombi?

Quote: 12:1

Platz sechs (geteilt): Philadelphia 76ers

"Trust the Process", heißt es in Philadelphia nun schon seit ... ja, wie lange eigentlich schon? Die 76ers wirken immer mehr wie der Geisterfahrer, der im lichthupenden Gegenverkehr steif behauptet, als Einziger auf dem richtigen Weg zu sein. Interessant ist deshalb, wen Philadelphia alles nicht gekriegt hat: Thomas Bryant (Denver Nuggets), Mason Plumlee (Clippers), Mike Muscala (Celtics) - und dann unterschrieb Kevin Love am Wochenende in Miami, obwohl er sich davor mit den 76ers getroffen hatte. Es gab also kaum noch Spieler, die dem Prozess in Philadelphia vertrauen.

Quote: 12:1

Platz fünf: Los Angeles Clippers

Die Westbrook-Verpflichtung ist die Sahnehaube auf diese interessante Neu-Bildung, die Manager Lawrence Frank vorgenommen hat: Er hat das Experiment mit John Wall beendet und Ersatz-Center Plumlee sowie die variablen Bones Hyland und Eric Gordon geholt. Terance Mann ist Stamm-Spielmacher, ein sehr guter Verteidiger, der sich Spielzeit mit Westbrook teilen könnte. Wer die Clippers zuletzt verfolgt hat, dürfte festgestellt haben: Wenn die oft verletzten Paul George und Kawhi Leonard fit sind, spielt LA uneigennützigen Offensivbasketball und kann gegen so ziemlich jeden Gegner verteidigen. Das Haus ist stabil.

Russell Westbrook dunkt gerne, aber er wird nicht jünger und kommt immer seltener so frei zum Korb. Wie läuft es mit ihm nun bei den Clippers? (Foto: Marcio Jose Sanchez/AP)

Westbrook kann deshalb auch ein Scheintrumpf sein, der das Kartenhaus wanken lässt. Aus dem Umfeld ist zu hören, dass weder Manager Frank noch Eigentümer Steve Ballmer den Deal eingefädelt haben und Trainer Tyronn Lue die Sache gelassen sieht. Es heißt, dass George sich für Westbrook eingesetzt habe - was grundsätzlich zu einer Debatte über die Macht der Spieler in der NBA führt. Bei den Clippers ist klar: Leonard und George bestimmen sehr, sehr viel.

Quote: 10:1

Platz vier: Denver Nuggets

Haben auf den ersten Blick nicht viel getan - warum auch? Denver liegt auf Platz eins der Western Conference. Die Nuggets haben in Nikola Jokic und Jamal Murray zwei Bandleader, die blendend harmonieren und die so ziemlich das Gegenteil von Stinkstiefeln sind. Für die haben sie jetzt zuverlässige Ersatzleute (Thomas Bryant und Reggie Jackson) geholt. Viel mehr war nicht möglich, aber mehr brauchte es auch nicht.

Quote: 7:1

Platz zwei (geteilt): Milwaukee Bucks

Ähnliche Situation wie in Denver - nur gab es wegen eines Blockbuster-Transfers (siehe Phoenix) ein Zuckerl. Die Bucks haben die beste Bilanz der NBA, gleichauf mit Boston. Sie holten Jae Crowder, der zuvor aus Phoenix nach Brooklyn geschickt worden war. Wer soll gegen Crowder, Giannis Antetokounmpo, Khris Middleton, Brook Lopez und Bobby Portis Punkte erzielen oder Rebounds pflücken? Das Zuckerl ist der Transfer, der letztlich dazu führte, dass sie Crowder bekamen.

Quote: 4:1

Platz zwei (geteilt): Phoenix Suns

Der Blockbuster-Trade, natürlich: Kevin Durant. Der Typ, der dorthin wechselt, wo er für sich die größte Chance auf Titel vermutet - und deshalb Debatten auslöst. Hat in Golden State geklappt, in Brooklyn aber gar nicht - und doch wären die Nets mit Durant/Irving eine Gefahr in den Playoffs gewesen. Die Antwort auf die oben gestellte Frage, wer gegen Milwaukee Punkte erzielen soll: diese alten Nets. Nun aber ist Durant bei den Suns und damit in der Western Conference. Die Suns haben in Durant und Devin Booker zwei Leute, die auch in Bedrängnis aus der Mitteldistanz treffen, was gerade in den Playoffs wichtig wird. Und sie haben Chris Paul, der trotz seiner 37 Jahre noch immer einer der besten Passgeber der Liga ist. Was sie nicht haben: zuverlässige Ersatzleute.

Quote: 4:1

Platz eins: Boston Celtics

Haben mit Milwaukee die beste Bilanz der Liga - und sind in der Eastern Conference die Nets losgeworden. Haben in Mike Muscala einen zuverlässigen Center geholt, der kein Einzelkönner wie ihr bester Mann Jayson Tatum ist, den aber andere Vereine (Denver etwa) gerne als brauchbaren Mann unter dem Korb gehabt hätten. Es war eher so: Es hatte viele Gerüchte gegeben, vor allem wieder um Flügelspieler Jaylen Brown. Manager Brad Stevens zerstreute sie in einem Gespräch mit Brown, der sagte: "Ich weiß das sehr zu schätzen."

Quote: 3:1.

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