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NBA: Russe kauft New Jersey Nets:Na sdarowje, New Jersey

Als erster Europäer übernimmt der Russe Michail Prochorow mit den New Jersey Nets eine Mannschaft aus der nordamerikanischen Basketball-Profiliga NBA.

Frank Nienhuysen

Es geht ja manchmal recht langweilig zu im Leben des reichsten Russen. Jedenfalls hat Michail Prochorow seinen Internet-Blog ziemlich verwaisen lassen, weil er "wegen lauter Routine in den letzten Monaten" einfach nichts zu schreiben gewusst habe. Vielleicht liegt es daran, dass er kürzlich seinen offiziellen Wohnsitz von Moskau in den sibirischen Ort Eruda verlegt hat, wo zwar nebenan seine Goldmine liegt, sonst aber nur 88 Einwohner gemeldet sind.

Hätte er also doch im Sommer die Leopoldvilla des ehemaligen belgischen Königs an der Côte d'Azur kaufen sollen, wie er es eigentlich vorgehabt hatte, eine der kostbarsten Immobilien der Welt? Jetzt aber ist ihm doch etwas Interessantes für seine Internetseite eingefallen. Der russische Geschäftsmann versucht einen Klub aus der amerikanischen Basketball-Profiliga, die New Jersey Nets, zu übernehmen - er wäre der erste Europäer der NBA-Historie, dem dies gelingt.

Große Investitionen

Prochorows Absichtserklärung vom Dienstag schien am Donnerstag schon überholt zu sein, denn die russische Nachrichtenagentur Ria Nowosti und die Internetseite der Nets melden bereits Vollzug. Prochorows Onexim-Gruppe erhalte 80 Prozent des Vereinskapitals. Dafür investiere sie 200 Millionen Dollar in den Bau des Barclays Center in Brooklyn, wo die NBA-Mannschaft künftig ihre Heimspiele austragen soll. Ein Stadion für 32.000 Zuschauer, um das herum sich noch ein merkantiles Gebäude-Ensemble gruppieren soll, die Atlantic Yards: Büroturm, Wohnhäuser, ein Unterhaltungszentrum. Auch daran will sich der Russe zu 20 Prozent beteiligen.

Geld genug hat er ja, und clever ist er auch. Das Magazin Forbes hat sein Vermögen einmal zusammengerechnet und ist auf 9,5 Milliarden Dollar gekommen. Der Summe hat Prochorow in einem Interview auch nicht widersprochen. In der Wirtschaftskrise hat auch er viel Geld verloren, aber unter all den russischen Großverlierern ist er nur ein Kleinverlierer, weil er rechtzeitig bedeutende Anteile an Unternehmen abgegeben hat. Und so hat Prochorow, 44, einfach am meisten von allen übrigbehalten, genug jedenfalls, um die New Jersey Nets zu kaufen. Der bisherige Nets-Inhaber Bruce Ratner verpackte die der Not entsprungene Vereinbarung in tapfere Sätze. "Es ist aufregend, dass kluge Investoren das wirtschaftliche Potential von Brooklyn so schätzen", sagte er und Prochorow ließ wissen, dass er schon lange ein leidenschaftlicher Basketballer sei und sich auch schon auf die künftige Entwicklung dieses Sportes in Russland freue.

Basketball und Bares

Die frischen Millionen kann der NBA-Klub gebrauchen, denn auf den Zuschauerschwund der jüngsten Vergangenheit folgte eine veritable Haushaltslücke. Etwa 30 Millionen Dollar müsse Ratner ausgeben, um den Etat zu stabilisieren, schrieb die russische Zeitung Kommersant. Die Nets gelten in der NBA als einer der unbeliebtesten Klubs, und so recht verwurzelt sind sie ja auch nicht. New Jersey, Long Island, wieder New Jersey, demnächst Brooklyn - etwas sprunghaft wirkt das offenbar für die New Yorker Fans, die halt lieber zu den Knicks gehen. Mit russischer Hilfe wollen sich die Amerikaner jetzt sanieren, aber weil Prochorow nicht nur Basketball liebt, sondern auch die guten alten Weisheiten des Kaufmannsberufs, will er aus dem Geschäft das Maximale herausschlagen.

Prochorow schwebt eine Art Basketball-Variante des Opel-Magna-Deals vor, ein Technologie-Transfer nach Russland. Spieler und Trainer aus Moskau und den Regionen sollen die modernen Trainingsmethoden der besten Basketball-Liga der Welt kennen und übernehmen lernen. Und russische Studententeams sollen in den NBA-Schulen trainieren dürfen. "Nur dann sind wir interessiert", sagte Prochorow: "Die professionellen Ligen bei uns können nicht selber genug verdienen. Das ist der Grund, weshalb die russischen Basketball-Klubs komplett von den Gouverneuren und den Unternehmern abhängen, die zugleich ihre Fans sind."

Nun will Prochorow den russischen Basketball auf Weltniveau trimmen, die Nationalmannschaft hat gerade erst gezeigt, wo derzeit ihre Grenzen liegen. Die Niederlage gegen Deutschland bei der Europameisterschaft wurde in Russland fassungslos aufgenommen, doch dann kamen gleich noch zwei weitere hinzu. Mühsam zog sich der Titelverteidiger ins Viertelfinale, gegen Serbien im Halbfinale war Schluss. Und die Amerikaner waren ja nicht einmal dabei. Den Stolz der Russen hat das getroffen, andererseits verneigen sich die russischen Medien seit langem schon tief vor dem Glanz und dem Niveau der NBA. In Moskau gibt es für Prochorow und seine New Jersey Nets also viel zu gewinnen.

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SZ vom 25.09.2009/jbe
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