NBA-Profi der Phoenix Suns:Basketballer Booker erzielt 70 Punkte in einem Spiel

Devin Booker

Devin Booker versenkte fast alles - und trotzdem verlor sein Team.

(Foto: Frank Franklin/AP)
  • In der NBA liefert Devin Booker von den Phoenix Suns eine herausragende Partie gegen Boston ab.
  • Er erzielt allein 70 Punkte - weil sein Team nur für ihn spielt.
  • Der 20-Jährige ist nun Mitglied in einem elitären Kreis von Basketballern.

Von Jonas Beckenkamp

Es gibt diesen Zustand im Basketball, wenn ein Werfer einfach "heiß läuft" wie ein gut geölter Diesel. Wenn der Korb dem Schützen so groß vorkommt wie ein Swimming Pool. Wenn Raum und Zeit sich so verdichten, dass fast jeder Versuch durch die Reuse flutscht, weil die Hände von selbst immer das richtige tun. "On fire", sagen die Amerikaner dazu und man darf schwer davon ausgehen, dass der NBA-Profi Devin Booker in der vergangenen Nacht genau dieses Gefühl verspürte.

Booker ist gerade mal 20 Jahre alt, doch bei der 120:130-Niederlage seines Teams gegen die Boston Celtics vollbrachte er etwas, von dem andere ihr ganzes Basketballer-Leben nur träumen können: 70 Punkte in einer Partie. Siebzig! Booker traf 21 von 40 Würfen aus dem Feld, darunter vier Dreier. Hinzu kamen 24 verwandelte Freiwürfe. Das sind kolossale Werte, wenn man bedenkt, dass schon eine Trefferqoute von 50 Prozent ein sehr guter Wert ist. Der US-Amerikaner mit dem Army-Haarschnitt brach damit gleich mehrere Rekorde.

Keinem Spieler der Suns gelangen bislang mehr Punkte in einer Partie - selbst Klub-Ikonen wie Charles Barkley, Tom Chambers oder Steve Nash nicht. Zudem konnte in der NBA-Historie noch nie ein Profi in so jungem Alter so viele Zähler verbuchen. Kein Lebron James, kein Steph Curry und auch kein Michael Jordan. Und natürlich haben die Rechenkönige des US-Sports munter in den Statistiken gekramt und weitere Vergleiche gefunden: Letztmals schaffte es ein gewisser Kobe Bryant im Januar 2006 über die 70-Punkte-Marke. Der ewige Ehrgeizling der Los Angeles Lakers erzielte damals beim 122:104-Sieg über die Toronto Raptors insgesamt 81 Punkte.

"Sowas kommt nicht alle Tage vor", weiß Booker

Insgesamt kamen überhaupt nur sechs NBA-Akteure in einer Begegnung auf 70 Punkte oder mehr: Center-Legende Wilt Chamberlain (der einst sogar 100 Punkte erzielte), Elgin Baylor, David Thompson, David Robinson und Bryant. "Sowas kommt nicht alle Tage vor", erzählte Booker hinterher, als er ausgepumpt in den Katakomben der Bostoner Arena stand. "Gerade gegen eine so starke Defensive wie die der Celtics ist es nicht leicht." In der Tat erlauben nur vier NBA-Mannschaften ihren Gegnern eine schlechtere Trefferquote als Boston - Booker erzielte seine Punkte also nicht gegen irgendwen.

Und es ist nicht so, als hätten es die Celtics nicht versucht, ihn zu stoppen. Booker musste sein heillos unterlegenes Team alleine antreiben, denn die Suns sind zwar ein talentierter Haufen, aber in der Defensive traditionell eher anfällig. Seine Würfe bildeten ein Sammelsurium aus dem Spektakel-Schmuckkästchen: Er traf per "Fade Away" im Zurückfallen wie einst Jordan, er traf gegen zwei, drei Gegenspieler, er traf trotz Foul, er verwandelte aus über acht Metern Entfernung, er klaute sich Bälle und rannte alleine davon. Nur einen Dunking schaffte er nicht.

"Ich war total konzentriert und habe einfach ultra-aggressiven Basketball gespielt", sagte er, "zudem haben meine Mitspieler kräftig mitgeholfen. Sie spielten mich mit Blöcken frei und gaben mir den Ball. Der Rest ist Geschichte." Weil die Suns von Beginn an aussichtslos zurücklagen, musste irgendeiner ja für Punkte sorgen. Scharfschütze Booker, ein freundlicher Junge aus Michigan, der am College für Kentucky spielte, übernahm diesen Job gerne - er tut es ohnehin jeden Abend für Phoenix. Mit fast 22 Zählern pro Partie ist er gerade eine der wenigen positiven Erscheinungen beim drittschlechtesten NBA-Team.

Es gibt Kritik - selbst aus den eigenen Reihen

Zum Abschluss seines rauschaften Abends posierten er und seine Kameraden trotz ihrer Pleite für ein Mannschaftsselfie in der Kabine - die NBA ist schließlich auch eine große Show. Auf einem Pappschild stand Bookers Bestmarke hingekritzelt: die 70. Der Fokus auf das Erreichen des Rekords gefiel unterdessen nicht allen. Als die Partie längst entschieden war, reihten die Suns Foul an Foul, sie nahmen Auszeiten, wo es nur ging, um Booker noch möglichst oft Wurchchancen zu ermöglichen.

Ums Gewinnen ging es da längst nicht mehr - die magischen 70 für ihren Besten waren das einzige Ziel der Gastmannschaft. "Ich fand das seltsam", sagte etwa Celtics-Regisseur Isaiah Thomas grimmig, "ich habe es noch nie erlebt, dass ein Team einfach nur für Statistiken eines Einzelnen spielt. Aber so ist das eben heutzutage."

Sein Kollege Jae Crowder postete einen ähnlichen Seitenhieb unter das Team-Selfie der Suns: "Ich habe noch nie so viele fröhliche Gesichter nach einer Niederlage gesehen." Seine Spitze löschte Crowder später. Aber Recht hatte er irgendwie schon: Was sind 70 Punkte wert, wenn man trotzdem verliert?

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