NBA Playoffs:Der Bescheidene

Shaquille O'Neal galt 18 Jahre lang als der Platzhirsch der NBA. Am Ende seiner Karriere gibt er sich mit der Rolle im Schatten eines anderen Superstars zufrieden - und hat damit Erfolg.

Jürgen Schmieder

Noch vor wenigen Jahren wäre dieser Satz aus dem Mund von Shaquille O'Neal undenkbar gewesen. "Mein Motto ist einfach", hatte O'Neal vor Beginn der Spielzeit der nordamerikanischen Basketballliga NBA gesagt. "Es lautet: Gewinne einen Ring für den King!" Der King, der König, das ist nicht er selbst, es ist der Spitzname seines Kollegen bei den Cleveland Cavaliers, LeBron James. Er will die Meisterschaft gewinnen, aber nicht für sich selbst, sondern für seinen zwölf Jahre jüngeren Mitspieler.

Zur Erinnerung: Shaquille O'Neal, das ist jener Basketballspieler, der sich selbst Spitznamen gab wie "The Real Deal", "The Diesel", "Dr. Shaq" - oder ganz unbescheiden "Superman", dessen Logo er auch als Tätowierung auf dem Oberarm trägt. Das ist jener Center, der einst bei den Los Angeles Lakers mit Kobe Bryant derart heftig um die Rolle des Platzhirschen gestritten hatte, dass nicht einmal der buddhistische Trainer Phil Jackson schlichten konnte und die Mannschaft nach drei Meisterschaften in Folge auseinander brach. "Superman" verließ Los Angeles im Zorn und kam über die Miami Heat und die Phoenix Suns vor dieser Spielzeit zu den Cleveland Cavaliers.

O'Neal ist auch physisch eine Mischung aus Platzhirsch und Superman. Bei einer Körpergröße von 2,16 Metern wog er zu Beginn seiner Karriere etwa 125 Kilogramm und war trotz dieser Physiognomie erstaunlich beweglich und ging filligran mit dem Spielgerät um - das Herumdrehen um den Gegner nannte er selbst den "Black Tornado".

In den vergangenen drei Jahren hat sich sein Körpergewicht auf 150 Kilogramm erhöht und beweglich ist kein Attribut mehr, das man dem 38-Jährigen zuschreiben würde - und von einem Tornado ist auch kaum mehr etwas zu erkennen. Er sieht ein wenig aus wie ein Luftballon, der zu stark aufgepustet wurde - und bewegt sich auch so. O'Neal erreicht nur noch zwölf Punkte (sein Karriereschnitt liegt bei 24,1) und 6,7 Rebounds (Karriereschnitt: 11,0) pro Spiel.

"Wichtiger für uns ist seine Erfahrung", begründete sein Trainer Mike Brown den Transfer vor der Saison. "Und die Fähigkeit, Mitspieler besser zu machen." Das ist in der Tat eine Eigenschaft O'Neals, die aufgrund seiner formidablen individuellen Statistiken und seines immensen Egos bislang meist unbeachtet blieb. Dabei schaffte es O'Neal immer wieder, zumindest auf dem Platz eine symbiotische Beziehung zu talentierten Mitspielern aufzubauen. Penny Hardaway (bei den Orlando Magic), Kobe Bryant (Los Angeles Lakers) und Dwayne Wade (Miami Heat) wuchsen neben O'Neal zu Superstars heran - erst als sie zu gut spielten und mehr Aufmerksamkeit und Gehalt forderten als O'Neal gab es Probleme.

Ähnliches versucht O'Neal nun in Cleveland mit LeBron James, ohne allerdings die Platzhirsch-Rolle für sich zu beanspruchen. Der Superman gibt sich damit zufrieden, nur noch der Helfer eines anderen Superhelden zu sein - wohl wissend, dass er gegen die Popularität seines Mitspielers nicht ankommt. Wegen James änderten die Cavaliers im Jahr 2003 ihre Vereinsfarben und das Logo, mit dem einstigen High-School-Phänomen (die Schule ist nur 50 Minuten von der Arena der Cavaliers entfernt) sollte eine neue Ära bei einem der erfolglosesten Teams in der NBA beginnen.

Die vergangenen fünf Spielzeiten schlossen die Cavaliers mit einer positiven Bilanz ab - im vergangenen Jahr gar als beste aller NBA-Mannschaften - und erreichten im Jahr 2007 das Finale um die Meisterschaft. Einen Titel konnte der Verein indes noch nicht gewinnen. "Ein Superstar reicht nicht, um Meister zu werden", sagte Michael Jordan vor dieser Spielzeit. "Ich hatte Scottie Pippen bei mir, Magic Johnson hatte James Worthy und Kareem Abdul-Jabbar und Kevin Garnett hatte Ray Allen und Paul Pierce."

Die Cavaliers mussten James vor dieser Spielzeit eine Mannschaft zur Verfügung zu stellen, mit der er den Titel gewinnen kann - vor allem deshalb, weil er nach der Saison den Verein wechseln darf und mehrere Klubs (darunter die New Jersey Nets, die New York Knicks und die Detroit Pistons) bereits starkes Interesse angemeldet haben. Aus diesem Grund verpflichtete General Manager Danny Ferry nicht nur Shaquille O'Neal, sondern auch Anthony Parker und den zweifachen All-Star Antawn Jamison.

Die reguläre Saison beendeten die Cavaliers erneut als beste Mannschaft der Liga, die Mannschaft gilt in der Eastern Conference neben den Orlando Magic als Kandidat für den Einzug ins NBA-Finale. Im Westen sind dies neben den Los Angeles Lakers auch die Dallas Mavericks mit Dirk Nowitzki, der mal wieder seine fast letzte Chance nutzen möchte, endlich einen Titel zu gewinnen.

Für O'Neal wäre eine Finalserie gegen die Los Angeles Lakers und deren Superstar Kobe Bryant der passende Abschluss. Innerhalb seiner Mannschaft gibt er den bereitwilligen Helfer - und doch würde er am Ende seiner Karriere gerne auf mehr Titel verweisen können als Bryant. Derzeit haben beide je vier Meisterschafen gewonnen, drei davon gemeinsam. "Ich will diesen Titel, ich bin mehr als entschlossen", sagt O'Neal.

Allerdings verpasste er aufgrund einer Operation am rechten Daumen die letzten 23 Partien der regulären Spielzeit. Es bleibt die Frage, wie lange der Center braucht, um seinen Spielrhymthmus zu finden - und ob er überhaupt fit ist. Er hat mehr als zehn Kilogramm abgenommen während der unfreiwilligen Auszeit, Kommentator Scott Howard-Cooper von nba.com fragte gar: "Ist er der große Slimfast?"

Beim ersten Playoff-Spiel gegen die Chicago Bulls (96:83) stand O'Neal auf dem Feld, er schaffte zwölf Punkte und vier Rebounds - und präsentierte sich erstaunlich fit und beweglich. Er zeigte sogar den "Black Tornado". Keine Frage: O'Neal will in dieser Saison den Titel gewinnen - nicht nur für LeBron James, sondern auch für sich selbst

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: