NBA-Playoffs: Dallas Mavericks:Dirk Nowitzki und die alternden Loser

Seit Jahren versuchen die Dallas Mavericks, um Dirk Nowitzki ein titelfähiges Team aufzubauen. In diesem Jahr könnte es Eigentümer Mark Cuban gelungen sein - mit Spielern, die noch keine Meisterschaft gewinnen konnten, anderswo nicht mehr gebraucht wurden und ihr einst überbordendes Ego dem großen Ziel opfern.

Jürgen Schmieder

Endlich durfte Tyson Chandler wieder weg aus Oklahoma City, die nur 330 Kilometer lange Fahrt zurück nach Dallas sollte eine angenehme gewesen sein für den Center der Mavericks. Seine Mannschaft hat beide Auswärtsspiele im Playoff-Halbfinale gegen die Oklahoma City Thunder gewonnen (das vierte nach unglaublicher Aufholjagd mit 112:105) - und Chandler hat mit zwei überzeugenden Vorstellungen (elf Rebounds pro Spiel) späte Rache genommen an dem Verein, der Chandler einst nicht wollte.

Dallas Mavericks at Oklahoma City Thunder Basketball

Dirk Nowitzki sagt über Tyson Chandler: "Der positivste Mensch, mit dem ich je gespielt habe."

(Foto: dpa)

Vor zwei Jahren war Chandler auf dem Weg nach Oklahoma City gewesen, musste jedoch umkehren. "Ich erhielt einen Anruf von meinem Agenten, der sagte: 'Dreh um und fahr nach Hause, die wollen dich nicht mehr!' Also bin ich heimgefahren und das war's."

Chandler war von Oklahoma City Thunder verpflichtet worden, der Verein machte jedoch vor der Vertragsunterzeichnung einen Rückzieher, weil Chandler angeblich den Fitnesstest nicht bestanden habe. "Natürlich braucht man im Playoff-Halbfinale keine zusätzliche Motiviation", sagt der Center der Mavericks. "Ich habe sie trotzdem."

Chandler ist das Sinnbild der Mavericks in diesen Playoffs, erst im vergangenen Sommer war der 29-Jährige aus Charlotte, North Carolina, nach Texas gewechselt - bei den Bobcats war er nicht gebraucht worden. Nun gilt er als zuverlässiger Center bei den Mavericks, als harter Verteidiger und als großartiger Motivator. "Er ist der positivste Mensch, mit dem ich jemals zusammengespielt habe", sagt Dirk Nowitzki über Chandler.

Terry, Chandler, Marion: einst Führungsspieler, nun Ersatz

Seit Jahren versuchen die Dallas Mavericks, um Nowitzki ein titelfähiges Team aufzubauen. Sie haben es mit Spielern versucht, die Abonnements auf die Teilnahme am All-Star-Spiel hatten wie etwa Michael Finley und Steve Nash, mit talentierten Jungspielern wie Josh Howard oder mit bulligen und überbezahlten Centern wie Eric Dampier. Der Verein erreichte stets die Playoffs, um früher oder später doch zu scheitern.

Mavericks' Kidd celebrates the win over the Thunder with teammate Terry after Game 3 of the NBA Western Conference Final basketball playoff in Oklahoma City

Ego an der Eingangstür abgeben: Jason Kidd (re.) und Jason Terry.

(Foto: REUTERS)

In diesem Jahr könnte es Eigentümer Mark Cuban gelungen sein, eine Mannschaft zu formen, die den Titel gewinnen kann - gegen die Thunder führen die Mavericks komfortabel mit 3:1 und können in der Nacht zum Donnerstag ins Finale (im Halbfinale zwischen den Miami Heat und den Chicago Bulls steht es 3:1 für Miami) einziehen.

Erfolgreich sind die Mavericks ausgerechnet mit Spielern, die vor Jahren einmal prägende Spieler waren, dann nicht mehr gebraucht wurden und die vor allem bereit waren, ihr Ego am Eingang der Arena in Dallas abzugeben. "Ich bin ein Fan dieses Klubs", sagt Cuban, der bei jedem Spiel seiner Mannschaft hinter der Ersatzbank sitzt und lautstark anfeuert - nach dem Sieg in Oklohoma City schüttelte er Shawn Marion ekstatisch. "Aber ich bin ein Fan, der etwas bewegen kann. Das tue ich - und ich denke, dass wir mit diesen Spielern unser großes Ziel erreichen."

Jason Kidd ist so einer, der einst seine Karriere in Dallas begonnen hatte, in Phoenix und New Jersey zu einem der besten Spielmacher der NBA heranreifte - um dann vor drei Jahren als Veteran zu den Mavericks zurückzukehren. 38 Jahre alt ist Kidd mittlerweile, in den Playoffs agiert er jedoch, als wäre er kurz vor der Saison in einen Jungbrunnen gefallen.

"Wenn man älter wird, dann wird man langsamer. Nur: Auch die Dinge um einen herum passieren langsamer. Man erkennt Sachen, die man vorher so nicht gesehen hat. Älter werden kann deshalb auch ein Vorteil sein", sagte Kidd vor dem vierten Spiel gegen die Thunder.

Für Kidd rückte der vormalige Stammspielmacher Jason Terry in die zweite Reihe, ein Akteur, dessen Fähigkeiten gemeinhin nur von seinem Ego übertroffen werden und der nach erfolgreichen Würfen erst dann mit dem Jubeln aufhört, wenn auch wirklich jeder Zuschauer in der Halle geklatscht hat. Terry sitzt zu Beginn der Partien meist auf der Ersatzbank. Vor wenigen Jahren noch hätte er eine Klage gegen seinen Verein wegen Blasphemie erwogen, nun akzeptiert er diese Rolle.

Stojakovic, Stevenson, Barea: wichtige Rollenspieler

Dallas Mavericks v Oklahoma City Thunder - Game Three

Nowitzki und die Nicht-mehr-Gewollten: Die Mavericks befinden sich auf dem Weg ins NBA-Finale.

(Foto: AFP)

"Ich habe das Bild gesehen, das Mark Cuban da gebaut hat", sagt Terry. "Es sieht gut aus, es sieht nach Meisterschaft aus." Deshalb sei er bereit gewesen, auf einen Stammplatz zu verzichten - in den entscheidenden Situationen eines Spiels steht er dennoch auf dem Feld. 17,5 Punkte pro Spiel erzielte er bislang in der Ausscheidungsrunde - und nicht selten klatscht tatsächlich jeder Besucher in der Halle.

Akteure wie Chandler, Kidd und Terry gibt es zuhauf im Kader der Mavericks. José Juan Barea etwa hatte am akademisch hochklassigen, sportlich aber eher unterdurchschnittlichen College Northeastern gespielt, beim NBA-Draft wollte ihn kein Verein. Vor der Saison 2006/2007 verpflichtete Mavericks-Besitzer Mark Cuban ihn doch - seitdem hat sich der quirlige Dribbler als zuverlässiger Aufbauspieler bewährt, im ersten Spiel gegen die Thunder war er mit 21 Punkten der erfolgreichste Werfer nach Nowitzki und Terry.

Der mittlerweile 33-jährige Peja Stojakovic, einst Stammspieler bei den Sacramento Kings und zweimaliger Gewinner des Drei-Punkte-Wettbewerbs während des All-Star-Wochenendes, war im Januar von den Toronto Raptors ausgemustert worden. Cuban erkannte, dass ein weiterer Distanzschütze durchaus hilfreich sein könnte, weil Nowitzki häufig von zwei Gegenspielern bearbeitet wird. Er gab Stojakovic einen Vertrag - und der Serbe fühlt sich offensichtlich wohl in seiner Rolle, nur noch 16 Minuten pro Spiel auf dem Feld zu stehen.

Shawn Marion war einst prägender Akteur in Phoenix und kam über Miami und Toronto nach Dallas, der 33-Jährige Forward gibt in Dallas nun den soliden Forward. Brendan Haywood, einst Stammcenter bei den Washington Wizards, gibt nun bereitwillig den Ersatzmann für Chandler.

Nowitzki als Anführer der alten Herren

Dallas Mavericks point guard Jose Juan Barea scores against the Los Angeles Lakers in LA

Liebling der Dallas-Fans: José Juan Barea.

(Foto: REUTERS)

DeShawn Stevenson, mittlerweile 30 Jahre alt und zuletzt von den Washington Wizards nicht mehr gewollt, ist mittlerweile in Dallas gar Stammspieler auf der Guard-Position neben Kidd und gilt als bester Verteidiger seiner Mannschaft. In der Serie gegen die Thunder ist er meist für die Bewachung von Kevin Durant zuständig.

Freilich spielt bei der Zusammensetzung des Kaders nicht nur die Erfahrung eine Rolle, sondern die Tatsache, dass keiner der alternden Akteure jemals die Meisterschaft gewinnen konnte. "Die Tür für einen Titel schließt sich für die meisten von uns sehr bald, wir sind derzeit die alten Loser", sagt Jason Kidd. "Auch deshalb sind wir motivierter - und auch bereit, persönliche Ziele zu opfern, um endlich einen Ring an den Finger zu bekommen."

Das gilt freilich auch für Dirk Nowitzki, der sich derzeit in der Form seines Lebens befindet und gerade in den Playoffs erneut beweist, dass er zu den wertvollsten Spielern der NBA zählt. "Es ist unglaublich, wie hart er arbeitet, um so gut zu sein, wie er ist", sagt Chandler über Nowitzki. Am Abend vor der vierten Partie gegen die Thunder, als Kollegen und Gegner im Hotel entspannten, da fuhr Nowitzki mit seinem Mentor Holger Geschwindner in die Halle in Oklahoma City und übte einige Würfe.

Der Lohn dafür: 40 Punkte und eine Vorstellung, die der ehemalige Trainer Jeff Van Gundy als "legendär" bezeichnete. Es passt zu diesen Mavericks, dass ihr prägender Akteur ein Mensch ist, der sein Ego mit in die Umkleidekabine nehmen darf, weil es so klein ist. "Ich habe keinen Rebound gefangen, daran muss ich arbeiten. Schauen Sie auf die anderen Jungs, die haben phantastisch gespielt und diese Partie gewonnen", sagte er nach dem Sieg in Oklahoma City.

Nowitzki wird einmal in die Hall of Fame aufgenommen werden, die Ruhmeshalle der erfolgreichsten Basketballer. Und doch hat die famose Karriere Nowitzkis noch diesen Makel, keinen Titel gewonnen zu haben. Auch der Spalt seiner Tür zum Titel wird mit jeder Saison ein wenig enger. In diesem Jahr, mit Mitspielern, die bei anderen Vereinen nicht mehr gewollt waren, könnte es tatsächlich so weit sein.

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