NBA-Playoffs:Auch LeBron James schimpft

NBA: Playoffs-Los Angeles Clippers at Phoenix Suns

Devin Booker kann teuflisch gut werfen -und jetzt könnte es ins NBA-Finale schaffen

(Foto: Mark J. Rebilas/USA TODAY Sports)

Im US-Basketball fehlen kurz vor dem Finale zahlreiche Spieler verletzt, es wird über die Gründe gestritten. Die Rochaden führen dazu, dass junge Akteure wie Devin Booker glänzen - dessen Phoenix Suns die große Überraschung sind.

Von Jürgen Schmieder, Los Angeles

Dieser Blick. Die Partie zwischen den Philadelphia 76ers und den Atlanta Hawks war noch nicht vorbei, aber sie war gelaufen, und deshalb starrte 76ers-Center Joel Embiid ins Nichts. Es ist der Blick eines Sportlers, der genau weiß, was da passiert, jedoch nicht wahrhaben will, dass es passiert - nicht schon wieder.

Die 76ers, dieses große Versprechen auf einen Titel in der nordamerikanischen Basketballliga NBA, haben dieses Versprechen in den Playoffs mal wieder nicht gehalten. Sie sind wieder gescheitert, wie schon 2019, als es gegen den späteren Meister Toronto dramatisch zu Ende ging. Oder wie 2018 und 2020, als man sich jeweils gegen Boston blamierte. Diesmal war es eine Mischung aus dramatisch und blamabel: 96:103 im entscheidenden siebten Spiel gegen den Außenseiter aus Atlanta.

Der Blick von Embiid enthielt aber auch eine resignierte Komponente; die des Sportlers, der von nun an nicht mehr glaubt, dass es noch mal etwas wird. Der Gegner war diesmal nicht ausgebuffter, abgezockter, sondern jünger, wilder, hungriger. Die fünf Spieler, die für die Hawks am Ende der Partie auf dem Parkett waren: Kevin Hürter, 22 Jahre alt, Clint Capela, 27, Bogdan Bogdanovic, 28, John Collins, 23, Trae Young, 22.

"Sorry, Fans, ich wünschte, ihr könntet jetzt eure Lieblingsspieler sehen."

Oder, anders formuliert: Von allen noch aktiven Akteuren, die jemals zum wertvollsten Spieler der Saison gewählt worden sind, ist vom Halbfinale an nur noch Giannis Antetokounmpo (Milwaukee Bucks) dabei. Gesamtzahl der Titel der verbleibenden Teams: zwei. Die Hawks haben 1958 gewonnen, Halbfinal-Gegner Bucks 1971; die Los Angeles Clippers und Phoenix Suns - das Semifinalduo im Westen - sind noch ohne Meisterschaft.

Die Playoffs stehen unter dem Motto "Jugend forscht", und in der US-Basketballszene wird heftig darüber gestritten, warum das so ist - es ist schon auffällig, wie viele der bekanntesten Akteure angeschlagen oder verletzt gewesen sind. Die Los Angeles Lakers zum Beispiel, Sieger der Vorsaison, sind ja nicht nur deshalb gescheitert, weil der deutsche Spielmacher Dennis Schröder offensichtlich die Arbeit verweigert hat; sondern auch, weil LeBron James und Anthony Davis vor Beginn der Playoffs lange verletzt gewesen waren und deshalb nie ihre Spielfreude fanden.

Die mit Bekanntheiten gespickten Brooklyn Nets scheiterten, weil im entscheidenden Moment gegen die Bucks nur noch eineinhalb Anführer (Kyrie Irving fehlte, James Harden schleppte sich angeschlagen übers Parkett) übrig waren. Bei der ersten Halbfinal-Partie zwischen den Suns und den Clippers (Phoenix gewann Montagnacht 120:114) fehlten Suns-Aufbauspieler Chris Paul, 36, und der ohnehin oft verletzte Clippers-Flügel Kawhi Leonard.

"Ich wusste, dass das passieren würde", schimpfte deshalb LeBron James auf Twitter. Ganz konkret ging es ihm darum, dass die NBA die aktuelle Saison nur zwei Monate nach dem Ende der vergangenen begonnen hatte. Die war wegen der Pandemie verschoben und dann in eine Blase im US-Bundesstaat Florida verlegt worden; viele Spieler hatten sich deshalb für einen späteren Beginn der neuen Saison als den 22. Dezember ausgesprochen.

"Die wollten nicht auf mich hören", schrieb James: "Es ist krank. Sorry, Fans, ich wünschte, ihr könntet jetzt eure Lieblingsspieler sehen." Die - das sind die Verantwortlichen der NBA, und die reagierten sogleich mit nüchternen Zahlen. "Der Anteil der Partien, die Stammspieler und All-Stars wegen Verletzungen verpasst haben, lag dieses Jahr im gleichen Bereich wie in den letzten drei Jahren", hieß es in einem Statement.

Basketball mag in den vergangenen Jahren zwar harmloser geworden sein, der ehemalige NBA-Spieler Rex Chapman schrieb über die vermeintliche Verweichlichung: "An alle, die gerne die Härte und die Kämpfe aus der Zeit von Bill Laimbeer, Larry Bird, Kurt Rambis, Isiah Thomas, Dennis Rodman, Kevin McHale und Patrick Ewing sehen würden: All die Jungs humpeln seit 20 Jahren durchs Leben."

Wer NBA-Partien derzeit mal genauer betrachtet, der erkennt, dass die Gefahren heutzutage woanders lauern: Gelenke werden bei Richtungswechseln in Höchstgeschwindigkeit malträtiert, Bänder bei der Landung überdehnt, Muskeln permanent überansprucht. Was James deshalb fordert (wie viele Größen in anderen Disziplinen auch): mehr Pausen. Das System sei überdreht, es gebe zu viele Termine.

Allerdings, und auch das ist wichtig: Die Spielergewerkschaft hat dem früheren Start zugestimmt, die Gehälter der Spieler sind laut Tarifvertrag mit den Einnahmen der Liga verknüpft - und die wiederum mit TV-Verträgen, die nur ausgezahlt werden, wenn möglichst viele Spiele zu sehen sind. Es ist also nicht allein die Schuld der Liga, dass es zur kurzen Pause gekommen ist.

Immerhin siegen mal nicht die Warriors

Beim Basketball gewinnt nicht immer der mit dem feinen Wurfhändchen (manchmal schon, Dirk Nowitzki 2011 zum Beispiel) oder dem besten Zusammenspiel (San Antonio Spurs 2014), sondern manchmal auch der Verein, der noch genügend Kräfte besitzt; wie die Toronto Raptors 2019 etwa. Das führt zu spannenden Playoffs wie diesmal.

Diese sind auch deshalb interessant, weil mal nicht LeBron James in der Finalserie sein wird wie neun Mal in den letzten zehn Jahren - und mal nicht die Golden State Warriors (fünf Mal in sechs Spielzeiten), sondern jüngere Profis: etwa Wirbelwind-Scharfschütze Trae Young von den Hawks oder Terance Mann und Reggie Jackson von den Clippers, deren Großtaten im abschließenden Viertelfinale wohl kaum jemand erwartet hatte.

Oder Suns-Spielmacher-Scharfschütze Devin Booker, der beim ersten Halbfinale gegen die Clippers 40 Punkte, 13 Rebounds und elf Zuspiele schaffte - und Kollege Chris Paul deshalb diesen Blick von Embiid ersparte. Paul fehlt aufgrund eines positiven Covid-Tests, so wie er in den vergangenen Jahren immer wieder wegen Verletzungen gefehlt hatte und noch immer auf den ersten Titel seiner Karriere wartet.

Die Covid-Sperre dürfte bei ihm für den Das-wird-nichts-mehr-Moment gesorgt haben, nun aber heißt es, dass er zur dritten Partie in Los Angeles wieder spielen könnte - vielleicht sogar mit einer 2:0-Führung im Rücken. Paul befindet sich in Quarantäne in seinem Haus in LA, von dort zur Arena braucht er nicht einmal eine halbe Stunde.

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