US-Sport gegen Rassismus:Sportler erheben jetzt gemeinsam ihre Stimmen

Lesezeit: 2 Min.

Protest gegen Rassismus: Die Milwaukee Bucks traten nicht gegen Orlando Magic an (Foto: USA TODAY Sports)

Der Protest im US-Sport ist historisch: Er setzt dem Märchen ein Ende, dass Sport und Politik getrennt sein müssen. Höchste Zeit, dass das auch die großen Verbände einsehen.

Kommentar von Jürgen Schmieder

Wäre das nicht toll, wenn Sport und Politik wirklich streng voneinander getrennt wären? Wenn das Internationale Olympische Komitee (IOC) die russischen Systemdoper konsequent bestrafen könnte, ohne politischen Druck? Wenn Verbände wie im Fußball, im Handball, in der Leichtathletik nicht immer wieder Weltmeisterschaften nach Katar vergeben würden, wo nun auch Olympia 2032 stattfinden könnte? Wenn das amerikanische Militär nicht Millionen von Dollar dafür ausgeben würde, dass vor den Partien im Profi-Football patriotische Shows veranstaltet werden?

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"Don't mix sports with politics" ist eine Grundregel des IOC, und sie wird immer dann verwendet, wenn den Mächtigen beider Bereiche eine Vermischung nicht in den Kram passt. Wenn also der Footballspieler Colin Kaepernick während der pompösen Militär-Show kniet, um gegen Polizeigewalt zu protestieren - dann schimpft ihn der US-Präsident Donald Trump einen "Hurensohn". Wenn Bundesliga-Fußballer auf T-Shirts gegen Rassismus demonstrieren - dann ermittelt der deutsche Verband DFB erst einmal. Und wenn sich der amerikanische Basketballspieler LeBron James zu gesellschaftlichen Debatten äußert - dann bekommt er von einer Moderatorin mitgeteilt: "Shut up and dribble" - halt's Maul und dribble! Sportler sollen Spektakel liefern und ansonsten brav still sein. Es sollen Bilder ohne Störgeräusche sein.

Die Strippenzieher im Profisport sind Meister darin, ihre Disziplinen mit Politik zu vermischen, solange es dem Image und der Steigerung der Einnahmen dient; im Gegenzug dürfen sich Politiker im Glanz der schönen Bilder sonnen, die der Sport produziert. Wenn es jedoch darum geht, gesellschaftliche Verantwortung zu übernehmen und Position zu beziehen, dann verweist der Sport gerne darauf, keinesfalls politisch sein zu wollen. Es gibt vielleicht mal eine Gedenkminute zwischen Pomp-Show und sportlichem Spektakel, das war es dann meist aber auch schon. Nur niemanden verärgern! Jeder Fan, der sich vom säkularen Opium fürs Volk abwendet, bedeutet weniger Einnahmen.

Nur: Wer allen gefallen will, gefällt irgendwann keinem mehr. Wer nie Stellung bezieht, wird beliebig und bedeutungslos.

Es ist deshalb historisch, was am Mittwoch im amerikanischen Sport passiert ist. Zuerst hatte die Basketball-Liga NBA alle drei Playoff-Partien abgesagt, die für diesen Tag anberaumt waren; es folgte die Frauenliga WNBA mit ebenfalls allen drei Spielen. Die MLB (Baseball) verschob drei Partien, die MLS (Fußball) gar fünf. Beim Tennisturnier in New York wurden alle für Donnerstag angesetzten Matches verlegt. Es ist ein klares Zeichen des Sports, dass es politisch so nicht weitergehen darf in diesem Land.

Es sind keine Einzelsportler mehr, die protestieren, sondern Klubs, Ligen, Profiorganisationen. Ob man diese Haltung mag oder nicht: Sie setzt dem Märchen ein Ende, dass Sport und Politik getrennt seien, denn das sind sie nicht. Sportler liefern Spektakel, sie verfügen aber auch über Stimmen, die millionenfach gehört werden. Höchste Zeit, dass auch Verbände wie das IOC oder der Fußball-Weltverband Fifa einsehen, dass sie nicht mehr länger Bilder ohne Ton senden können.

© SZ vom 28.08.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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