NBA:Die Zweifel an den Lakers wachsen

Los Angeles Lakers - Los Angeles Clippers

Prominentreff in Los Angeles: LeBron James (li.) von den Lakers im Zweikampf mit Kahwi Leonard von den Clippers. Leonard, der Gesamtsieger des Abends, ist neu in der Stadt, vorige Saison gewann er mit Toronto den NBA-Titel.

(Foto: Ringo H.W. Chiu/dpa)
  • Sind die Lakers wirklich so gut, wie sie es dem Publikum und sich selbst einzureden versuchen?
  • Nachdem auch das "Christmas Game" verloren wurde, obendrein gegen die Clippers, mehren sich die Zweifel.

Von Jürgen Schmieder, Los Angeles

Es gibt keinen krachenden Dunking zu bestaunen in dieser Sequenz knapp vier Minuten vor Schluss, keinen No-Look-Pass, kein Gegenspieler-stolpert-Dribbling. Doch genau deshalb steht diese Sequenz symbolisch für das Stadtduell zwischen den Clippers und den Lakers, das "Battle of LA" genannt wird: Der Kampf um Los Angeles. Clippers-Verteidiger Lou Williams blockt den Wurfversuch von Lakers-Star Anthony Davis, er schnappt sich den Ball und läuft nun selbst auf den gegnerischen Korb zu. Davis hetzt hinterher und schubst Williams vom Parkett - lieber ein Foul als ein einfacher Korbleger.

Das ist knüppelharter Basketball und Erinnerung daran, wie diese Sportart mal gewesen ist; attraktiv für jene, die sich gerne an die teils brutalen Duelle zwischen den Chicago Bulls und den Detroit Pistons vor 30 Jahren erinnern. Vor allem aber ist es eine Bestätigung dafür, dass dieses Duell der Stadtrivalen am ersten Weihnachtstag eben doch sehr viel mehr gewesen ist als eine von 82 Partien während der normalen Saison. Das Duell wird folglich auch vier Sekunden vor Schluss nicht per Dunking, No-Look-Pass oder Gegenspieler-stolpert-Dribbling entschieden, sondern dadurch, dass Clippers-Verteidiger Patrick Beverly einen Wurf von LeBron James verhindert und danach mit Hilfe des Videobeweises den Ball zugesprochen bekommt. Die Clippers gewinnen den Kampf um Los Angeles am Ende mit 111:106.

"Es ist immer nur ein Spiel, selbst wenn es die entscheidende Partie um die Meisterschaft ist", erklärte Kawhi Leonard von den Clippers. Er ist bekannt für knochentrockene Aussagen mit sarkastischem Unterton, nach einer Niederlage kürzlich sagte er beispielsweise auf die Frage, was denn nun passieren werde: "Wir fliegen nach Hause."

Zweifel an der Qualität des Lakers-Kaders

Da steht Leonard also nun in dieser Arena im Stadtzentrum von Los Angeles, die auch Heimstätte seiner Clippers ist, er sieht auf die Tribüne, wo wegen der Ansetzung der Partie als Lakers-Heimspiel fast nur Menschen in lila-goldenen Trikots stehen. Und er sagt im Wissen um die nun schon vierte Lakers-Niederlage in Serie mit typischem Kawhi-Leonard-Grinsen: "Es war eine intensive Partie - ich glaube, dass die Zuschauer ihren Spaß hatten."

Die Lakers hatten einen famosen Einstieg in die Saison hingelegt, die Startbilanz von 24:3 sorgte bei Statistik-Freaks für den Hinweis, dass die meisten Siege der NBA-Historie möglich seien (die Golden State Warriors schafften vor vier Jahren eine 73:9-Bilanz). Zuletzt jedoch verloren sie bei den Indiana Pacers, den Milwauckee Bucks und gegen die Denver Nuggets und nährten Zweifel, ob dieser Kader so grandios ist, wie es die Lakers den Leuten und sich selbst einzureden versuchen.

Die Lakers-Profis bemühten sich derart intensiv, den drei Niederlagen und auch dem Derby mit den Clippers möglichst wenig Bedeutung zu verleihen (eineinhalb Stunden vor dem Spiel sagte jeder Akteur in der Kabine mindestens einmal den Satz: "Es ist ein Spiel wie jedes andere"), so dass nun wirklich jeder wusste, dass es mehr war als nur ein Spiel wie jedes andere.

Wie gut sind diese Lakers wirklich?

Am Weihnachtstag pausieren alle anderen US-Sportligen, und die NBA setzt sämtliche Partien so an, dass sie nun mal bedeutsam sind - die Philadelphia 76ers haben mit dem 121:109 gegen die Milwaukee Bucks ein Statement abgegeben, die Houston Rockets (104:116 gegen die Warriors) und die Denver Nuggets (100:112 gegen New Orleans) blamierten sich hingegen.

Die Sportfans in den USA verfolgen diese "Christmas Games" im Basketball, und dann debattieren sie, was sie gesehen haben - die interessanteste Frage lautet jetzt: Wie gut sind diese Lakers wirklich?

Nach gut einem Drittel der regulären Saison ist bekannt: LeBron James und Anthony Davis verstehen sich blendend, der von Meister Toronto Raptors gekommene Danny Green ist ein herausragende Verteidiger und Drei-Punkte-Schütze. Die launischen Veteranen Dwight Howard und Rajon Rondo fügen sich ins Gebilde, Kentavious Caldwell-Pope, Kyle Kuzma und Avery Bradley akzeptieren ihre Rollen als Randfiguren. Die Lakers gewannen all jene Spiele, die sie aufgrund ihres Talents gewinnen mussten - doch genau das führte hinein in diese Partie gegen die Clippers: Was passiert, wenn sie mal ordentlich verteidigt werden? Und wenn sie ordentlich verteidigen müssen?

LeBron James wird gut verteidigt

Statistiken erzählen oft nicht die komplette Geschichte einer Partie, im konkreten Fall jedoch tun sie das unmissverständlich: James wurde abwechselnd von Leonard und Beverly bewacht, die sich beide um den Titel des besten Verteidigers der Liga bewerben. Er traf gerade mal neun von 24 Würfen, von jenseits der Drei-Punkte-Linie gar nur zwei von zwölf. Auf der anderen Seite des Spielfeldes kümmerte sich James um Leonard, der versenkte trotzdem 19 seiner 27 Versuche für insgesamt 35 Punkte. "Sie haben es mehr gewollt", sagte James, als er enttäuscht vor seinem Spind in der Kabine saß: "Die Aktion von Beverly kurz vor Schluss war grandios."

James und Davis haben die jüngsten Partien entweder verletzt verpasst oder mit Blessuren absolviert, und nun hatte James nach einem Zusammenprall im ersten Viertel gegen die Clippers wieder Schmerzen in der Hüfte verspürt: "Ich bin wieder da, wo ich vor fünf Tagen gewesen bin."

Das zeigt: Die Lakers sind längst nicht so stabil, dass sie prägende Partien auch dann gewinnen können, wenn James und Davis nicht bei bester Gesundheit sind. Vielleicht sollte Trainer Frank Vogel die Einsatzzeiten seiner Stars verwalten, ähnlich wie es die Toronto Raptors in ihrer Meistersaison mit Kawhi Leonard taten, und wie es die Clippers nun in dieser Spielzeit mit ihm gestalten wollen. Leonard verpasst hin und wieder eine Partie, ist in den Playoffs aber gesund und ausgeruht - also dann, wenn jede Partie mehr ist als nur so ein Spiel wie jedes andere.

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