Golden State Warriors:Das Ende einer Ära?

Golden State Warriors: Muss lange ohne seine wichtigsten Mitspieler, Klay Thompson und Kevin Durant, auskommen: Stephen Curry.

Muss lange ohne seine wichtigsten Mitspieler, Klay Thompson und Kevin Durant, auskommen: Stephen Curry.

(Foto: Frank Gunn/AP)
  • Nach den schwerwiegenden Verletzungen zweier Leistungsträger könnte die Ära der Golden State Warriors vorerst vorbei sein.
  • Die Finalniederlage war ein klares Zeichen dafür, dass das Team ohne Kevin Durant und Klay Thompson nicht titelfähig ist.
  • Jetzt beginnen die Spekulationen, ob die Mannschaft über den Sommer auseinander bricht oder einen Neuanfang nächstes Jahr wagt.

Von Jürgen Schmieder, Los Angeles

Es gibt da nun also diesen Anruf, und es fällt schwer, dabei nicht an das Gedicht "Stufen" von Hermann Hesse zu denken, in dem es um Abschied und den Zauber des Anfangs geht. Kevin Durant, der sich gerade von der Operation an der gerissenen Achillessehne erholt, erkundigte sich vom Krankenzimmer in New York aus nach dem Befinden von Klay Thompson, der in einer Klinik im kalifornischen Oakland gerade die Diagnose erhalten hatte, dass das Kreuzband im linken Knie gerissen sei - und gleich danach die Botschaft, dass die Golden State Warriors das sechste Spiel und damit die Finalserie gegen die Toronto Raptors verloren hatten.

Die Verträge beider Akteure laufen aus, sie dürfen wechseln, wohin immer sie möchten, nur: Thompson dürfte mindestens neun Monate lang ausfallen, Durant gar zwölf, und jeder Verein, der nun ein neunstelliges und über mehrere Jahre gültiges Angebot abgibt, muss sich bewusst sein, dass Durant und Thompson die reguläre Spielzeit der nächsten Saison verpassen dürften und womöglich auch die Playoffs. Kein Wunder, dass Warriors-Aufbauspieler Steph Curry, als er von der zweiten schlimmen Verletzung hörte, gegen die Wand der Umkleide trommelte.

Der NBA steht ein wilder Sommer bevor

Diese Ära der Warriors mit fünf Finalteilnahmen nacheinander, drei Titeln und dem Rekord für die beste Bilanz der regulären Saison (73:9), die man mit den legendären Mannschaften dieser Sportart vergleichen darf, den Boston Celtics der 1960er, den Chicago Bulls der 1990er oder auch den Los Angeles Lakers (1980er Jahre und dieses Jahrtausend), sie könnte nun vorbei sein. In "Stufen" von Hesse heißt es dazu: "Wie jede Blüte welkt und jede Jugend dem Alter weicht, blüht jede Lebensstufe, blüht jede Weisheit auch und jede Tugend zu ihrer Zeit und darf nicht ewig dauern."

"Sie haben miteinander geredet, aber ich glaube nicht, dass ich den Inhalt verraten darf", sagte Thompsons Vater Mychal dem TV-Sender ESPN: "Sie haben sich gegenseitig aufgemuntert, hart an einem Comeback zu arbeiten - es gibt da ja noch ein paar unerledigte Dinge." Moment mal: Ist das womöglich ein Hinweis, dass die beiden gemeinsam einen Neuanfang bei den Golden State Warriors wagen und dort noch ein paar Meisterschaften gewinnen möchten? "Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne", schreibt Hesse: "Der uns beschützt und der uns hilft, zu leben."

Der nordamerikanischen Basketballliga steht ein wilder Sommer bevor, weil zahlreiche außergewöhnliche Spieler ohne Restriktionen wechseln dürfen. Kawhi Leonard zum Beispiel, erst vor einem Jahr von den San Antonio Spurs zu den Raptors gewechselt und nun zum wertvollsten Akteur der Finalserie gewählt, könnte in Toronto bleiben - der gebürtige Kalifornier hat allerdings immer wieder mal gesagt, dass er gerne mal in Los Angeles spielen würde, weshalb die Raptors und Clippers als Favoriten gelten. Andere prägende Akteure ohne Vertrag: Kyrie Irving, Kemba Walker, Kristaps Porzingis, Jimmy Butler, Al Horford, Tobias Harris.

Die Verletzungen von Thompson und Durant sorgen dafür, dass die spannende Sommerpause noch viel komplizierter geworden ist. Die Wechselperiode beginnt am 30. Juni, und es heißt nun aus dem Umfeld der Warriors, dass sie Thompson trotz Verletzung den höchstmöglich dotierten Vertrag anbieten wollen, 190 Millionen für fünf Spielzeiten. "Ich habe immer gesagt, dass Klay seine Karriere hier beenden soll, daran hat sich nichts geändert", sagt Warriors-Eigentümer Joe Lacob, und einen Tag nach der Finalniederlage heißt es, dass der Verein auch Durant das Maximalangebot machen will: 221 Millionen Dollar für fünf Spielzeiten.

Pausiert die Warriors-Ära nur eine Saison?

Das ist unfassbar viel Geld, inklusive Luxussteuer wegen Überschreiten der Gehaltsobergrenze könnten die Warriors dann in der kommenden Saison mehr als 350 Millionen Dollar ausgeben - für einen Kader, der wegen der langfristigen Ausfälle von Durant und Thompson wohl kein Titelkandidat wäre. "Wir wollen unsere Spieler angemessen bezahlen", sagt Lacob, und die Warriors können sich das gewiss leisten. Sie ziehen aus der Halle in Oakland in einen Palast in San Francisco, der privat finanziert ist und aufgrund von Lage (zwischen den Piers 30 und 32) und Erfolg des Teams als Gelddruckmaschine gilt.

Sollten die Warriors diese Strategie wählen, und sollten sowohl Thompson (der bei den Warriors bleiben will) als auch Durant (der mit den New York Knicks, den Brooklyn Nets und beiden Vereinen in Los Angeles in Verbindung gebracht wird) akzeptieren, könnten sie sich nach Tauschgeschäften für Draymond Green oder Andre Iguodala umsehen, deren Verträge nach der nächsten Saison auslaufen - oder beide behalten und versuchen, zumindest einen auf Kosten von Tiefe im Kader (die ihnen in dieser Finalserie geschadet hat) langfristig zu binden. Center DeMarcus Cousins dürfte den Verein schon jetzt verlassen, die LA Lakers sollen interessiert sein.

Diese Ära der Warriors war nur deshalb möglich, weil sie vor sechs Jahren dem damals häufig angeschlagenen Curry einen Vertrag anbieten konnten (44 Millionen Dollar für vier Spielzeit), der nun als das größte Schnäppchen der NBA-Geschichte gilt. Thompson, Green und Durant haben auf Geld verzichtet, um diesen unfassbaren Kader mit vier Kandidaten für eine Aufnahme in der NBA-Ruhmeshalle zu ermöglichen. Zum Vergleich: Bei der Meisterschaft der Dallas Mavericks im Jahr 2011 war Dirk Nowitzki der einzige seines Vereins, der davor ins All-Star-Team berufen worden war.

Ein bisschen wie bei den Chicago Bulls damals

Die Warriors könnten mit Maximal-Angeboten für Durant und Thompson in Kauf nehmen, diese Ära eine Saison lang pausieren zu lassen, und dann in der Spielzeit 2020/21 versuchen, die von Mychal Thompson angesprochenen unerledigten Dinge doch noch zu erledigen. Es wäre ein bisschen wie bei den Chicago Bulls, die nach der Rückkehr von Michael Jordan und der Verpflichtung von Dennis Rodman eine zweite Ära mit drei Titeln nacheinander schafften.

Viel dürfte davon abhängen, worüber Durant und Thompson bei ihrem Telefonat gesprochen haben. Zwar hat Mychal Thompson keine Details verraten, aber es klang doch so, als würden die beiden diese eine Ära beenden und bei den Warriors eine zweite beginnen wollen - oder wie Hesse am Ende von "Stufen" schreibt: "Wohlan denn, Herz, nimm Abschied und gesunde."

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