Verletzung von Kevin Durant:Ein Riss, der die NBA quält

2019 NBA Finals - Game Five

Kevin Durant hält sich das Bein, in dem gerade seine Achillessehne gerissen ist.

(Foto: AFP)
  • Kevin Durant reißt sich im fünften Duell der NBA-Finals zwischen den Warriors und Raptors die Achillessehne. Er war gerade erst nach einer Wadenverletzung zurückgekommen.
  • Durant wird nicht nur die letzten Spiele der Finalserie verpassen, sondern könnte bis zu einem Jahr ausfallen.
  • Das wirkt sich auch auf das Wechsel-Karussell der Liga im Sommer aus.

Von Jürgen Schmieder, Los Angeles

Und dann passierte es: Kevin Durant dribbelte den Ball durch die Beine, kurze Körpertäuschung nach links, eleganter Richtungswechsel zur anderen Seite. Er hat diese Bewegung in seiner zwölf Jahre dauernden Profikarriere tausendfach ausgeführt und seinen Gegnern damit regelmäßig, wie die Amerikaner beim unkontrollierten Verlust der Körperbeherrschung sagen, die Knöchel gebrochen. Nun aber fasste sich Durant selbst an den rechten Knöchel. Er brüllte und fluchte, weil er ahnte, dass er beim Abdrücken vom Parkett eine der schlimmsten Verletzungen erlitten hatte: Riss der Achillessehne.

Durant wird den Golden State Warriors in den verbleibenden Partien der NBA-Finalserie fehlen - die Warriors liegen vor der sechsten von maximal sieben Partien an diesem Donnerstag in Oakland 2:3 zurück. Gravierender noch: Er dürfte die komplette kommende Saison ausfallen, und es ist nicht übertrieben festzustellen, dass diese Verletzung den Basketballsport in Nordamerika prägen wird. "Das ist schlimm, ich fühle mit ihm", sagte Kawhi Leonard vom Finalgegner Toronto Raptors: "Da arbeitest du intensiv an der Genesung, und dann passiert bei der Rückkehr noch viel Schlimmeres."

Durant hatte sich vor einem Monat an der rechten Wade verletzt. Angesichts des Rückstandes in der Finalserie und wegen der Kommunikationspolitik der Warriors, die kaum Details zum Gesundheitszustand preisgaben, war über die Rückkehr Durants mindestens so heftig debattiert worden wie über die listigen Defensiv-Schachzüge von Torontos Trainer Nick Nurse oder das Geschimpfe von Golden States Profi Draymond Green über die Schiedsrichter. Es führte letztlich auch dazu, dass dem verletzten Durant nicht nur von Fans vorgeworfen wurde, er kümmere sich eher um seine persönliche Zukunft als um die Gegenwart seiner Mannschaft.

Kurzfristig haben die Warriors bewiesen, dass sie ohne Durant gewinnen können

"Jeder, der seine Integrität anzweifelte, hat sich geirrt", sagt nun der Präsident der Warriors, Bob Myers. Der Achillessehnenriss wirft eher die Frage auf, ob Durant zu früh zurückgekehrt ist. Seine Mannschaft konnte ihn freilich gut gebrauchen: Allein im ersten Viertel schaffte Durant elf Zähler, Golden State führte zum Zeitpunkt der Verletzung mit fünf Punkten. Die medizinische Abteilung hatte ihm nach intensiver Belastung am Vortag attestiert, im Vollbesitz seiner körperlichen Kräfte zu sein, unabhängige Beobachter der Trainingseinheit aber genau das bezweifelt. "Ich weiß, wie die Welt funktioniert", sagt Myers: "Ich bin verantwortlich für den sportlichen Bereich - also bin ich gerne der Sündenbock."

Kurzfristig haben die Warriors bewiesen, dass sie ohne Durant gewinnen können, sie haben dabei bisweilen sogar aufregenden und schön anzusehenden Basketball zelebriert. Auch die Partie am Montag war aufregend, aber sie war nicht schön. Warriors und Raptors wirken am Ende dieser Saison mit jeweils mehr als 100 Partien wie Boxer, die keine Kraft mehr haben für Beinarbeit, Balance oder Deckung und deshalb wild aufeinander einprügeln in der Hoffnung, dass der Gegner bitteschön eher umfallen möge als man selbst.

Durant wird in der Transfersommer zum Sonder-Sonderfall

Die Warriors sind nur deshalb am Montagabend nicht umgefallen, weil Kyle Lowry, der Aufbauspieler der Raptors, gewissermaßen den Schwinger zum Sternchensehen verpasst hat - sein Wurf in letzter Sekunde wurde leicht von Warriors-Spieler Draymond Green berührt und landete neben dem Korb. "Wir sind da irgendwie rausgekommen", sagte Stephen Curry nach dem 106:105-Sieg mit gequältem Blick: "Wir müssen jetzt irgendwie Kräfte sammeln, vielleicht verleiht uns die letzte Partie vor dem Abriss unserer Arena zusätzlich Energie." Aber eigentlich, so Curry, gehe es "nur noch ums Überleben".

Durants Verletzung hat Wirkung auf den weiteren Verlauf dieser Finalserie, aber auch auf die Sommerpause, die ohnehin chaotisch werden dürfte. Es wird zahlreiche grandiose Spieler ohne Vertrag geben (Kawhi Leonard, Kyrie Irving, Kemba Walker, Klay Thompson und Jimmy Butler), dazu einige wechselwillige Akteure wie Anthony Davis von den New Orleans Pelicans. Durant ist ein Sonderfall, der nun durch seine Verletzung zum Sonder-Sonderfall wird: Wegen einer Klausel in seinem Vertrag könnte er noch ein Jahr bei den Warriors bleiben, wenn er möchte, er kann aber auch wechseln, wohin immer er will. Golden State dürfte ihm, sollte Durant auf seine Spieleroption verzichten, einen Fünfjahresvertrag mit einem Gesamtgehalt von 221,3 Millionen US-Dollar anbieten, jeder andere Verein maximal 164 Millionen US-Dollar für vier Jahre.

Durant stand auf der Wunschliste diverser Klubs

Die Brooklyn Nets zum Beispiel haben ihren Gehaltsspielraum so taxiert, dass sie zwei der ruhmreichen NBA-Spieler verpflichten könnten, sie galten bislang neben den New York Knicks und den Los Angeles Clippers als favorisiert im Werben um Durant und möglicherweise auch Irving. Am Dienstag behauptete das New Yorker Boulevardblatt Daily News, dass wegen Durants Verletzung nicht die Warriors das fünfte Spiel verloren hätten, sondern eher die Knicks, und in der New York Post war zu lesen: "Die ist die Hölle für die Knicks."

Das Geschachere um vertragslose Stars ist deshalb so interessant, weil in der NBA zwei gelungene Transaktionen genügen, um aus einem ordentlichen Team einen Titelkandidaten zu formen. Die Toronto Raptors sind in dieser Saison der Beweis dafür: Sie haben Leonard vor und Marc Gasol während der Saison verpflichtet. Wer jedoch bietet dem 30 Jahre alten Durant einen derart wahnwitzigen Vertrag, wenn dieser ein Jahr lang ausfallen wird? Welcher andere prägende Akteur wechselt zu diesem Verein, wenn er weiß, dass die kommende Saison ohne Durant schwierig werden wird?

Die Zeit nach der Saison hat mit der Verletzung von Durant eine neue Dynamik erhalten, die meisten Teams dürften sich nun komplett neu aufstellen. Natürlich muss die aktuelle Spielzeit noch beendet werden. Die Finalserie hätte mit diesem einen Wurf am Ende der fünften Partie schon vorbei sein können. Nun lässt sich sagen, dass sie gerade erst begonnen hat.

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