Und dann passierte es: Kevin Durant dribbelte den Ball durch die Beine, kurze Körpertäuschung nach links, eleganter Richtungswechsel zur anderen Seite. Er hat diese Bewegung in seiner zwölf Jahre dauernden Profikarriere tausendfach ausgeführt und seinen Gegnern damit regelmäßig, wie die Amerikaner beim unkontrollierten Verlust der Körperbeherrschung sagen, die Knöchel gebrochen. Nun aber fasste sich Durant selbst an den rechten Knöchel. Er brüllte und fluchte, weil er ahnte, dass er beim Abdrücken vom Parkett eine der schlimmsten Verletzungen erlitten hatte: Riss der Achillessehne.
Durant wird den Golden State Warriors in den verbleibenden Partien der NBA-Finalserie fehlen - die Warriors liegen vor der sechsten von maximal sieben Partien an diesem Donnerstag in Oakland 2:3 zurück. Gravierender noch: Er dürfte die komplette kommende Saison ausfallen, und es ist nicht übertrieben festzustellen, dass diese Verletzung den Basketballsport in Nordamerika prägen wird. "Das ist schlimm, ich fühle mit ihm", sagte Kawhi Leonard vom Finalgegner Toronto Raptors: "Da arbeitest du intensiv an der Genesung, und dann passiert bei der Rückkehr noch viel Schlimmeres."
Durant hatte sich vor einem Monat an der rechten Wade verletzt. Angesichts des Rückstandes in der Finalserie und wegen der Kommunikationspolitik der Warriors, die kaum Details zum Gesundheitszustand preisgaben, war über die Rückkehr Durants mindestens so heftig debattiert worden wie über die listigen Defensiv-Schachzüge von Torontos Trainer Nick Nurse oder das Geschimpfe von Golden States Profi Draymond Green über die Schiedsrichter. Es führte letztlich auch dazu, dass dem verletzten Durant nicht nur von Fans vorgeworfen wurde, er kümmere sich eher um seine persönliche Zukunft als um die Gegenwart seiner Mannschaft.
Kurzfristig haben die Warriors bewiesen, dass sie ohne Durant gewinnen können
"Jeder, der seine Integrität anzweifelte, hat sich geirrt", sagt nun der Präsident der Warriors, Bob Myers. Der Achillessehnenriss wirft eher die Frage auf, ob Durant zu früh zurückgekehrt ist. Seine Mannschaft konnte ihn freilich gut gebrauchen: Allein im ersten Viertel schaffte Durant elf Zähler, Golden State führte zum Zeitpunkt der Verletzung mit fünf Punkten. Die medizinische Abteilung hatte ihm nach intensiver Belastung am Vortag attestiert, im Vollbesitz seiner körperlichen Kräfte zu sein, unabhängige Beobachter der Trainingseinheit aber genau das bezweifelt. "Ich weiß, wie die Welt funktioniert", sagt Myers: "Ich bin verantwortlich für den sportlichen Bereich - also bin ich gerne der Sündenbock."
Kurzfristig haben die Warriors bewiesen, dass sie ohne Durant gewinnen können, sie haben dabei bisweilen sogar aufregenden und schön anzusehenden Basketball zelebriert. Auch die Partie am Montag war aufregend, aber sie war nicht schön. Warriors und Raptors wirken am Ende dieser Saison mit jeweils mehr als 100 Partien wie Boxer, die keine Kraft mehr haben für Beinarbeit, Balance oder Deckung und deshalb wild aufeinander einprügeln in der Hoffnung, dass der Gegner bitteschön eher umfallen möge als man selbst.