NBA-Finale: LeBron James:Den Kopf über dem Korb

LeBron James, genannt King James, der Auserwählte, gilt als bester Basketballer seiner Zeit. Bei den Miami Heat ordnet er sich unter und lässt sich auf dem Platz zusammenstauchen. Vor Spiel vier der NBA-Finalserie fürchten die Dallas Mavericks, er könnte zu alter Stärke auflaufen.

Joachim Mölter, Dallas

LeBron James hat es nicht leicht in diesen Tagen, er muss sich kritische Fragen gefallen lassen: Was denn nur los sei mit ihm, warum er keine auffallende Rolle spiele in der Finalserie der Basketball-Profiliga NBA, gerade am Ende der Partien gegen die Dallas Mavericks, wenn es darauf ankomme?

Miami Heat's LeBron James dunks the ball against the Dallas Mavericks during Game 3 of the NBA Finals basketball series in Dallas

LeBron James von den Miami Heat beim Dunking.

(Foto: REUTERS)

LeBron James muss sich dann zusammennehmen, um freundlich zu bleiben. "Ich glaube, Sie schauen nur auf eine Seite des Spielfeldes", sagte er, nachdem seine Miami Heat dank des 88:86-Sieges am Sonntag mit 2:1-Erfolgen in der Best-of-seven-Serie in Führung gegangen waren. Auf der einen Seite des Spielfeldes, im Angriff, waren James 17 Punkte gelungen, tatsächlich unterdurchschnittlich für einen Mann, der einmal der beste Werfer der NBA war, in der Saison 2007/2008 mit 30 Punkten im Schnitt. "Sie sollten sich das Spiel noch mal anschauen und sehen, was ich in der Defensive geleistet habe", empfahl James dem Reporter, "dann würden Sie mir das nächste Mal bessere Fragen stellen."

Das nächste Mal ist an diesem Dienstag (Ortszeit; Mittwochmorgen 3 Uhr deutscher Zeit), dann empfangen die Dallas Mavericks in ihrer Arena die Miami Heat zum vierten Duell dieses Finales. Was die Dallas-Fans befürchten und die restlichen Sportinteressierten in den USA erwarten, ist, dass James dann ein großes Offensivfeuerwerk abbrennt, so wie man es von ihm kennt. Oder kannte, aus der Zeit, in der er zweimal zum MVP der Liga gewählt worden ist, zum wertvollsten Spieler. Aus der Zeit, in der er für die Cleveland Cavaliers spielte.

Aber LeBron James läuft seit dieser Saison für die Miami Heat auf, und er ist dort ein anderer Spieler geworden. "Ich muss nicht mehr viele Punkte machen, um effektiv zu sein", sagt er. Der Teamkollege Dwyane Wade schwärmt: "Er ist so unglaublich vielseitig. Er hat im Angriff so viel Übersicht, dass er jeden ins Spiel bringt, und kann in der Abwehr alle fünf Positionen verteidigen."

LeBron James, 26 Jahre alt und 2,03 Meter groß, gilt als der talentierteste Basketballer seiner Generation. Noch als er in der Schule war, widmete ihm das einflussreiche Magazin Sports Illustrated eine Titelgeschichte, Überschrift: "The Chosen One" - der Auserwählte.

James hat sich das auf seinen Rücken tätowieren lassen. Seine athletischen Fähigkeiten sind tatsächlich fast einzigartig: Er kann leichtfüßig mit den kleinen, flinken Spielmachern mithalten, und er kann locker die groß gewachsenen Center, die Verteidiger des Korbes, überwinden und den Ball durch den Ring donnern zu einem Dunking. Im dritten Spiel gegen Dallas am Sonntag hat er das einmal besonders eindrucksvoll gemacht: Da stopfte er den Ball über die ausgestreckten Arme des 2,11 Meter großen und auch noch hochspringenden Ian Mahinmi hinweg in den Korb, eine Demonstration seiner Sprungkraft, die selbst Mavericks-Coach Rick Carlisle beindruckte: "Es ist extrem schwierig, wenn man sieht, dass er beim Dunking den Kopf über dem Korb hat."

James verzichtet in Miami auf Millionen

Solche aufregenden Szenen von James sind bis dato die Ausnahme in der Finalserie, Miamis überragender Mann ist Dwyane Wade, 29. Die Heat sind sein Team, seit er sie vor fünf Jahren zu ihrem ersten und bislang einzigen NBA-Titel geführt hat - gegen eben jene Dallas Mavericks, denen sie nun wieder gegenüberstehen. Und LeBron James, der sich selbst einmal zum "King James" ernannte, ordnete sich dieser Hierarchie unter, als er im vorigen Sommer nach Miami ging, gemeinsam mit dem Flügelspieler Chris Bosh, 27.

Wade, James und Bosh verzichteten dabei sogar jeweils auf ein paar Millionen Dollar angesichts der Aussicht auf kommende sportliche Erfolge. Dieser Wechsel war der spektakulärste in der NBA seit langem, die Heat schoss in der allgemeinen Einschätzung sofort zum Titelfavoriten nach oben, ohne dass das sogenannte "dreiköpfige Monster" auch nur einmal gemeinsam gespielt hatte.

Der Transfer war freilich nicht unumstritten. Viele Basketball-Puristen kritisierten James dafür, dass er es sich zu leicht mache auf dem Weg zum NBA-Titel, den er mit Cleveland nicht gewinnen konnte. Sie argumentierten, der große Michael Jordan, als dessen Nachfolger James stets angesehen wurde, habe sich mit den Chicago Bulls auch durch frustrierende Jahre gequält, bevor er sechs NBA-Titel gewann; Michael Jordan selbst sah das genauso.

LeBron James indes hatte genug davon, in Cleveland den Alleinunterhalter zu geben. Vor vier Jahren erreichte er mit dem Klub zum einzigen Mal das NBA-Finale, war dort aber chancenlos gegen die San Antonio Spurs. Und vor zwei Jahren reichten selbst seine 38,5 Punkte im Schnitt nicht, um das Halbfinale gegen die Orlando Magic zu überstehen.

Nun wischt LeBron James alle Kritik beiseite, die sich aus seinem Wechsel ergeben haben. Er hat die Rolle des Nebendarstellers an der Seite von Dwyane Wade angenommen und lässt sich von dem selbst auf dem Parkett zusammenstauchen, wenn er nicht das tut, was der Teamkapitän von ihm erwartet, wie in einer Szene am Sonntag. Was Wade da zu ihm gesagt habe, wollte James nicht verraten. "Meine Kinder könnten das hören", entgegnete er: "Aber er hatte vollkommen recht in dieser Situation. Ich weiß ja, dass ich immer noch besser werden kann."

Genau das fürchten auch die Mavericks vor dem Spiel am Dienstag: Dass LeBron James in der Offensive zu seiner bekannten Stärke aufläuft. "Wenn er erst mal auf der Abschussrampe steht, ist er nicht mehr zu stoppen", warnt Coach Carlisle seine Spieler. Doch King James, der Auserwählte, fühlt sich längst auf dem Höhenflug. "Für mich geht es nicht darum, wie viele Punkte ich mache", hat er am Montag vor dem Training noch einmal versichert, "für mich geht es darum, dass die Mannschaft gewinnt." Und so gesehen, hat er lächelnd hinzugefügt, "bin ich doch auf der Gewinnerseite".

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