NBA-Finale:"King" James erfüllt seine Mission: "Ich bin zu Hause"

2016 NBA Finals - Game Seven

Tränen der Freude: LeBron James (li.) umarmt seinen Teamkollegen Kevin Love.

(Foto: Ezra Shaw/AFP)
  • LeBron James gewinnt zum dritten Mal die NBA-Meisterschaft - erstmals mit seinem Heimatklub Cleveland Cavaliers.
  • Nach dem Triumph sinkt der überragende Spieler auf die Knie und freut sich wie ein kleines Kind.
  • Im Finale bricht James mehrere Rekorde und wird auch zum wertvollsten Spieler der Serie gewählt.

Von Claus Hulverscheidt, New York

LeBron James sank auf die Knie, stützte sich mit den Unterarmen auf den Hallenboden und verbarg sein Gesicht vor den Abermillionen, die ihre Blicke auf ihn gerichtet hatten. Einen Moment lang verharrte er so, dann stand er auf, dieser Baum von einem Mann, dieser muskelbepackte Kerl mit dem Kreuz so breit wie ein Garagentor, und offenbarte, was doch alle längst begriffen hatten: Der beste Basketballer des Planeten, der Dominator dieser so unglaublichen Finalserie gegen die Golden State Warriors, er schluchzte und schniefte nach dem Titelgewinn seiner Cleveland Cavaliers wie ein kleines Kind.

Noch am Tag vor dem siebten und entscheidenden Spiel um den Meistertitel der US-Profiliga NBA hatte James nichts davon wissen wollen, dass er sich mit seiner Rückkehr nach Cleveland vor zwei Jahren einen ganzen Felsbrocken an Erwartungen auf den Rücken gebunden habe. Nun zeigte sich: Von einem Felsbrocken konnte tatsächlich nicht die Rede sein - es war ein ganzes Gebirge gewesen, das der 31-Jährige da mit sich herum geschleppt und nun endlich weggesprengt hatte.

Weit mehr als ein Pokal für die Stadt Cleveland

Noch nie in ihrer Klub-Geschichte waren die Cavaliers NBA-Champion gewesen, überhaupt hatte keine einzige Profisportmannschaft dieser durch den Strukturwandel so gebeutelten Stadt seit 1964 einen Titel gewinnen können. Es ist deshalb weit mehr als ein Pokal, den der in Akron geborene Ausnahmespieler in seinen Heimatstaat Ohio mitbringt.

93:89 endete diese mitreißende, nervenaufreibende, immer hin und her wogende Partie, und sie wird allen, die sie gesehen haben, auch deshalb in Erinnerung bleiben, weil James und seine Mannschaftskollegen gleich in mehrfacher Hinsicht Geschichte geschrieben haben. Nie zuvor hat ein Team die maximal sieben Partien umfassende Finalserie gewonnen, das mit 3:1 Spielen hinten gelegen hatte. Nie zuvor hatte eine Mannschaft in Match sieben ein Team geschlagen, das den MVP, den wertvollsten Spieler der regulären Saison, in seinen Reihen wusste. Und erst dreimal in der Geschichte der NBA war es einem Klub gelungen, den Titel im alles entscheidenden Spiel auswärts zu holen.

Beinahe alle Zahlenreihen, derer die statistikverrückten Amerikaner im Vorfeld habhaft geworden waren, haben gegen die Cavaliers gesprochen. Und doch entthronte Cleveland den amtierenden Titelträger aus Oakland, der in der regulären Saison mit 73 von 82 möglichen Siegen noch einen Rekord aufgestellt hatte.

27 Punkte, elf Rebounds und elf Vorlagen steuerte James zu dem Triumph bei - er ist der erst dritte NBA-Spieler überhaupt, dem in Spiel sieben ein sogenanntes Triple Double gelang. Spielmacher Kyrie Irving verbuchte ebenso starke 26 Punkte, der vermeintlich so defensivschwache Kevin Love holte 14 Rebounds. Der Rest des Teams - nun ja, man kann sagen, er spielte auch mit. Mehr als dem Trio zur Hand gehen allerdings konnten die meisten Mitspieler in der gesamten Finalserie nicht. Wenn es ernst wurde, waren es fast immer James, Irving und mit Abstrichen Love, die den Ball zugespielt bekamen.

Dass James unmittelbar im Anschluss an den Sieg zu Recht zum sogenannten Finals MVP gekürt wurde, wird auch Warriors-Kollege Stephen Curry nicht bestreiten. Er hatte zwei Mal hintereinander die Trophäe als bester Spieler der regulären Saison gewonnen, die Ehrung als wichtigster Endspielteilnehmer aber war ihm auch schon im letzten Jahr versagt geblieben.

James und Curry: Provokation für sieben Milliarden Erdenbewohner

James und Curry sind beide mit so viel Basketballtalent gesegnet, dass es aus Sicht der übrigen gut 7,4 Milliarden Erdenbewohner schon beinahe einer Provokation gleich kommt. Dabei könnten beide unterschiedlicher kaum sein: hier der athletische, kraftstrotzende, mit seinem Körper Schneisen schlagende James. Dort der filigrane, tänzelnde, artistische Curry mit der atemberaubenden Wurftechnik, der den Ball wahrscheinlich auch vom Klo aus im Korb versenken würde - mit verbundenen Augen.

Es ist oft darüber diskutiert worden, ob James die Vergangenheit und Curry die Zukunft des Basketballs darstellt, ob Artistik künftig Athletik schlägt und ob der Kampf Mann gegen Mann unter dem Korb langsam aber sicher durch einen Wettstreit der Scharfschützen ersetzt werden wird. Ohne jeden Zweifel haben Curry und sein kongenialer Mitschütze Klay Thompson das Spiel mit ihrer Fähigkeit, von beinahe überall aus der Angriffshälfte zu treffen, dramatisch verändert. Wenn es aber darum geht, eine Finalserie zu gewinnen, das bewies dieser Sonntag, ist nach wie vor eine ganz andere Eigenschaft entscheidend: Wille.

Wer LeBron James vor dem entscheidenden siebten Spiel in die Augen geschaut hatte, der wusste, dass hier jemand ist, der sich für den Sieg zerreißen wird. Schon im vergangenen Jahr hätten die Cavaliers die Warriors in der Finalserie womöglich geschlagen, wären Irving und Love nicht verletzungsbedingt ausgefallen. Curry hingegen hatte es bereits damals nicht geschafft, sich auf die Intensität, die noch einmal gesteigerte körperliche Härte der Finalserie einzulassen, weshalb nicht er, der Superstar, sondern Mannschaftskollege Andre Iguodala Finals MVP geworden war.

Curry von den Warriors spielt zu leichtsinnig

Auch an diesem Sonntag gegen Cleveland spielte Curry manchmal so, als habe die Saison gerade erst begonnen, und der Gegner sei nicht Cleveland, sondern der Tabellenletzte aus Philadelphia. Fünf Minuten vor Schluss der Partie spielte er einen Fünf-Meter-Pass auf seinen Mitstreiter Thompson - aber nicht auf direktem Wege, sondern, wie so oft in dieser Saison, hinter dem eigenen Rücken entlang. Statt bei Thompson landete der Ball im Aus, den Gegenangriff nutzte James zu einem Drei-Punkte-Wurf zum 89:88 - eine Führung, die die Cavaliers bis zum Spielende nicht mehr abgaben.

Es war einer dieser Momente, in denen man Curry gerne einen westfälischen Fußballtrainer alter Schule auf den Hals gehetzt hätte, der ihn schüttelt und ruft: "Junge, aufwachen - is' Finale!" Der einzige Golden-State-Spieler, der körperlich und mit Macht um den Sieg fightete, war Flügelspieler Draymond Green, der mit 32 Punkten, 15 Rebounds und neun Vorlagen eine glänzende Vorstellung zeigte.

Man darf gespannt sein, was nach dieser Niederlage aus den Warriors werden wird, ob die Mannschaft zusammenbleibt, ob Coach Steve Kerr weitermacht, und, wenn ja, ob er an seinem köperkontaktarmen Wurfbasketball-Konzept festhält. Aber auch die Zukunft der Cavaliers ist offen. Trainer-Neuling Tyronn Lue muss sich ab sofort am riesigen Erfolg seiner ersten paar Monate als Chefcoach messen lassen. Zudem werden zumindest Kevin Love gelegentlich Abwanderungsgedanken nachgesagt.

Und LeBron James? Auch er muss sich überlegen, ob er in Cleveland bleibt, jetzt, da seine wichtigste Mission erfüllt ist, oder ob er noch einmal eine neue Herausforderung sucht. Vorerst aber gilt es, das Erreichte zu feiern, denn auch für einen Sportprofi, den sie den "King" nennen, war dieser Titel kein gewöhnlicher. Was den Erfolg von seinen beiden ersten Meisterschaften mit den Miami Heat unterscheide, wurde James nach dem Spiel gefragt. Er zögerte keine Sekunde: "Ich bin zuhause."

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