Süddeutsche Zeitung

NBA-Finale: Dirk Nowitzki:Der Wertvollste

Dirk Nowitzki steht zum zweiten Mal in seiner Karriere im NBA-Finale. Er ist als Spieler und Persönlichkeit gereift - und derzeit der wohl wertvollste Spieler der gesamten Liga.

Jürgen Schmieder

Mark Cuban war der Erste, der diese drei Buchstaben aussprach - wobei "aussprechen" eine dreiste Untertreibung ist, so als würde man sagen, dass Dirk Nowitzki ein ganz passabler Basketballspieler sei. Cuban brüllte diese drei Buchstaben, mit denen er zum Ausdruck bringen wollte, dass Nowitzki eben nicht nur ein ganz passabler Basketballer ist, sondern der beste der Welt. Zwei Mal schrie der Besitzer der Dallas Mavericks alleine, dann stimmten Nowitzkis Kollegen ein, schließlich gab es ein kurzes Crescendo, auf dessen Höhepunkt mehr als 20.000 Menschen in der Arena von Dallas brüllten: "MVP, MVP!"

MVP, das ist die Abkürzung für Most Valuable Player, eine Auszeichnung, die im amerikanischen Sport dem wertvollsten Spieler von allen verliehen wird. Wohlgemerkt: Ausgezeichnet wird nicht zwingend der beste Spieler - sondern jener Akteur, dessen Verein aufgrund seiner Präsenz am erfolgreichsten ist. Und nicht nur Mark Cuban und die Mavericks-Fans sind davon überzeugt: Der wertvollste Spieler der NBA ist derzeit Dirk Nowitzki, obwohl er bei der Wahl in diesem Jahr nicht einmal unter die ersten drei gekommen war.

Der Forward der Mavericks hat in den Playoffs, vor allem aber in der Halbfinal-Serie gegen die Oklahoma City Thunder, eine erstaunliche Entwicklung präsentiert - die nach der regulären Saison kaum jemand für möglich gehalten hatte. Nowitzkis Statistiken waren für seine Verhältnisse unterdurchschnittlich: 23 Punkte erzielte er pro Spiel, einen schlechteren Schnitt hatte er zuletzt vor zehn Jahren gehabt. Er schaffte sieben Rebounds pro Spiel, diese Zahl hatte er zuletzt vor elf Jahren unterboten.

Nun hätte man sagen können, dass Nowitzki seine persönlichen Statistiken dafür opferte, damit seine Mannschaft erfolgreicher ist - doch dem war nicht so. Die Mavericks gewannen 57 von 82 Spielen, das reichte für Platz drei in der Setzliste der Western Conference und die Aussicht, spätestens in der zweiten Playoff-Runde am Titelverteidiger, den Los Angeles Lakers, zu scheitern. Die Mavericks als Meisterschaftsfavoriten zu deklarieren, wäre eine dreiste Behauptung gewesen.

In den Playoffs dann agierte Nowitzki, als wäre die reguläre Saison nur das Warmspielen gewesen für die Zeit, die wirklich zählt. In vielen Partien spielte Nowitzki so, als wären die ersten drei Viertel nur das Warmspielen für jene Momente, die wirklich zählen. Den Großteil seiner durchschnittlich 28,4 Punkte erzielte er im Schlussviertel und vor allem dann, wenn seine Mannschaft Punkte brauchte. Die sogenannte Effizienz-Statistik verdeutlicht die Wichtigkeit von Nowitzki: In der Zeit, in der Nowitzki auf dem Feld steht, erzielen die Mavericks durchschnittlich 27,2 Punkte mehr als die gegnerische Mannschaft.

In den Vereinigten Staaten gibt es nun zahlreiche Loblieder auf Nowitzki, das wohl schönste kommt von der New York Times, in der stand: "Nowitzki würde auch dann den Korb noch treffen, wenn er mit voller Geschwindigkeit auf der Autobahn aus dem Fenster eines Autos werfen würde." In diese Elogen auf Nowitzki mischen sich aber stets die Zweifel: Ja, er spielt derzeit phänomenal, aber kann er eine Mannschaft auch zur Meisterschaft führen?

In diesem Jahr scheint es tatsächlich möglich zu sein, was vor allem an der spielerischen Entwicklung von Nowitzki liegt, der in wenigen Wochen seinen 33. Geburtstag feiert. "In diesem Alter haben die meisten Akteure Probleme damit, das Niveau früherer Jahre zu halten", sagt der frühere Basketballspieler Charles Barkley. "Dirk kommt jedes Jahr zurück mit neuen positiven Eigenschaften, neuen Bewegungsabläufen und verbesserter Wurftechnik."

In der Tat hat Nowitzki sein spielerisches Repertoire - das ohnehin für einen Spieler seiner Größe (2,13 Meter) bereits weit gefächert war - nochmals erweitert. Er verteidigt mittlerweile passabel, er agiert als mannschaftsdienlicher Blocksteller für seine Kollegen und ist nun auch ein übersichtlicher Passgeber, wenn ihn zwei Gegenspieler attackieren. Nur mit den Rebounds will es in den Playoffs nicht so recht klappen. "Es hat den Anschein, als könnte ich pro Spiel keine fünf Rebounds bekommen", sagt Nowitzki.

Es sind 7,5 Rebounds in den Playoffs - doch zeigt die Aussage eine weitere Eigenschaft Nowitzkis, die ihn seit Jahren auszeichnet. Anders als viele andere Basketballspieler, deren Ego nicht einmal in einem Fußballstadion Platz zu haben scheint, bleibt Nowitzki stets bescheiden. Er lobt seine Mitspieler und verweist lieber auf seine Schwächen als auf seine Stärken. Als die Dallas-Fans proklamierten, dass er der wertvollste Spieler der Liga sei, da stand er eher beschämt auf dem Feld.

"Er hat die Arbeitsmoral eines Ersatzspielers: Der arbeitet härter als alle anderen, um endlich von Beginn an spielen zu dürfen", sagt sein Trainer Rick Carlisle. Kollege Tyson Chandler ergänzt: "Wenn wir zu Abend essen, da steht er in der Halle und arbeitet an seinen Schwächen. Es ist unglaublich, wie viel er investiert, um immer besser zu werden."

Nun spielen die Mavericks gegen Miami. In der regulären Saison hat Dallas beide Partien gewonnen, Dirk Nowitzki schafft dabei 24 Punkte und 7,5 Rebounds pro Spiel und agierte unauffällig. "Wir sind eine andere Mannschaft als noch vor wenigen Wochen", sagt Jason Terry: "Und Dirk ist jetzt ein anderer Spieler."

Das Schöne an der Auszeichnung zum wertvollsten Spieler ist, dass sie zwei Mal pro Saison verliehen wird. Den Titel für die reguläre Spielzeit hat Derrick Rose von den Chicago Bulls gewonnen. Nach dem Finale wird der wertvollste Spieler der Serie zwischen Dallas und Miami gekürt. In den vergangenen Jahren gewann stets ein Mitglied der siegreichen Mannschaft.

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