Süddeutsche Zeitung

NBA-Finale: Boston gegen Los Angeles:Wie von der Tarantel gestochen

Die Boston Celtics gleichen im Finale gegen die Los Angeles Lakers aus - und haben nun Heimvorteil.

Jürgen Schmieder

Kurz vor dem Ende der Partie stürmte Doc Rivers aufs Spielfeld, als hätte ihn gerade eine Tarantel gestochen. Der Trainer der Boston Celtics schlug die Hände übereinander, um eine Auszeit zu nehmen. Seine Spieler blickten zunächst verdutzt, weil sie doch in Führung lagen und eigentlich versuchten, die Spieluhr weiter laufen zu lassen. Doch dann wurde ihnen klar, dass sie zu lange gebraucht hätten, um das Spielgerät in die gegnerische Hälfte zu befördern. Rivers' hektisches Herumspringen sicherte seiner Mannschaft den Ballbesitz - und auch deshalb den 103:94-Sieg bei den Los Angeles Lakers, mit dem die Celtics die Finalserie um die Meisterschaft in der NBA zum 1:1 ausglichen.

Schon drei Stunden vor Spielbeginn war Celtics-Spieler Ray Allen auf dem Parkett, noch war kein Zuschauer im Staples Center in Los Angeles, nur ein Schweinwerfer beleuchtete das Feld. Allen wollte ein paar Würfe üben, um seinen Rhythmus zu finden. "Ich war nie richtig im ersten Spiel drin, deshalb wollte ich für mich allein ein paar Würfe machen", sagte Allen nach dem Spiel. "Dann habe ich mich gut gefühlt und wollte einfach den Ball haben." Er bekam den Ball - und versenkte die ersten sieben Drei-Punkte-Versuche.

Bereits in der Halbzeitpause suchten die Statistiker eifrig nach der Final-Bestmarke. Diese teilten sich bislang Kenny Smith von den New York Knicks (1995) und Chicago-Bulls-Star Scottie Pippen (1997) mit jeweils sieben erfolgreichen Drei-Punkte-Würfen. Als Allen in der 31. Minute seinen achten Dreier traf, hatte er endgültig Endspiel-Geschichte geschrieben. "Er war wie jemand, dem man im ersten Spiel seinen Ball weggenommen hat. Er hat denen die Lichter ausgeschossen", sagte Celtics-Kapitän Paul Pierce über Allen, der am Ende 32 Punkte erzielte.

Wie bei allen Heimspielen der Lakers war auch an diesem Abend die Hollywood-Prominenz von Jack Nicholson über Leonardo DiCaprio bis hin zu Sylvester Stallone versammelt, um Kobe Bryant und seine Kollegen anzufeuern. Nach dem ersten Viertel führte Boston bereits mit mit 42:28, doch Bryant brachte die Lakers kurz vor der Pause mit einem Drei-Punkte-Wurf auf 48:54 heran. Im dritten Viertel gingen die Lakers gar in Führung, doch die Celtics schafften am Ende einen 16:4-Lauf, der ihnen den Sieg und den Ausgleich in der Finalserie sicherte.

Es war eine Partie, die von den Spielern dominiert wurde, die gewöhnlich weniger im Rampenlicht stehen. Das lag vor allem daran, dass die Schiedsrichter bei fast jedem Ballkontakt auf Foul entschieden - und auch hier durften die Statistiker nach einem Rekord fahnden: 58 Fouls in 48 Spielminuten sind ebenfalls eine Bestmarke in einem NBA-Finale, vor allem die Superstars Kobe Bryant und Kevin Garnett von den Celtics waren schnell in Gefahr, aufgrund von sechs Foulspielen ausgeschlossen zu werden.

Während Garnetts Mitspieler das Fehlen ihres Leitwolfes durch ihre Reservisten sowie eine starke Leistung von Spielmacher Rajon Rondo (19 Punkte, zwölf Rebounds, zehn Assists) ausgleichen konnten, war Bryant kaum zu ersetzen. Deshalb war der Spielmacher der Lakers nach dem Spiel ungewohnt einsilbig. "Wir müssen in Boston gewinnen. Ich denke nicht, dass ich im nächsten Spiel wieder fünf Fouls haben werde", sagte er knapp auf der Pressekonferenz. Sein Kinn vergrub er dabei in der linken Hand, sein Blick wich nicht vom Mikrofon.

"Es ist eine enttäuschende Niederlage. Wir müssen schneller am Ball sein, da hat Boston Vorteile gehabt. Sie wollten den Ball einfach mehr", sagte Gasol, mit 25 Zählern bester Lakers-Werfer. Celtics-Trainer Doc Rivers dagegen verwies auf die zahlreichen Ballgewinne seiner Spieler, die einfach aufmerksamer agiert hätten als die Lakers-Akteure.

"Wir haben jetzt Heimvorteil, aber das garantiert uns gar nichts", sagte Rivers nach dem Spiel. In der best-of-seven-Serie steht es nun 1:1, die kommenden drei Spiele finden in Boston statt. Ray Allen wird wahrscheinlich wieder drei Stunden vor dem Spiel in der Halle sein und Würfe üben - und Doc Rivers wird wieder die Spieluhr im Blick haben und zur Not wieder das Parkett stürmen.

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