Süddeutsche Zeitung

Frauen in der NBA:Ein einzigartiger Trend im Männer-Teamsport

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Die Boston Celtics verpflichten Kara Lawson als Co-Trainerin - sie ist bereits die neunte in der NBA. Die Liga soll immer weiblicher werden.

Von Raphael Späth, Boston/München

Die Boston Celtics sind eines der traditionsreichsten Teams in der amerikanischen Basketball-Profiliga NBA, sie haben in ihrer 73 Jahre dauernden Geschichte bereits 17 Mal die Meisterschaft gewonnen und sind damit Rekordsieger. Nun haben sie noch mal für ein Novum in ihrer Klubgeschichte gesorgt: Das Team des deutschen Nationalspielers Daniel Theis verpflichtete erstmals eine Frau als Co-Trainer - Kara Lawson, 38.

Nach Lindsay Gottlieb, 41, die kürzlich als Mitglied des neuen Trainerstabs der Cleveland Cavaliers vorgestellt wurde, ist die ehemalige Profispielerin Lawson schon die zweite Frau, die in diesem Sommer in der Männerliga NBA auf die Trainerbank rückt. Die beiden bestätigen einen Trend, der so im Teamsport der Männer einzigartig ist und vor fünf Jahren in Person von Becky Hammon, 42, seinen Anfang nahm.

Hammon, einst eine der besten Basketballerinnen der Welt, war 2014 die erste Frau, die in der NBA als Co-Trainerin engagiert wurde. Im darauffolgenden Sommer durfte sie die San Antonio Spurs sogar als Chefcoach in der Summer League betreuen, dem sommerlichen Spielbetrieb der NBA für Talente und Bewerber. Der eigentliche Cheftrainer, Gregg Popovich, ließ Hammon den Vortritt, und diese bedankte sich, indem sie mit ihrem Team das Turnier souverän gewann.

Der 70 Jahre alte Popovich ist einer der erfolgreichsten Basketball-Trainer, in den diesjährigen Playoffs avancierte er zum Chefcoach mit den meisten Siegen in der NBA-Geschichte. "Becky ist eine besondere Frau. Sie weiß, was sie tut. Sie ist selbstbewusst", lobte er die Novizin nach deren Turniererfolg und fügte hinzu: "Der ganze Er-Sie-Vergleich passt überhaupt nicht. In erster Linie ist sie Trainerin, ihr Geschlecht spielt dabei gar keine Rolle."

Das sieht auch NBA-Geschäftsführer Adam Silver so: Seit seinem Amtsantritt 2015 sorgt er dafür, dass die Liga weiblicher wird. In Kara Lawson steigt bereits die insgesamt neunte Trainerin in den Männerbetrieb ein; einige der Frauen sitzen während der Spiele auf der Bank, andere arbeiten eher hinter den Kulissen mit den Spielern. Dazu sind inzwischen 18 Frauen in den Managements der insgesamt 30 Mannschaften aktiv. "Ich bin nicht sicher, wie die Liga so lange männerdominiert bleiben konnte", sagte Silver im April: "Unser Ziel ist, in Zukunft 50 Prozent weibliche Schiedsrichter und Trainer in der Liga zu haben. Es gibt keinen Grund, warum Frauen nicht in der Lage sein sollten, im Männer-Basketball zu coachen."

Auch Spieler sprechen sich inzwischen für die Frauen aus: Pau Gasol, zweimaliger NBA-Champion und ehemals Profis bei den San Antonio Spurs, veröffentlichte im vorigen Jahr einen offenen Brief im Players Tribune, einer Internet-Plattform für amerikanische Sportthemen, in dem er die Vorurteile gegenüber seiner früheren Trainerin entkräftete. "Ich sage euch: Becky Hammon kann coachen", schrieb der Spanier: "Ich sage nicht, dass sie es ziemlich gut oder fast auf dem Level von NBA-Trainern kann. Ich sage: Becky Hammon kann NBA-Basketball trainieren. Punkt."

Im Gegensatz zu den Trainerbänken, auf denen die Grenzen zwischen Männer- und Frauen-Basketball langsam aufweichen, herrscht auf dem Spielfeld aber noch ein großer Unterschied zwischen den Geschlechtern. Während DeWanna Bonner in der Frauenliga WNBA, einem Art Tochterunternehmen der NBA, als bestbezahlte Spielerin in dieser Saison knapp 128 000 Dollar verdienen wird, bekommt Stephen Curry von Oktober an bei den Männern mehr als 40 Millionen Dollar Jahresgehalt.

Die spielerischen Unterschiede sind zwar nicht zu verkennen, dafür sind die biologischen und athletischen Voraussetzungen der Frauen im Vergleich zu den Männern einfach zu unterschiedlich. Gerade einmal sieben Frauen ist in der WNBA-Geschichte bisher ein Dunking gelungen, die wohl spektakulärste Aktion dieses Sports - Rudy Gobert von den Utah Jazz stopfte den Ball alleine in der vergangenen Saison 306 Mal durch den Ring. Vom taktischen Verständnis her unterscheiden sich Frauen und Männer aber keinesfalls. Trotzdem gibt es in keiner der großen Teamsportarten eine Trainerin in den höchsten Männerligen. In Deutschland war das mediale Interesse riesig, als Inka Grings im April als erste Trainerin in der Regionalliga anfing, der vierthöchsten Fußball-Liga. Von der Bundesliga ist das noch weit entfernt.

Im amerikanischen Basketball sind sie mit dem Umdenken schon weiter. Es wird vermutlich nicht mehr lange dauern, bis Frauen beweisen dürfen, dass auch sie in der Lage sind, ein Männerteam in der NBA zu coachen. Gregg Popovich ist mit seinen 70 Jahren zwar noch nicht bereit, das Kommando bei den San Antonio Spurs abzugeben: Im April unterschrieb er einen neuen Drei-Jahres-Vertrag bis 2022. Allerdings könnte danach auch Becky Hammon an der Seitenlinie in San Antonio stehen, dann aber nicht mehr als Co-Trainerin, sondern als Chefcoach. Dass sie - wie viele andere Frauen auch - das Zeug dazu hat, hat sie schon bewiesen.

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SZ vom 11.07.2019
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